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Der Analytiker des täglichen Weltuntergangs: Dieter Nuhr füllte die Großsporthalle in Schwäbisch Gmünd

Nuhr die Ruhe! Geht das überhaupt? Natürlich nicht. Schließlich kennt der Mensch diesen Begriff gar nicht mehr, weil er tagtäglich vor lauter Angst nicht mehr zur Ruhe kommen kann. Dieter Nuhr kann selbst verheerende Wahrheiten aussprechen und der Saal tobt vor Vergnügen.

Dienstag, 29. März 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 45 Sekunden Lesedauer

KABARETT. Das ist auch der Grund warum Deutschlands Experte Nr. 1 in Sachen Realität es mit seinem neuen Programm „Nuhr die Ruhe“ wieder einmal schaffte, am Freitag die Großsporthalle in Schwäbisch Gmünd zu füllen. Vorbei war’s mit der Ruhe, als ihn die rund 1000 Zuschauer mit lautem Beifall empfingen. Doch er nahm es gelassen, schlenderte gewohnt lässig von links auf die kleine Bühne. Diese war dürftig ausgestattet, aber eigentlich, so erklärte Nuhr gleich, gehöre da noch ein großer Bildschirm hin, damit die Leute, die sonst immer nur fernsehen, sich nicht umgewöhnen müssen.
Dieter Nuhr ist ein scharfsinniger Analytiker, der sich aus vorherrschenden Meinungen nichts macht. Er filetiert Themen wie Politik und Zeitgeschehen und nimmt kein Blatt vor den Mund. Dass die Welt irgendwann einmal untergeht, ist klar! Aber dass der Deutsche zu solch einer Untergangsangst neigt, wo er doch schon so viele angekündigte Apokalypsen überlebt hat. Da war erst das Ozonloch, jetzt beim Einzug des Frühlings sagen manche, das ist die Klimakatastrophe: schon wieder Frühling. Dann natürlich BSE, die Vogel– oder Schweinegrippe, jetzt Japan aber: Nuhr die Ruhe. Auch die gefährlichen Angriffe des Borkenkäfers hat die Welt überlebt. Grinsend steht Nuhr dann auf der Bühne: „Verzeihen Sie mir, wenn ich mich nicht mehr so richtig aufregen kann, die Schweinegrippe war der letzte Weltuntergang, an dem ich noch teilgenommen habe. Keine Impfstoffe mehr verfügbar, die Menschen scharren wie wild an den Apothekentüren und ich bekomm so ein Kratzen im Hals. Ich weiß noch, wie ich gedacht habe: Oh Gott, lass es Typhus sein.“
Dieter Nuhr erinnerte sich aber gerne auch an die guten alten Zeiten. Zeiten in denen es noch keine Handys gab, um sich spontan mit den Freunden zu verabreden. Dafür aber gab es „Uhren“ da stand die Zeit drauf. Und da gab es sogar auch „Orte“. Noch vor Google Maps. Und nicht zu vergessen: total verkommene Telefonzellen, von denen aus man im Notfall auch noch telefonieren konnte.
Ganz beiläufig erwähnte Dieter Nuhr die Politik. Der Fall zu Guttenberg: dieser steht in großem Gegensatz zu Gregor Gysi. Dessen Dissertation wurde damals noch von der Stasi kontrolliert. Und somit auch alles sauber zitiert. Oder die Bundesregierung zum Beispiel. Diese, so Nuhr, ist, wie man sich das in den Siebzigern immer vorgestellt hat: eine Frau als Bundeskanzlerin, ein Schwuler, ein Behinderter, eine Frau mit sieben Kindern, einer mit Migrationshintergrund und eine Schwangere. Und das seien erst die Konservativen. Dann plaudert Dieter Nuhr über seine Studienzeit (er hat Lehramt studiert) und dass er relativ schnell wusste, dass dieser Beruf nichts für ihn sei. Spätestens in der ersten Unterrichtsstunde, als die hübschen jungen Damen in der ersten Reihe in anlächelten wusste er, dass ihm der Lehrerberuf sicher einmal strafrechtlich zu schaffen machen würde. Und auch die Erziehung macht es den Lehrern oft schwer: Natürlich hat jedes Elternpaar das begabteste Kind, nur die anderen sind doof. Aber Deppen gab es früher auch schon.
Vielleicht, so Nuhr, sollte sich der Mensch ab und zu einfach mal eine Auszeit gönnen und Ruhe tanken. Wellness zum Beispiel. Und dafür braucht man auch heutzutage dank Sanifair gar nicht mehr viel zu zahlen. An jeder Autobahnraststätte gibt es Wellness für 50 Cent. Toiletten, die mit einem reden und eine eigenen Klohaus-​Philosophie lassen den Besucher völlig entspannen.
Am Ende unternimmt Dieter Nuhr noch einen kleinen Exkurs zur Evolution. Schön, dass uns die Hirnforschung entlaste. Es komme alles vom Gehirn, wir können nichts für das, was wir tun: „Sie sind doch auch nur ein Zellhaufen mit Eintrittskarte. Und ich habe nicht einmal eine Eintrittskarte“
Aber der Eintritt hat sich gelohnt. Als Zugabe las Dieter Nuhr noch aus seinem Buch: „Der ultimative Ratgeber für alles“ und verabschiedete sich dann unter tosendem Applaus von den Besuchern.

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