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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Gmünder Eisenbahngeschichte(n), Teil 11: Wachsendes Bahn-​Interesse kurbelt auch die Planung für die Hohenstaufen-​Bahn (Klepperle) kräftig an

Um 1905 ging es so richtig drunter und drüber mit teils abenteuerlichen Zukunftsplanungen fürs Eisenbahnwesen. Die tollsten Nebenbahn-​Ideen wurden geboren, wobei im Bereich Schwäbisch Gmünd letztendlich die Wieslaufbahn, die Stichstrecke nach Heubach und das berühmte „Klepperle“ das Rennen machten.

Samstag, 09. April 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

Von Heino Schütte
SCHWÄBISCH GMÜND. Fast ein halbes Jahrhundert war in jenen Tagen die Remsbahn alt. Zeit genug, dass die vielfach noch an Pferde, Kutschen und Ochsenkarren gewöhnten Menschen endgültig Vertrauen in das Verkehrsmittel der Zukunft schöpften. Dazu kam in jenen Tagen auch sensationelle Kunde aus dem unteren Remstal: Die Idee, einen neuartigen Verbrennungsmotor in eine Kutsche einzubauen, um damit die pflegebedürftigen und immer hungrigen Pferde zu ersetzen, bewährte sich offenkundig in einem halbwegs gebrauchsfähigen Fortbewegungsmittel namens Automobil. Die fleißigen Dampfrösser auf der Remsbahn ahnten noch nicht, dass ihnen eine gewaltige Konkurrenz ins Haus stand. Das Automobil sollte sogar eines fernen Tages den kompletten Güterbahnhof der geschäftigen Eisenbahnstation Schwäbisch Gmünd den Garaus bereiten. Davon im weiteren Verlauf unserer Serie mehr.
2200 Seelen hoffen auf Güte der Königlichen Eisenbahnverwaltung in der Residenzstadt Stuttgart
Zunächst nahm um 1905 die Eisenbahn in und um Gmünd eine stürmische Entwicklung. Alle wollten Bahnanschluss. Kein Dorf wollte es länger hinnehmen, im Verkehrsschatten zu liegen. In jenen Tagen entwickelte sich quer durchs Remstal durchaus auch schon ein Pendlerstrom. Es gab eine enorme Anzahl von Haltestationen, um möglichst vielen Menschen Zu– und Ausstieg zu ermöglichen. Zu vergleichen ist die Rolle der damaligen Remsbahn mit einer heutigen S-​Bahnstrecke. Fast vergessen ist beispielsweise die Präsenz der Königlich Württembergischen Staatsbahn sogar in Gestalt eines Bahnhofs im kleinen Hussenhofen. Durch die wachsende Bedeutung der militärischen Anlagen im Bereich des Schießtals mit Kaserne und Gefängnis in Gotteszell wurde dort sogar der Bau eines weiteren Bahnhofs ins Auge gefasst. Doch es blieb bei den Plänen. Interessant daran aber ist, dass diese Idee kürzlich erst wieder ins Gespräch kam, als im Gemeinderat über folgende Vision gesprochen wurde: Durch das Näherrücken von Schwäbisch Gmünd in die Metropolregion Stuttgart hinein liegt doch die Ausweitung des S-​Bahn-​Netzes und des Verkehrsverbunds Stuttgart bis Gmünd nahe. Unsere Kinder und Enkel werden die Rückkehr zur alten Bedeutung dieses bewährten Verkehrssystems mit dezentralen Haltepunkten vielleicht wieder erleben.
Wie unsere Vorfahren um einen Bahnanschluss kämpften, zeigt das zunächst unglaubliche Beispiel von Großdeinbach, das ja sehr abseits der Bahnstrecke liegt. Der unvergessene Historiker und Eisenbahnexperte Kurt Seidel hat in seinem vor 25 Jahren erschienenen Buch „Die Remsbahn“ das hartnäckige Bemühen der Deinbacher um eine Haltestation dokumentiert. Es war eine unglückliche Situation für die Menschen in den unterschiedlichen Wohnplätzen, die teils auch heute noch zu Großdeinbach gehören: Neben dem Hauptort auch Radelstetten, Klein– und Hangendeinbach, Ziegerhof, auch Maitis, Lenglingen, Hohenstaufen und Beutenhof. Zu den Bahnhöfen nach Lorch oder Gmünd war die Wegstrecke viel zu lang. Gemeinderat und Bürger pochten auf einen Haltepunkt in der Mitte, in der Nähe des Sachsenhofs.
Rat und Bürgerausschuss richteten bereits exakt zur Jahrhundertwende „ehrerbietigst“ an die „Hohe Königliche Generaldirektion der Staatseisenbahnen in Stuttgart“ ein Schreiben. Verwiesen wurde darin auf die Betroffenheit von „etwa 2200 Seelen“, die „auf den Personenbahnverkehr auf die Stationen Lorch, Gmünd und Göppingen angewiesen, aber von diesen theilweise weit entfernt. Ihnen würde ein große Erleichterung geschaffen, wenn auf Markung Sachsenhof, da, wo die Straße von Hohenstaufen her die Bahn überschreitet, um in die Staatsstraße Gmünd-​Nördlingen einzumünden, etwa 200 m westlich von Pisten Nr. 53 eine Haltestelle für täglich etwa 4 Personenzüge eingerichtet würde … zweifellos wäre der Verkehr ein reger, und es würde derselbe beweisen, wie groß das Bedürfniß der Haltestelle noch über die genannten nächstgelegen Orte hinaus ist. Wir wären bereit, den erforderlichen Bauplatz und Barbeiträge zur Verfügung zu stellen, soweit wir hinsichtlich letzterer auf die Güte der Königlichen Staatseisenbahnverwaltung rechnen dürfen, bitten um wohlwollende Entscheidung und verharren ehrerbietigst.“
Die königlichen Eisenbahner in der fernen Residenzstadt Stuttgart zeigten Gnade. Im Zuge des zweigleisigen Ausbaus der Remsbahn wurde tatsächlich ein „Haltepunkt Deinbach“ geschaffen. 1905 wurde er eingeweiht. Viele ältere Leser dürften sich an dieses bürgernahe Bahnhofsangebot der Bahn sogar noch erinnern, denn das Bahnhöfle mit seinem Bahnsteig, unterhalb der Gaststätte Heilig gelegen, hatte sogar bis 1962 Bestand.
Die stürmische Entwicklung der Remsbahn zeigte sich indes in den wachsenden Fahrplänen. Ab 1899 wurde der zweigleisige Ausbau aus Richtung Cannstatt vorangetrieben. 1905 stand die „Doppelspur“ bereits an der Station Großdeinbach.
Ein großer Stadtumbau am Gmünder Bahnhof bereits zu Beginn des 20.Jahrhunderts
Zeitgleich wurden in Gmünd gewaltige Stadtumbau-​Pläne fürs Bahnhofsviertel geschmiedet. Die zeitgenössischen Berichte aus dieser Phase erinnern ungemein stark an die aktuellen Vorbereitungen fürs Gamundia-​Projekt und die Landesgartenschau. Mit Ausnahme des aus dem Jahre 1861 stammenden Empfangsgebäudes wurde ein Komplettabriss aller anderen Häuser, Schuppen und Remisen beschlossen. Eine fast schon großstädtisch anmutende Bahnhofsanlage mit riesiger Güterumschlagstation wurde projektiert. Denn die Württembergische Staatsbahn hatte mit Gmünd noch Großes vor. Auch die Königliche Postverwaltung schloss sich umgehend mit der zukunftsgerechten Planung eines auch architektonisch wunderbar zum Bahnhof passenden repräsentativen Hauptpostamtes an. Jenes Gebäude, das die schnelllebige Stadtentwicklungspolitik im rasanten Landesgartenschau-​Fortschrittsgeist dann fast genau 100 Jahre später beinahe komplett platt gemacht hätte.
Gmünd war als Eisenbahnknoten auserkoren, denn wagemutig nahmen bereits die Pläne für eine Bahnstrecke Gmünd-​Hohenstaufen-​Wäschenbeuren-​Göppingen Gestalt an. Die Ingenieure dachten auch an eine Nebenbahn nach Mutlangen, Alfdorf, Welzheim und sogar ins Kochertal. Sogar Waldstetten durfte sich Hoffnung auf Gleisanschluss machen.
Die Hohenstaufenbahn wurde vordringlich behandelt. Die Planer standen angesichts des mächtigen Bergrückens zwischen Rems– und Filstal jedoch vor schier unlösbaren technischen, topographischen und geologischen Herausforderungen.

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