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Katja Fischer: Schwimmerin im Erinnerungs-​Strudel

Sie könne endlos malen, sagt Katja Fischer, sie brauche nur in ihren Erinnerungen zu kramen und den Alltag zu beobachten. Ein Sinn fürs Aberwitzige im Banalen hilft ihr dabei. Ihre Gemälde und kleine Skulpturen zeigt der Gmünder Kunstverein in seiner neuen Ausstellung: „Eyes wide open“.

Dienstag, 17. Mai 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 18 Sekunden Lesedauer

AUSSTELLUNG (rw). „Eyes wide open“ — wem käme nicht der Titel von Stanley Kubricks letztem Film „Eyes wide shut“ in den Sinn. Berührungspunkte gibt es: die dunklen Felder der Erinnerung, in denen sich Phantasien und Phobien mischen und die hineinreichen in den hellichten Tag, ins Bewusstsein gerufen durch ein Geräusch wie das Summen einer Fliege oder den Anblick blühender Bäume. Selbst die „Uhr auf Franks Fensterbank“ transportiert noch eine Stimmung, man weiß nicht unbedingt welche: die Melancholie eines Nachmittags, das Erstaunen über einen Fund, vielleicht auch nur die Erinnerung an eine Erinnerung. Sie fangen den Augenblick ein — das ist das Mindeste, was man von ihren häufig kleinformatigen Bildern sagen kann, die sie zur „Mindwall“ arrangiert: Darin sei alles enthalten, was ihr in einem halben Jahr in den Sinn kam.
Die 41-​Jährige, geboren und aufgewachsen in München, absolvierte zunächst eine Schreinerlehre, bevor sie die Fächer Malerei an der Münchener Akademie der Bildenden Künste und in Helsinki sowie Psychologie studierte und abschloss. 2006 arbeitete sie in Kalifornien, und inzwischen lebt sie als Malerin und Bildhauerin in Nürnberg. Vor elf Jahren wurde sie mit dem Kunstpreis der Bayerischen Staatsregierung ausgezeichnet. Und Querflöte spielt sie auch. Dieses Instrument ist folglich ein nicht ganz seltenes Bildmotiv.
Ihre Bilder sind Momente einer Erzählung: Über die Schwimmer, die von einem Strudel erfasst und in die Tiefe gezogen werden, erzählt sie, dass sie an der Isar aufgewachsen sei. Den Kindern sei gesagt worden, wenn sie in einen Strudel gerieten, sollten sie sich nach unten ziehen lassen und dann seitwärts hinaus und nach oben schwimmen. Der Mensch und seine Alltagswirklichkeit — obwohl, den Killerhund, der vor einem hellblauen Hintergrund auf den Betrachter zufliegt, möchte man eher nicht erleben. Derlei dürfte eher in die Kategorie der gemalten Albträume gehören wie die Wespen, die auf einem sechsteiligen Werk auf einem partiell abgebildeten nackten Frauenkörper herumkriechen — ausgerechnet an den empfindlichen Stellen. Nicht zu vergessen eines der wenigen großformatigen Gemälde Katja Fischers: „Der Albtraum oder ich elendiger Hochstapler“. Es zeigt eine doppelbödige Situation: Einen in warmen Braun und Gold schimmernden Theatersaal von gigantischen Ausmaßen, in dem offenbar alle Blicke auf die sich dem Publikum zuwendende Gestalt am Dirigentenpult gerichtet ist. Einerseits beklemmend, sagt die Malerin, „andererseits ist es auch eine geile Situation.“
Es findet sich viel Persönliches, oft schon Intimes in ihren Bildern: Das sich vor ihrer Staffelei räkelnde Schwulenpärchen, die Nackte in Vierseiten-​Ansicht, auch sie vor einem pastelligen neutralen Hintergrund. Distanz schafft eine nuancierte Ironie und ein Sinn für Komik, der auch mal brachial sein kann. „Beton in den Orchestergraben“, auch so eine kleinformatige 18-​auf-​33-​cm-​Tafel, zeigt genau diese Szene: Ein Betonmischer, der seine graue Masse über einem in heller Auflösung begriffenen Orchester ausleert. Da geht sie hin, die schöne Kulturausübung. Die wurde im Kunstverein bei der Vernissage am Freitag durchaus noch gepflegt, als Gudrun Petruschka (Laute) und Annette Kroll (Gesang) Lieder aus der Renaissance aufführten.

Katja Fischer: „Eyes wide open“. In der Galerie des Gmünder Kunstvereins im Kornhaus. Bis zum 26. Juni. Öffnungszeiten: Di — Fr 14 — 17 Uhr; Sa 10– 13 Uhr; So 11 — 17 Uhr. Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag und Fronleichnam geschlossen.

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