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Michael Nuber spielte virtuoses Teufelswerk und Lyrisch-​Dramatisches für Liszt-​Freunde

Und wieder griff Michael Nuber in seiner über das ganze Jahr verstreuten Konzertreihe anlässlich des 200. Geburtstages von Franz Liszt in die Tasten.

Freitag, 03. Juni 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 8 Sekunden Lesedauer

Von Ingrid Fifka
KONZERT. Das fünfte Konzert gab der Pianist im Gemeindezentrum Brücke in Schwäbisch Gmünd. Beliebte Werke waren zu hören und selten gespielte Kompositionen, Stücke mit Tiefgang, virtuoses Teufelswerk und Lyrisch-​Dramatisches. Liszt-​Freunde kamen bei diesem Programm allemal auf ihre Kosten.
Leidenschaftlich nahm Nuber das liedartige Thema der berühmten 6. Ungarischen Rhapsodie auf, verströmte seinen ganzen Charme, leitete über mit brillanter Trillergestaltung und entfachte mit den „Zymbal-​Imitaionen“ sehr lebendige Crescendi. Er gab die Fülle dieser typisch ungarisch zigeunerhaften Musik, der sich Franz Liszt so stark verbunden fühlte. Souverän ließ Nuber die Vibrato-​Oktaven erklingen und setzte starke Akzente in den rauschenden Klangkaskaden, die er — für das Auge nicht mehr verfolgbar — in atemberaubender Geschwindigkeit spielte. Vollkommen anders die 5. Rhapsodie, die sogenannte Heroide-​Élégiaque, durchgehend langsam kommt sie ohne Friss-​Teil aus. Nach und nach entwickelt sich eine orchestrale Fülle aus dem Trauermarsch heraus und lebt auf durch Intensivierung, nicht Virtuosität. Mit fein nuanciertem Anschlag fügte Nuber die zarten, kleineren Zwischenteile bei und ließ ein anmutiges Kunstwerk entstehen.
Passend dazu folgte „Il Penseroso“ aus Anneés de Pelerinage (2. Heft), eins der ersten Spätwerke von Franz Liszt, wegen seiner Kargheit schwierig zu hören — extravagant in der Harmonie und in der Aussage. Leichte Schauer erfassten das Publikum, als der Pianist immer tiefer in die Einsamkeit absank, seine Tasten nur kurz berührte, einen Hauch Kälte mitgebend — schwere Melancholie breitete sich im Raum aus.
Dann „Sposalizio“, aus dem gleichen Heft. In wunderbarer Weise ließ Nuber die helle Melodie mit den unterstreichenden Arpeggien verschmelzen und kostete die vielfältigen Verwandlungen aus.
„Der heilige Franziskus von Paola auf den Wogen schreitend“ — ein religiöses Werk, das dennoch Virtuoses enthält. Mit technischer Sicherheit und tiefem Verständnis für Spiritualität brachte der Pianist das Werk zum glänzen und öffnete die Herzen des Publikums.
Die „Zelle von Nonnenwerth“ spielte der Künstler in der dritten und vierten Fassung, um in der direkten Gegenüberstellung den Wandel der Kompositionstechnik Liszts hörbar zu machen. Ton für Ton gestaltete er liebevoll, ging tief hinein ins erste Werk und ließ den Geist der Erinnerung an Glückseligkeit in der Musik mitschweben. Weit reduzierter, auf Wesentliches beschränkt das zweite Stück, das etwa 40 Jahre später entstand — wohldosiert im Anschlag und überaus sensibel in der Gestaltung kam hier die Verklärtheit schön zum Ausdruck.
Csárdás macabre und Csárdás obstiné gehören zu den national bestimmten Werken. Der erste, mit seinen dumpfen Quintfolgen ein Totentanz mit unerbittlicher Härte, der andere zielt auf die betäubende Wirkung, die aus der ständigen Wiederholung eines melodischen und rhythmischen Motivs hervorgeht, bis ein tödlicher Rausch sich der Tanzenden bemächtigt. Nicht aufzuhalten war der Künstler in diesen Stücken, spielte unerbittlich und zog die Hörer in den Strudel der grotesken Szenen hinein.
Kraftvoll und noch einmal mit ganzem Einsatz gab Michael Nuber die Etüde f-​moll. Er jagte virtuos über die Tasten und baute immense Spannungen auf, kehrte aber in den ruhigeren Passagen immer zurück zu einem filigran gestalteten Klangbild. Ein hochkarätiger Klavierabend, der durchaus mehr Publikum verdient hätte, fand mit diesem Werk einen bravourösen Ausklang.

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