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EKM: Der Riga Dom-​Knabenchor entfaltete eine Klangqualität, die man selten hört

Das regnerische Wetter konnte den Besucheransturm nicht bremsen. Die Vorliebe für Knabenchöre ist ungebrochen. Und jetzt derjenige vom Rigaer Dom zu Gast bei der EKM.

Mittwoch, 20. Juli 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
1 Minute 57 Sekunden Lesedauer

KONZERT. (-ry) Ein interessantes Programm, das den bekannten Größen Reverenz erwies: Bach, Bruckner, Telemann, César Franck, Andrew Lloyd Webber (!), aber dann eben auch lettisches Erbe: Sakral– und Volksmusik. So erwies sich der Riga Dom Cathedral Boys Choir zugleich als überaus sympathischer Botschafter seines Landes. Unter Leitung seines Dirigenten und Chorpädagogen Martins Klisans sangen die noch recht jungen Buben mit einer Männergruppe aus fünf Bässen und vier (Turbo-)Tenören: eine unglaubliche Kraftreserve, die mit markantem Tutti die Akustik von St. Cyriakus in Straßdorf ausreizte.
Dabei ging es gar nicht um vokale Power, ganz im Gegenteil: mit einer Disziplin ohnegleichen meisterte der Chor eine dynamische Bandbreite, völlig homogen, selbst in raschen Koloraturen ganz natürlich. Diese Klangqualität hört man so sehr selten. So sangen sich die Jungen und Männer regelrecht in die Herzen eines Publikums, das am Schluss des Konzerts völlig aus dem Häuschen war: lang anhaltende standing ovations.
Neben einer Reihe von A-​cappella –Beiträgen wurde der Chor von seiner Hausorganistin Aija Zingite versiert begleitet. Obwohl Orgelbaumeister Michael Kreisz alle Mühe aufwandte, das 38-​registrige Werk seines Vorgängers Peter Paul Köberle zu richten, reichte die Zeit nicht zur notwendigen Grundsanierung, die dringend nötig wäre, das reizvolle Instrument dauerhaft zu retten. Das war auch der Grund für eine Programmänderung: Wegen des ausfallenden Setzers spielte Aija Zingite statt der „Toccata Gloria“ über Bachs Choral „Allein Gott in der Höh’ sei Ehr’“ von ihrem Landsmann, dem Rigaer Domorganisten Aivars Kalejs, Bachs d-​Moll-​Toccata und Fuge: eine interessante Rezeption; dennoch hätte man sich gefreut über den hier kaum bekannten Originalbeitrag). Orgelsoli mit Bachs berühmter G-​Dur-​Fantasie, dem „Te Deum laudamus“ von Peteris Vasks, von dem der Chor ein differenziert gebotenes „Madrigal“ bot, zeigten eine Organistin mit vielseitigem Können.
Frau Zingite übernahm auf der Orgel auch die Orchesterpartes zu Bachs gesungenen Teilen der F-​Dur-​Messe, zu Telemanns „Veni Sancte Spiritus“, César Francks wirklich himmlischem „Panis angelicus“ (mit zartem Knabensolo und fein begleitendem Chor), ebenso (mit zwei Knabensoli) bei Andrew Lloyd Webbers „Pie Jesu“ aus seinem ergreifenden „Requiem“, das mit der blinden Gerlinde Sämann 1998 bei der EKM für nachhaltige Bewunderung gesorgt hatte.
Der Einblick in die kompositorische Werkstatt lettischer Zeitgenossen verfehlte nicht seinen Reiz: von Urmas Sisak ein rhythmisch hochinteressant strukturiertes „Ave Maria“, zwei Teilen aus der Missa Rigensis von Ugis Praulins und zwei Volksliedadaptionen — das „Innenleben“ der neuen Tradition Lettlands freilegend: Wunderbar, wie die Musik dieses Landes lebt.
Sehr geschickt die Schlusswirkung mit Juris Karlsons’ großem Lobgesang nach Psalm 111: „Magna opera Domini“ — „Groß sind die Werke des Herrn“. Das war ein summarisches Credo der Musik, der Komponisten und Ausführenden. Martins Klisans Dirigieren glich einem feinen Zelebrieren: spannungsvolle Bögen, dynamisch bestens durchgespannt, diffizile Klangnuancen und eine Chorkultur, die einfach Maßstäbe setzt. Ein großartiger Nachmittag in Straßdorf.

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