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Daniel Brägs „Obstlandschaften“ in der Predigergalerie schildern das Wechselspiel von Natur und Kunst

Die Natur in der Kunst ist das große und immer wiederkehrende Thema der Galerie im Prediger, in Objekten, Skulpturen und Bildern. Doch noch nie trat sie einem so direkt entgegen wie in Daniel Brägs Installation „Obstlandschaften“. Sie bleibt bis weit in den Herbst stehen, aber sie wird nicht mehr die selbe sein wie am Anfang.

Mittwoch, 06. Juli 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 8 Sekunden Lesedauer

AUSSTELLUNG (rw). Kunst und Geruch, das ist ein weites Feld. Mal riecht sie nach frischer Farbe und nach Chemikalien, mal nach Staub und Moder. Wer die Predigergalerie betritt, dem schlägt der Duft von Apfelbäumen entgegen. Dazwischen mischt sich süße, überreife Frucht. Ein Obstgarten? Wären da nicht die Batterien mit Einweckgläsern, in denen Äpfel und Birnen im Saft ruhen, als wären sie in Formaldehyd eingelegte Präparate, und die Kühlschränke, die vor sich hinbrummen. In ihnen stehen, schön kühl gehalten, Glasgefäße wie in einem Labor. Ihr Inhalt: blühende Zweige in Gelatine.
Noch vor Beginn der Vegetationsperiode fällte Daniel Bräg in Gmünder Obstwiesen alte, nicht mehr tragende Apfelbäume und einen Zwetschgenbaum. Sie, von der Wurzel über den manchmal schon hohlen Stamm bis zu den Zweigen bilden gewissermaßen die Säulen der Installation. Daniel Bräg, seine Frau und sein Sohn schichteten sie eine Woche lang auf zu streng quaderförmigen Stapeln. Wurzelwerk unten, Stamm, Äste, kleine Zweige ganz oben auf. Jeder Stapel ein ganzer Baum.
Wo immer der Mensch auftritt, ist die unberührte Natur am Ende. Es entsteht — wo nicht eine Wüste — die Kulturlandschaft, die von den Eingriffen des Menschen abhängig ist. An dieser Schnittstelle setzt der 47-​jährige Künstler an, der zugleich in einer ganz anderen Sparte zuhause ist: Er ist Leiter der Werkstätte für Steinbildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in München.
Wo immer die Natur wirkt, sind Prozesse am Laufen, ein immerwährendes Werden und Vergehen, ein Ineinandergreifen von Neuschöpfung und Vergänglichkeit. Der Mensch merkt’s an sich selbst und an den Produkten seiner Arbeit — und wo er es nicht bemerken will, stößt ihn Brägs Kunst darauf: Das Bewahren und Konservieren hat Grenzen, alles steht unter dem Gesetz der Vergänglichkeit. Tröstlich daran ist, dass die Vergänglichkeit der Natur ihre eigene, unglaublich zarte Schönheit besitzt. Davon zeugen die großformatigen Fotos von sich auflösenden und zerfasernden Blüten an den Wänden, das tiefe Leuchten aus den Einweckgläsern und die opaken Abstufungen der weißlich schimmelnden Gelatine — im Prinzip alles der Horror der ordnungs– und hygieneliebenden Hausfrau. Hier aber sehr ordentlich gestapelt und sauber verwahrt. Nebenbei hat der Betrachter noch ein fröhliches Spiel mit Land Art und Pop Art vor sich.
Museumsleiterin Gabriele Holthuis, deren nicht so geheimes Leitmotiv die Natur ist, macht noch auf einen anderen Aspekt aufmerksam: die religiöse Dimension der von Bräg so akribisch festgehaltenen Transformationsprozesse. Nicht nur unter den Vorzeichen der Vergänglichkeit. Der Baum und der Apfel spielen auf den Sündenfall an, in einem früheren Kirchenschiff zumal, in welchem der Künstler die Teile der Installation streng in Ost-​West-​Richtung aufgestellt hat. So fest wie Säulen stehen die Holzstapel indes nicht, sie sind im Gegenteil sehr fragil, man sollte sie nicht berühren. Was nicht ausschließt, dass einer von selbst umfällt. Holz arbeitet und schwindet schließlich. Das gehört in diesem Fall als Walten der Natur zur Kunst.

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