Direkt zum Inhalt springen

Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Am Montag ist Maria Himmelfahrt: Gmünd und Heuchlingen wurden in den vergangenen Jahren zu Hochburgen des Weihbüschelbindens

Die Zeit, in der ganz vereinzelt und vor allem verschämt Sträußchen in die Kirche geschmuggelt wurden, ist lange vorbei. Die Weihbüscheltradition ist heute wieder lebendig wie eh und je.

Samstag, 13. August 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 45 Sekunden Lesedauer


SCHWÄBISCH GMÜND (bt/​nb). Weihbüschel wurden einst auf dem Dachboden oder im Herrgottswinkel aufgehängt, im Herd verbrannt oder dem Viehfutter beigemischt, wo sie alles fern halten sollten, was Familie, Haus und Hof bedrohten. Bis heute ist den gut riechenden Kräuterbouquets ein Ehrenplatz sicher. Der Brauch, Kräuter zu weihen wenn ihre Heilkraft am größten ist, der Sommer seine ganze Pracht und Fülle entfaltet, reicht weit in die vorchristliche Zeit zurück. Später wurde die Wirkung der Kräuter auf Marias Fürbitte zurückgeführt – verbunden mit der Legende, dass die Apostel beim Öffnen ihres Grabes nur Kräuter und Blumen vorfanden.
Eine Kräuterpädagogin adelte dieser Tage das Vorhaben aus weltlicher Sicht. Dass sich immer mehr Menschen für die Naturheilkunde interessierten, könne gar nicht hoch genug geschätzt werden: „Alles was das alte Wissen um die Wirkung von Kräutern erhält, ist gut“ (siehe unten).
Über ein Dutzend Frauen hat am Freitag den ganzen Nachmittag im Kapitelshaus Sträuße gebunden; am Samstag vor Mariä Himmelfahrt heute werden es erfahrungsgemäß noch mehr sein. Man muss all die prall gefüllten Wannen und Bottiche gesehen haben, um verstehen zu können, warum das altehrwürdige Gebäude bereits nach wenigen Stunden riecht, als liege man an einem heißen Sommertag nach einer Wanderung aufs Kalten Feld mitten im Kräuterfeld.
Dabei betonen die Damen, dass nicht eine Pflanze aus einem Naturschutzgebiet stammt. Auch wenns ans Ährenernten geht, beschränken sie sich auf die Randstreifen. In den vergangenen Wochen hat das Ehepaar Weinmann bestimmt hundert Autokilometer zurückgelegt, um die besten Fundplätze auszumachen, und eine ganze Woche lang haben sie jetzt gesammelt, hier Rainfarn und Mädesüß, dort die kanadische Goldrute und die Königskerze. Marija Vuk etwa hat ihren Garten geplündert, der nichts weniger ist als ein Schatzkistchen: Zitronenmelisse, Marienblatt, Schafgarbe, Salbei, Oregano, wilder Thymian, Sonnenhut (Echinacea), Ringelblume, Johanniskraut und ein Dutzend weiterer Kräuter – Klassiker, denen heimische Ähren beigefügt werden, Würz– und Küchenkräuter wie Petersilie, Liebstöckel, Majoran, Pfefferminze und Melisse. Dass Einbinden von Blumen schließlich soll die Schönheit und die Vielfalt der Schöpfung würdigen. Viele haben etwas beigesteuert, und wenn sie sich dabei helfen lassen mussten. So hat der 22-​jährige Marco seiner Großmutter ein Bündel des Heilkrauts Borretsch beschafft, und nur ein ganz klein bisschen gebrummelt, weil die Dinger so borstig sind. Den schönsten Weihbusch band die aus dem Bayrischen kommende frühere Mesnergattin Walburga Weinmann, die diesen Brauch vor elf Jahren wieder eingeführt hat, aus 22 Kräutern fürs Seniorenzentrum St. Anna.
Den Heuchlingern Weihbüschelbindern sind die Orte, an denen all die Kräuter und Blumen wachsen, wohlbekannt. Da ist die Wiese hinterm Haus, und der kleine Grasabschnitt entlang der Straße – wie immer, war es auch dieses Jahr nicht schwer, all die Pflanzen zu sammeln, die zum Heuchlinger Weihbüschel dazugehören. Einzig die Menge war nicht so üppig wie in den vergangenen Jahren – das wechselhafte Frühsommerwetter machte sich bemerkbar. Was gestern neben dem Heuchlinger Rathausplatz, wo die Weihbüschel gebunden wurden, nicht zu sehen war, waren geschützte Kräuter wie Tausendgüldenkraut oder jene, die in der näheren Umgebung nicht wachsen, zum Beispiel der bittersüße Nachtschatten. Unverzichtbar aber ist die Königskerze, die den Mittelpunkt eines jeden Weihbüschels bildet. Wenn’s keine Königskerzen mehr gibt, dann gibt’s keine Weihbüschel mehr. Doch bis jetzt gab es in Heuchlingen noch keinen Engpass. Pro Jahr binden die fleißigen Frauen und Männer zwischen 80 und 100 Weihbüschel.

In Gmünd werden die Weihbüschel am morgigen Sonntag im Münster in drei Gottesdiensten verkauft, um 9, 11 und 19 Uhr, im Margaritenheim werden sie um 9 Uhr ausgegeben, in St. Anna um 10.30 Uhr und am Montag, dem Festtag Mariä Himmelfahrt ebenfalls um 10.30 Uhr.
Kräuterbüschel werden auch in anderen Kirchengemeinden geweiht. Bekannt gegeben haben dies: St. Michael, St. Franziskus, sowie St. Peter und Paul in Gmünd, St. Maria Wetzgau, Christus König in Großdeinbach, St. Georg, Mutlangen, St. Laurentius Waldstetten, St. Cyriakus Straßdorf, Hohenstadt: Maria Opferung, St. Michael Untergröningen, Hl.-Geist-Kirche in Eschach und natürlich Heuchlingen.

14 Tage kostenlos und unverbindlich testen?
Das RZ-Probeabo - digital oder klassisch mit Trägerzustellung

2838 Aufrufe
663 Wörter
4647 Tage 13 Stunden Online

Beitrag teilen

Hinweis: Dieser Artikel wurde vor 4647 Tagen veröffentlicht.


QR-Code
remszeitung.de/2011/8/13/am-montag-ist-maria-himmelfahrt-gmuend-und-heuchlingen-wurden-in-den-vergangenen-jahren-zu-hochburgen-des-weihbueschelbindens/