Direkt zum Inhalt springen

Nachrichten Kultur

Festival Europäische Kirchenmusik: Konzert vom Orlando Consort in der Augustinuskirche in Schwäbisch Gmünd

Zum Selbstverständnis der EKM gehört das Grenzgängertum von Musik verschiedener Kulturen. Das Mantra-​Projekt, ein Konzert vom Orlando Consort mit Shahid Khan (Gesang), Jonathan Mayer (Sitar) und Kuljit Bhamra (Perkussion und Tabla), war ein einmaliges Erlebnis, die Augustinuskirche der ideale Aufführungsort.

Dienstag, 02. August 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 21 Sekunden Lesedauer

KONZERT (-ry). Wenn das Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen und Religionen oft etwas Pseudo-​Nostalgisches hat, ging es hier um respektvolles Begegnen, als Bereicherung wahrgenommen. Kein modisches Verwaschen der Konturen als Synkretismus, kein emotionales, irrationales Wegträumen in das Fremd(artig)e einer Religion, obwohl man weder die eigene noch jene gründlich kennt, kein esoterisches Feld einer „Plastikreligion“ (Manfred Lütz) als schaler Religionsersatz!
Begegnung und Respekt sind Synonyme derselben Geisteshaltung. Es geht – wie in einer recht verstandenen Mission – nicht um Implantation (vielleicht sogar in der Attitüde besserwisserischer Gewalt), sondern um Inkulturation, der die Hochachtung vor dem (noch) Fremden, aber Wertvollen, eignet. Eine solche gegenseitige Befruchtung entspringt der würdevollen Wahrnehmung mit dem Geschenk wunderbarer Erfahrungen der Bereicherung beider Partner. Das war der „rote Faden“ eines 75-​minütigen konzentrierten Auftritts.
Bereits am Beginn stimmten die vier Männer des Orlando Consorts (Matthew Venner, Mark Dobell, Angus Smith und Donald Greig) in den gregorianischen Choral „Conditor alme siderum“ („Gotteslob“ 116 – melodiegleich „En clara vox redarguit“, im GL 801) ein, in einer Prozession vom Hochaltar zum Taufstein, während von hinten her durch den Mittelgang der Sänger Shahid Khan schritt und einen regelrechten östlichen Vokalkontrapunkt beisteuerte. Sein Singen war wesentlich ganzkörperlich: gestisch und mimisch. Weitere Begegnungspunkte stellten das „Pater noster“ oder das „Salve Regina“ dar, beide vom Orlando-​Bariton Donald Greig komponiert. Reizvoll die ritornellgleichen Zwischenspiele von Jonathan Mayer (Sitar) und Kuljit Bhamra an seinen Perkussions-​Instrumenten. Mit welchem Feingefühl die Künstler spielten, zart, fast streichelnd, die Sitarklänge sogar computergesteuert versetzt oder akkordlich gehalten. Hochinteressante Melismatik bzw. Melodie-​Modi oder die orgelpunktartigen Ligaturen, über denen der Gesang sein Eigenes entfalten konnte, oder gar reizvolle Modulationen, eben auch rhythmisch (Sechstolen u. a.).
Das Orlando Consort sang sehr homogen. Selten war der Counter zu laut und damit spröde. Das sorgfältige Aufeinanderhören erbrachte schöne Übergänge zu und mit den Instrumenten oder dem Gesang des indischen Kollegen. Jonathan Mayer spielte im Schneidersitz seine zuweilen sphärische Sitar, Kuljit Bhamra nützte die differenzierte Spielweise mit Handballen und Fingern und entlockte so seinen Instrumenten vielfältige Klangvarianten, immer mit dem Gespür für angemessene Dynamik. Alle drei Künstler aus dem indischen Einflussgebiet von Hinduismus, Islam und indischen Christentum (Thomas-​Christen, Mission des hl. Franz Xaver und eine Jahrhunderte alte Tradition) waren zugleich bemerkenswerte Komponisten, deren Seelenverwandtschaft zu den Kompositionen von Donald Greig und Angus Smith ganz neue Hörerlebnisse bescherte. Smith war es auch, der eine so persönlich gehaltene Einführung in alle Facetten des Pro-​gramms geschrieben hatte, ohne die Wesentliches unentdeckt geblieben wäre. Schade nur, dass die Zwischenkommentare bis auf die Einleitung auf Englisch gesprochen wurden. Eine Simultanübersetzung wäre für die des Englischen nicht Mächtigen eine notwendige Hilfe gewesen. Das wiederholende Element des Mantra in seiner Ähnlichkeit zu geformten deutschen Betrachtungsgebeten belegte die Tiefe einer meditativen Fülle.
Schließlich kam noch das tänzerische Element ansteckend hinzu mit der Aufforderung des Mittuns. In Anlehnung an 2. Mose (Exodus) 15, 20 konnte man sagen: „Und Shahid tanzte vor dem Herrn.“ Bemerkenswert, wie der Sänger mit wirklich eidetischem Gedächtnis alles Gelernte sofort parat hat. Seine Freude und die der anderen steckte förmlich an. Und vor der Zugabe bemerkte er launig: „Das war die Probe“, und dann wiederholten alle das „Henna Night“ – eine gelungene Begegnung von Kulturen, Religionen und – Menschen!

14 Tage kostenlos und unverbindlich testen?
Das RZ-Probeabo - digital oder klassisch mit Trägerzustellung

3140 Aufrufe
564 Wörter
4654 Tage 14 Stunden Online

Beitrag teilen

Hinweis: Dieser Artikel wurde vor 4654 Tagen veröffentlicht.


QR-Code
remszeitung.de/2011/8/2/festival-europaeische-kirchenmusik-konzert-vom-orlando-consort-in-der-augustinuskirche-in-schwaebisch-gmuend/