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Werner Koczwaras fortgesetztes Rechtsmittel-​Kabarett

Am achten Tag schuf Gott den Rechtsanwalt — aber halten seine Versprechungen in der Bibel auch den Anforderungen des deutschen Reiserechts statt? Werner Koczwara nimmt Sinn und Sprache der Gesetzestexte genauso aufs Korn wie die Straßenverkehrsordnung oder das Jugendstrafrecht.

Mittwoch, 21. September 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 50 Sekunden Lesedauer

KABARETT (wil). Den Eintritt ins Cafe Spielplatz, wo Werner Koczwara seit Montag mit seinem neuen Soloprogramm auftritt, könnte man sich nur noch illegal erschleichen, was immerhin dem Thema angemessen wäre. Allerdings hat er die Sitzplätze streng nach Straffälligkeit vergeben, von den Paaren im Scheidungsverfahren ganz vorn über die Steuerhinterzieher und Gewaltverbrecher bis zu den Rauchern in der letzten Reihe.
Aber wann macht man sich strafbar? „Gesetze sind die Gebrauchsanleitung für den Rechtsstaat“ so Koczwara — „und deshalb für den Laien komplett unverständlich“, was wir von IKEA schon wissen. An Beispielen ließ er es nicht fehlen und § 164 BGB über den Willen eines Dritten war auch nach dem dritten Vorlesen immer noch unerforschlich. Doch viele Paragrafen sind nicht nur aufgeblasen formuliert oder schlicht unnötig („Besteht der Personalrat nur aus einer Person, so erübrigt sich die Trennung nach Geschlechtern“, § 14 Personalratsgesetz) sondern geradezu sinnlos, wie die EU-​Seilbahnverordnung für Mecklenburg-​Vorpommern. Immerhin umfasst die Sammlung des EU-​Rechts 150 000 Seiten und wiegt eine Tonne, was in etwa dem Gewicht eines ausgewachsenen Rindviehs entspricht.
Auch die ausufernde Gesetzesflut nahm Werner Koczwara aufs Korn und konstatierte, wenn sich die Gesetze über das Tragen des Kopftuchs in der Öffentlichkeit so weiter entwickeln, wird das Kopftuch 2035 ein eigenes Rechtsgebiet. In einer Parodie auf Winfried Kretschmann warnte er vor den Gefahren, die von Brauereien ausgehen und geißelte die Mixgetränke: Cola und Bier, da kann man doch nur kollabieren!
Den Schwerpunkt im ersten Teil des Programms legte Werner Koczwara auf das Reiserecht bzw. die eingeklagten Mängel und die oftmals unerklärlichen Gerichtsurteile. So wurde die Klage einer Geografielehrerin aktenkundig, die den zu schnellen Sonnenuntergang auf Mauritius als Reisemangel sah oder die Beschwerde eines Abenteuer-​Urlaubers, der das Fehlen jeglicher lebensbedrohlichen Situation während der gesamten Reise monierte. Die Klage wegen Einheimischen am Strand in Kenia schaffte es schon in die Spitze der unsinnigen Klagen. Nicht zu Unrecht forderte Koczwara dafür einen Punktekatalog, was dann den Entzug des Reisepasses, des Personalausweises und schließlich der Bahncard nach sich ziehen müsste.
„Das Ziel einer jeden Reise ist nicht die Erholung, sondern die nachträgliche Minderung des Reisepreises“, und dazu dienen in erster Linie Kakerlaken von der Größe einer Languste bis zu Berti Vogts, wie Koczwara aus seiner Top-​Ten Liste zitierte. Platz eins allerdings kommt der Bibel zu, werden doch hier Versprechen über das Paradies abgegeben, die eine ganze Schar Juristen beschäftigen könnten. Dass noch kein Verstorbener geklagt hat, liegt vielleicht daran, dass eine deutsche Leiche „ein herrenloser Persönlichkeitsrest“ ist. In Österreich hingegen gelten Leichen als „Sachen“ und Koczwara malte ausgiebig aus, was dies versicherungstechnisch und für den Transport an Konsequenzen nach sich zieht. Als running gag begleitete der im Fensterkreuz erhängte Österreicher durch den Abend.
Im zweiten Teil stellte Werner Koczwara zunächst den Ohnbeiner vor, den es im Juristendeutsch tatsächlich gibt und dröselte die Straßenverkehrsordnung auf, schmückte sich mit dem juristischen Handbuch, dem großen Schönfelder und ging schließlich auf die Jugendkriminalität, das Jugendstrafrecht und die Sinnlosigkeit so mancher richterlich angeordneten Erziehungsmaßnahme ein.
Die Leiche — „ein herrenloser
Persönlichkeitsrest“
Anhand eines Mathematikbuches aus der Lebenswelt in einem Berliner Problembezirk erzeugte er kaum enden wollende Lachsalven. „Mehmet ist zehn Jahre und vier Monate alt. Er raubt jeden dritten Tag einer alten Frau die Handtasche. Wie viele Handtaschen kann Mehmet noch rauben, bis er strafmündig wird?“
Und ernsthaft stellte sich die Frage, ob der mit zwei Betreuern für vier Wochen nach Argentinien geschickte Randalierer bei Rückfall mit vier Betreuern acht Wochen verreisen darf? Die mit verbundenen Augen, Schwert und Waage dargestellte Justitia bekommt hier doch eine ganz andere Aussagekraft. Mittels zweier Paragrafen belegte Koczwara, dass Richter weder Waffen noch Augenbinde tragen dürfen und so bleibt von der hehren Figur nur noch die Waage, was sie vom Marktweib kaum unterscheidbar macht. Und ähnlich geschachert kommen den Bürgern auch manche Gerichtsurteile vor. Gerechtigkeit ist nicht immer Recht, aber recht heiter geht es bei Werner Koczwara weiter. Auch im Cafe Spielplatz stehen noch Termine an.

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