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Theater: Lutz Hübners „Die Firma dankt“

Wie sieht unsere Arbeitswelt aus, wer sitzt an den verantwortlichen Schaltstellen? Welchen Wert haben Teamgeist und Erfahrung, Kreativität und Jugendlichkeit? All diesen Fragen ging das LTT durch Schaum und Discolicht, hinter Papierbahnen und mit Videoeinspielungen nach.

Freitag, 16. November 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 20 Sekunden Lesedauer


THEATER (wil). Wie immer, wenn keine „klassische Schüleraufführung“ ansteht, war der Parlersaal am Mittwoch Abend nur spärlich besetzt, dabei hätten gerade aus diesem Stück unsere angehenden Chefvolkswirte, Unternehmensberater und Consulting Assistants, die heute noch die Schulbank beschmieren, viel lernen können.
Abgesehen von zehn gähnend langweiligen Minuten am Anfang, in denen sich die Hauptfigur ratlos zeigt über das, was sie erwartet, und dann schließlich von Schaum bedeckt wird, zeigte die Tübinger Truppe eine äußerst spritzige und symbolgespickte Aufführung über die Arbeitswelt von heute und morgen. Adam Krusenstern (Udo Rau), Leiter der Entwicklungsabteilung, ist zu einem Wochenendaufenthalt ins Gästehaus der Firma „eingeladen“ worden. Völlig verunsichert über Grund und Ausgang dieses Aufenthalts versucht er fast neurotisch, korrekt bis zum Krawattenknoten zu sein, nichts falsch zu machen und keinen Anlass zur Kritik zu geben.
Die Vorgesetzten dagegen sind eine bunte Truppe: Pascal (Raúl Semmler), der Assistent des Personalchefs könnte aus dem Starlight Express gefallen sein, Ella (Marion Bordat), die Personaltrainerin, hat sich in ein buntes Ballettröckchen gezwängt und Personalchef John (Kai Meyer) brilliert in seinem Glitzerjackett und Strumpfhose, allerdings mit deutlich aufgepolstertem Gemächtschutz. Schrilles Outfit, unversiegbare Potenz als Ausdruck des Machtwillens und kreative Leichtigkeit in allen Lebenslagen, sind das die Führungskompetenzen von morgen? Während der Schaum den armen, ratlosen Krusenstern auf der leeren Bühne bedeckt, ja verschüttet, kommen die drei aus dem Hintergrund, leiden viel weniger unter dem aufgeschäumten Hindernis als der Anzug des Abteilungsleiters und stehen, wenn die Blase geplatzt ist, wieder frisch und unversehrt auf der Bühne. Und Krusenstern wird vorgeführt, im Unklaren gelassen und schließlich ihm jedes Wort, jeder Vorschlag ins Gegenteil verdreht. Doch er kämpft noch einmal an gegen die Windmühlenflügel des New Business, beruft ein Meeting ein nach alten Regeln und zeigt allen, dass er sein Handwerk versteht. Doch wird dieses Handwerk noch gebraucht? Da ist Naomi (Nadia Migdal), die wie ein verwöhntes Kind im Spielzeugladen auftritt, auf der Schaukel ihre Banane isst und dann den Affen spielt. Sie scheint die neue Praktikantin werden zu wollen, von Krusenstern abgewiesen, von den anderen hofiert. Bis sich herausstellt: sie ist die neue Hoffnung und Chefin der Firma, allein das Gerücht, dass sie mit der Firma verhandle, hat den Börsenkurs in schwindelnde Höhen getrieben. Man erinnert sich an die Blase der New Economy zu Beginn des Jahrhunderts. Je verrückter desto besser, scheint manchmal das Motto im Management zu sein, denn der Produktionsprozess hat sich verselbstständigt, er läuft und würde laufen, selbst wenn das gesamte Management aus Pinguinen bestünde, wie der Autor Lutz Hübner verkünden lässt. Und vielleicht wäre das manchmal auch besser.
Wo kann sich der Manager von heute noch beweisen in der globalisierten Welt? Mit noch größeren Zusammenschlüssen, so wie Daimler-​Chrysler? Man kennt den Ausgang. Das LTT hat mit den Papierbahnen, die plötzlich die Bühne füllten, auf die Stabilität dieser Konzepte hingewiesen, mit den Videoeinspielungen die Menschen aus dem direkten Blickfeld genommen. Handelnde Schatten sagen mehr als viele Worte. In einem kleinen Exkurs auf die heutige Arbeitswelt und das Kündigungsrecht, das von allen Beteiligten einvernehmlich ausgehebelt wird, endet das Stück harmonisch: Krusenstern ist so altmodisch, dass er schon wieder ins Konzept passt und neu eingestellt wird. Aber eine neue Einstellung ist wohl für viele notwendig.

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