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Jannik Beckers Soloprogramm für Marimba

Nun also gab Jannik Becker, gerade das Abitur hinter sich, in der evangelischen Michaelskirche Spraitbach ein Soloprogramm am Marimbaphon. Das große Instrument mit über fünf Oktaven Umfang, vor dem Altarraumbogen aufgestellt, heischte allein optisch Respekt. Und als der sensible Künstler sein Programm begann, herrschte absolute Stille. Selten hat man ein Publikum so fasziniert lauschen erlebt, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören.

Mittwoch, 21. November 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 30 Sekunden Lesedauer

KONZERT (-ry). Die Tatsache, dass er als Kind partout ins Konzert in die Augustinuskirche mitwollte, ist nichts besonderes, es sei denn, der Knabe ist erst zwei (!) Jahre alt. Verwundert es da, dass daraus die große Liebe zur Musik wurde, eine echte professio. Als der Rezensent damals bemerkte, dass der damals schon Emanzipierte sanft und selig in den Armen der Eltern eingeschlafen war, stellte er die Frage, ob man das Kindern antun müsse. Wie sich jetzt herausstellte, ja! Denn nach einem Sprung von über 16 Jahren gab es ein Wiedersehen und –hören beim Konzert der Philharmonie am 21. April dieses Jahres, in dem der quirlige Jannik Becker sich als ausgezeichneter Paukenvirtuose erwies. Das Marimbaphon, das dem Xylophon verwandte Instrument mit Resonatoren-​Röhren unter den Klanghölzern, hat einen voluminösen Klang mit dunklem Ton und tragend; deshalb ist auch die emotionale Ausstrahlung so anrührend, gleich, ob es sich um kräftige Schläge oder fein murmelnde Tupfer handelt. Mit vier Schlägeln (härteren oder weicheren Typs) gespielt, tut sich eine große Bandbreite an dynamischen Facetten auf: melodiös oder in gebrochenen Akkorden bzw. Arpeggien.
Vom ersten Ton an schlug Jannik Becker die Hörer in seinen Bann. Neben Originalkompositionen gab es auch Bearbeitetes. Statt eines gedruckten Programms moderierte er selbst die Hörfolge. Auf diese Weise gab es nichts Anonymes, ganz persönlich wurde die Brücke von den Fakten (Komponist, Werk, Titel …) hin zur Interpretation geschlagen. Die Werke sprachen für sich: Anna Ignatowicz: Toccata; Michael Burritt: Caritas; Johann Sebastian Bach: Chaconne d-​Moll; Emmanuel Séjourné: Katamiya; John Thrower: true colours; Eric Sammut: Libertango (endlich! Viele hatten auf zugleich dezente als auch packende Rhythmen gewartet) — und zum Abschluss: Pius Cheung: Etude in e minor, weit mehr als ein Exerzitium.
Originale oder Adaptionen für das eigenwillige Instrument: mit großer Wirkung, weil der junge Künstler spürbar dahinter stand. Feine Abstufungen der Dynamik, melodie– oder akkordzentriert, zart oder hart zupackend, die Entwicklungen folgerichtig ausgereizt, kein vordergründig bravouröses Virtuosentum, dessen Veräußerlichung kaum je berührt, dafür höchstens hätte bestaunt werden können. Hier aber das uneitle sich in den Dienst Stellen der großartigen Musik, das macht den wirklichen Künstler aus!
Bei Bach konnte man sich verwundert die Augen reiben: für Marimba? Dabei hatte bereits Johannes Brahms das Original (Violine solo) für die linke Hand allein bearbeitet. Dieses eins zu eins zu übertragen, war unmöglich. Umso mehr ist Jannik Becker für seine Version zu loben, die das Auf und Ab des Quasi-​Perpetuum-​mobile so genial differenziert bot. Da konnte man nur noch staunen! Ein Musikant durch und durch, der über eine Stunde höchst konzentriert agierte: eine geistige und körperliche Höchstleistung, mit viel Applaus bedacht, zuletzt stehend. Ganz unterschiedliche Gesten des Dankes durfte Jannik Becker erfahren. Der einzige Wermutstropfen: dass am Nachmittag die Heizung ausfiel, was nicht nur dem Virtuosen zu schaffen machte.
Die Kirchengemeinde ließ den Abend gemütlich ausklingen.
Jannik Becker hat als angehender Musikstudent ein Zeichen gesetzt. Solche Jugend lässt hoffen. Wie sagte doch der steinalte, fast blinde Johann Adam Reincken zu Johann Sebastian Bachs Improvisierkunst: „Ich dachte, diese Kunst sei ausgestorben, aber ich sehe, in Ihnen lebt sie noch!“ In dezenter Abwandlung darf Jannik das Kompliment auf sich beziehen. Den Namen wird man sich merken müssen. Beim Herbstkonzert der Philharmonie am 8. Dezember wird er wieder die Pauken klangmächtig trak​tieren​.es.

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