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Ob die Katze die Maus frisst? Daniel Prandl im Bassano

Bei Jazzkonzerten ist es ein bisschen wie im Bundestag oder in den Aufsichtsräten: Männer in der Überzahl. Das ist bei den Musikern so, aber auch beim Publikum. Ob es darüber schon eine Doktorarbeit gibt? Viel wichtiger für die „Jazz-​Mission“ und das Bassano war aber, dass es richtig gute Musik gab am Sonntagabend und dass der Laden voll war. „Fables und fiction“ waren angekündigt mit dem Jazzpianisten Daniel Prandl, der gerade mal 33 Jahre und einen Tag alt war.

Samstag, 24. November 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 7 Sekunden Lesedauer

JAZZ (brd). Musikalisch fabuliert haben mit ihm Wolfgang Fuhr an Saxophon und Klarinette, Axel Kühn am Bass und Kristof Körner am Schlagzeug.
Musiker dieses Genres verbringen einen Großteil ihrer kostbaren Zeit auf Autobahnen. Schwäbisch korrekte Essenzeiten sind ihnen ein Fremdwort und ihre Uhren gehen oftmals etwas anders. Es war faszinierend zu erleben, wie, wenn sie dann mal da sind, Stau und Stress von ihnen abfallen und wie sie im Laufe eines solchen Konzertes immer mehr mit ihrer Musik verschmelzen und sichtbar und hörbar die pure Freude am „Spielen“ aufkommt.
Prandl stellte Musik aus seiner neuen CD vor. Mit Titeln ist das so eine Sache. „So what“ oder „Blue in Green“ von Miles Davis etwa, das ließ nun wirklich alles offen. Prandl dagegen bietet literarische Assoziationen an, aus der griechischen Mythologie wie aus der Neuzeit, und es ist einfach schön, wenn man bei den „Tränen der Eos“ die Klarinette wirklich weinen hört, ein Weinen, das aber überstahlt wird vom Glanz der Tauperlen. Es war fast, als hätte Fuhr damit die trauernde Frau von Menashe Kadishman vom kalten Johannisplatz hereingeholt.
Ganz spannend war es bei der kleinen Fabel von Kafka. Ein Text, gerade mal 76 Worte umfassend, entwickelte sich als grandiose Aufgabe für das Saxophon. Der erfahrene und vielfach ausgezeichnete Wolfgang Fuhr probierte als Maus nun wirklich alles, um dem drohenden Tod zu entgehen! Vier Minuten und 13 Sekunden auf der CD und gefühlt noch viel, viel länger versuchte das Saxophon, mit Charme, Witz und Kunststücken, trillernd, wirbelnd, drohend und bettelnd dem Tod zu entgehen. Es hat alles probiert, das Schicksal zu bezirzen und zu wenden. Musikalisch hätte es die Maus auf jeden Fall mehr als geschafft und es wären ihr noch sieben Leben vergönnt gewesen! Genial dazu das permanent sich wiederholende ‚stoisch breite Abwärtsschreiten von Akkorden nur im Quartbereich. Ganz anders nach der Pause , das im Trio gespielte „Mignon“.
Lyrisch, zart, mit einer schlichten Dur-​Terz endend, wurde hier eine zauberhafte Geschichte eines kleinen Mädchens erzählt. Anschließend der absolute Gegensatz im „Hatter“, dem Hutmacher aus Alice im Wunderland. Dieser kleine verrückte Mann mit seinen vorstehenden Zähnen hatte es schon 1978 Chick Corea angetan und er taucht immer wieder auf, übrigens auch bei den „Simpsons“. Da ging es echt zur Sache: Zerrupft, zerhackt und voll schräg mit dissonanten Intervallen haben die Vier ihren Instrumenten und ihrem Können wirklich alles abverlangt. Prandl, Kuhn, Kühn und Kerner brauchen sich in der Musikszene unter keinem großen Hut verstecken. Nomen est omen. Die drei K’s passten exakt zu Prandls virtuosem Spiel.
Nach über zwei Stunden hatten sie viele packende und berührende Geschichten erzählt an diesem Abend. Einfach fabelhaft.

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