Direkt zum Inhalt springen

Nachrichten Kultur

Gipfelpunkt des hohen Mittelalters und der staufischen Glanzentfaltung: Hubert Herkommer über das Mainzer Hoffest von 1184

Es muss wirklich glanzvoll zugegangen sein, damals an Pfingsten in Mainz, als Kaiser Barbarossa zum Hoffest einlud — es gilt als Gipfelpunkt hochmittelalterlicher Prachtentfaltung im Heiligen Römischen Reich und Zenith der staufischen Macht.

Montag, 19. März 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

GESCHICHTE (rw). Die Staufersaga greift das Mainzer Pfingstfest von 1184 in einer Szene auf. Eines ist schon gewiss: So prächtig und pompös, wie die Wirklichkeit war, kann das Spiel gar nicht sein. Aber am farbigen Abglanz hat man bekanntlich das Leben, das vergangene zumal.
Was Wunder also, dass zu Hubert Herkommers Vortrag über jenen „Spiegel der politischen Kultur am Hofe Kaiser Friedrich Barbarossas“ die Zuhörer nur so strömten. Auch dies war erstaunlich: Im Vortragssaal der Volkshochschule fanden längst nicht alle Zuhörer Platz, flugs wich man ins größere Prediger-​Refektorium aus, und auch dort hatten sich einige mit Stehplätzen zu begnügen. Der Mediävist, der lange als Professor an der Zürcher Universität lehrte und seit einigen Jahren wieder in seiner Heimatstadt Schwäbisch Gmünd lebt, versprach die Wiederholung seines Vortrags.
Herkommer, ganz Kulturwissenschaftler, befasste sich vor allem mit den ästhetischen und anthropologischen Aspekten des Pfingstfestes — legitim zumal dort, wo die Quellenlage spärlich ist. Methodisch griff er auf quellengestützte Analogien zurück, „um die weißen Flächen in unserer Kenntnis des Mainzer Hoffestes zu verkleinern.“
Vor allem aber, weil man hier ins mittelalterliche Weltverständnis eintauchen kann, dem Ideen als real galten und das allegorisierte. Wo Ideen sich verkörpern, kann versucht werden, die Grenze zwischen Poesie und Realität zu verwischen, wenigstens für ein paar Stunden oder Tage. Die Mittel dazu besaß nur die winzige Schicht des Hochadels, und nur um diesen ging es in seinen Vortrag, wie Herkommer hervorhob.
Politische Geschäfte wurden seinerzeit in Mainz auch betrieben. Logistisch war die dreitägige Veranstaltung sowieso eine staunenswerte Leistung: Zwischen 40000 bis 70000 Menschen kamen auf der Maaraue zusammen, untergebracht in prächtigen Zelten und temporären Holzbauten. Das schwere Unwetter, das den Abbruch des Festes erzwang, galt manchem als eine Art Gottesgericht: Zuviel höfische Begierde, zuviel Aufwand im „Glanz des irdischen Elends“, schreibt der Benediktinermönch Otto von Blasien.
Keine andere Gattung der Weltliteratur kennt so überbordende Festbeschreibungen wie der höfische Roman. Den Kanon fächerte der Literaturwissenschaftler kurz auf: Heinrich von Veldeke, Hartmann von Aue, Gottfried von Straßburg, auch Wolfram von Eschenbach — sie alle überbieten sich mit Superlativen und Festpanegyrik. Heinrich von Veldeke kennt aber ein Fest, das die Unübertrefflichen noch überbot: die Schwertleite der Kaisersöhne, das Mainzer Hoffest. Der Dichter war Augenzeuge, mehr noch aber stellte er den Stauferkaiser in die genealogische Linie des antiken Aeneas — ein weiterer Beitrag zur Überhöhung des Imperators. Dazu gehörte auch der Ruf, der in Mainz aller Wahrscheinlichkeit nach beim Einzug Barbarossas auch erscholl: „Benedictus qui venit in nomine domini Hochgelobt sei der da kommt im Namen des Herrn.“ Das ist der Jubelruf beim Einzug Jesu in Jerusalem.
Barbarossa und Beatrix von Burgund, die Kaiserin, gingen wohl unter der Krone. Es fand eine so genannte Festkrönung statt, der Akt wiederholte die Erstkrönung und erneuerte sie damit. Sie trugen die Kaiserkronen, ihr Sohn Heinrich die Königskrone, und gingen in vollem Ornat unter einem Baldachin, dem beweglichen „Thronhimmel“.
Spekulativ, aber mit einleuchtenden Beispielen untermauert, waren Herkommers Anmerkungen zur Festtagsmiene von Barbarossa und Beatrix. In den Quellen findet sich dazu keine Zeile, aber das zwei Jahrzehnte ältere Zeugnis des Acerbus Morena über das Kaiserpaar helfe: Friedrichs Antlitz, heißt es bei dem italienischen Juristen, sei heiter gewesen, es schien immer lächeln zu wollen, wie auf dem Cappenberger Kopf, der den 40-​jährigen Kaiser darstellt. Andererseits belegt Acerbus fast alle Personen im Umkreis des Kaisers mit solchen Attributen, „hilaris“ und „iocundus“ sind auch die anderen Hochadligen. Im übrigen konnte Barbarossa auch anders. Da bekamen die Mailänder 1162 zu spüren — denen trat er trotz ihres Wehklagens mit versteinerter Miene entgegen.
Das Fest besaß eine sakrale Mitte, wäre ohne sie nicht einmal vorstellbar gewesen. Dass es an Pfingsten stattfand, war kein Zufall. Die mittelalterliche Theologie sah im Heiligen Geist die göttliche Kraft, welche die Gläubigen zur Gemeinschaft, Einheit und Liebe inspiriert und der Heilsgeschichte den Weg weist. Mit pfingstlicher Bedeutung aufgeladen auch die Rittererhebungs-​Zeremonie der beiden Söhne. Herkommer: „Ohne Liturgie wären die mittelalterlichen Feste ihres kultischen Gehaltes beraubt gewesen.“
Eine frohmachende Utopie, an die eher Künstler als Fürsten glaubten
Auch der weltlichen Seite des Festes wandte sich Hubert Herkommer zu, vom Trick-​Track-​Spiel (eine Art mittelalterliches Backgammon) bis zum Turnier. Dann ging’s, unvermeidlich für den Literaturwissenschaftler, zum „singen unde sagen“ der Minnesänger. Auf der Mainzer Maaraue gab es noch eine besondere Attraktion: den Auftritt der damals in Deutschland unbekannten Gauklerinnen und Spielfrauen, der „joculatrices“ — eine Art höfische Bohème mit erotischem Einschlag, über die ein etablierter Minnesänger die Nase gerümpft hätte. Er hätte allenfalls, wenn es den Ausdruck schon gegeben hätte, von „alternativer Theaterszene“ gesprochen. Eine weitere Besonderheit von Mainz war es, dass es zum Kulturaustausch zwischen Sängern deutscher und französischer Sprache kam.
Für die Gegenwart wollte Hubert Herkommer die Erkenntnis herüberretten, „dass es zwischen Politik und Kultur keinen Widerspruch zu geben braucht, wenn in beiden Bereichen die Normen der Klugheit (die mittelhochdeutsche „bescheidenheit“), die gelassene Weltzugewandtheit („hoher muot“) und die „Courtoisie“ befolgt werden — „eine frohmachende Utopie, an die schon damals eher die Künstler als die Fürsten glaubten.“
Aber es bedeutet ja schon viel fürs Leben, wenn der schöne Schein überzeugend dargestellt wird.

14 Tage kostenlos und unverbindlich testen?
Das RZ-Probeabo - digital oder klassisch mit Trägerzustellung

2847 Aufrufe
858 Wörter
4442 Tage 7 Stunden Online

Beitrag teilen

Hinweis: Dieser Artikel wurde vor 4442 Tagen veröffentlicht.


QR-Code
remszeitung.de/2012/3/19/gipfelpunkt-des-hohen-mittelalters-und-der-staufischen-glanzentfaltung-hubert-herkommer-ueber-das-mainzer-hoffest-von-1184/