Direkt zum Inhalt springen

Nachrichten Ostalb

20 Jahre Heubacher Hospiz– und Sitzwachengruppe

Mit dem Wunsch „Achtsamkeit für das persönliche Leben“ endete die Referentin des Abends, Annegret Thierhoff vom Hospiz Stuttgart, ihren Vortrag „Sterben und Tod – gehört zum Leben“, denn die Auseinandersetzung mit Sterben und Tod sei gleichzeitig eine Auseinandersetzung mit dem Leben.

Montag, 26. März 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

Von Karin Abele
HEUBACH. Thierhoff arbeitete schwerpunktmäßig in der Beratung ambulanter Hospizgruppen und übernahm die Qualifizierung der Mitarbeitenden in der Sterbebegleitung. Musikalisch eröffnet und umrahmt wurde der Festabend „20 Jahre Hospiz– und Sitzwachengruppe“ im voll besetzten Saal des kath. Gemeindehauses von Adina und Cora Brenner vierhändig am Klavier unter der Leitung von Isolde Schneider.
Die Leiterin der ökumenischen Hospiz– und Sitzwachengruppe, Sabine Linke, gab einen Rückblick über 20 Jahre Hospizarbeit in Heubach. Wenn Menschen älter werden, erkranken, den letzten Lebensabschnitt antreten kann es hilfreich sein, Entlastung durch andere Personen zu erhalten. Eva Feuerle-​Damstra gelernte Krankenschwester, Ingrid Ulrich und Ilse Barth verfolgten diesen Gedanken und gründeten 1991 den Arbeitskreis: Sitzwachengruppe.
Bereits beim ersten Treffen war klar, dass dies ein ökumenisches Anliegen ist: würdiges Sterben zu Hause, keiner soll auf dem letzten Weg allein sein. Zehn interessierte Frauen fanden sich nach einem Aufruf in der örtlichen Presse, wovon heute noch einige in der Gruppe mitarbeiten. Schon bald entstand der heutige Name: Hospiz– und Sitzwachengruppe.
Nach 20 Jahren können die ehrenamtlichen Begleiterinnen auf zahlreiche, hilfreiche Begleitungen zurückblicken. Heute sind es 13 Frauen, die mitarbeiten. Wie vor 20 Jahren geht der Aufruf an Männer wie an Frauen, sich in diese wertvolle Aufgabe einzubringen und daran zu reifen.
Pfarrer Adam sprach im Namen der evangelischen und katholischen Kirche ein herzliches „Vergelt’s Gott“ aus für die Arbeit der Begleiterinnen. An der Schwelle des Lebens, an der sich gestern, heute und morgen verdichteten zur Frage „Was bleibt?“ stellten sie sich anderen zur Verfügung. Wo es für den Sterbenden und Angehörigen zu viel werden könne, trügen sie mit – als dritte Person mit Einfühlungsvermögen und gleichzeitig einer guten Distanz, so Pfarrer Adam. Den Frauen der Hospiz– und Sitzwachengruppe dankte er im Namen der Menschen, die sie bei ihrem Abschied aus diesem Leben begleitet haben und begleiten, im Namen der Angehörigen, denen sie zur Seite stehen, im Namen des christlichen Glaubens, der ihnen Grund und Ausrichtung ist, im Namen der beiden Kirchengemeinden in Heubach, zu denen sie sich zugehörig fühlen.
Bürgermeister Frederick Brütting dankte auch im Namen des Gemeinderats für die Arbeit und das Engagement. Er gestand, dass er noch recht wenig Erfahrung mit Tod und Sterben gemacht habe. Umso wichtiger war es für ihn, an diesem Abend dabei zu sein und die Arbeit der Frauen kennenzulernen, die Menschen auf dieser schweren Strecke zur Seite stehen, Geborgenheit schenken und als Lobby für diesen Personenkreis eintreten. Er hoffe, dass das Thema Sterben und Tod kein Tabu bleibe und offen diskutiert werde. Brütting wünschte viel Kraft bei der weiterhin wichtigen Arbeit.
Annegret Thierhoff zeigte die Anfänge der Hospizarbeit auf – und was sich in den vergangenen 20 Jahren aus den Ideen und Visionen der Hospizbewegung heraus in den Bereichen Gesundheitsversorgung und Altenhilfe hat umsetzen lassen. Sie ermunterte dazu, sich auf das Thema „Sterben und Tod gehört zum Leben“ persönlich einzulassen.
Es begann damit, dass von der Hospizbewegung erkannt wurde, dass in einem auf körperliche Heilung angelegten System die besonderen Bedürfnisse schwerstkranker und sterbender Menschen wie nach Ruhe und Zuwendung wenig Raum bekommen. Sterben und Tod wurden und werden auch heute teilweise noch tabuisiert und als Störfall angesehen, so die Referentin.
Die Zeiten, in denen Menschen in Krankenhäusern in gekachelte Waschräume „abgeschoben“ wurden, wie dies in den 70er– und 80er-​Jahren des vergangen Jahrhunderts üblich war, sind vorbei. Dies sei mit ein Verdienst der Hospizbewegung. Die Wurzeln reichten bis in die frühchristliche Zeit mit der Geschichte des barmherzigen Samariters.
Als eigentliche Wegbereiterinnen der Hospizbewegung und Palliative Care nannte sie die schweizerisch-​amerikanische Psychiaterin Elisabeth Kübler-​Ross und Dr. Cicely Saunders in England. Deren Kernbotschaft für ihre Arbeit war – und ist es für die Hospizarbeit noch heute: „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“
Ende der 70er-​, Anfang der 80er-​Jahre des 20. Jahrhunderts fasste die Hospizbewegung auch in Deutschland Fuß. Die Hospizbewegung hat sich „von unten entwickelt und ist ein großes Beispiel bürgerschaftlichen Engagements, vor allem in Baden-​Württemberg.“ Es gebe ein flächendeckendes Netz ambulanter Hospizdienste, die Erwachsene, Kinder und Jugendliche begleiteten: In Baden-​Württemberg rund 260 Hospizdienste und 29 Kinderhospizdienste, im Ostalbkreis gibt es eines in Ellwangen.
Seit dem 1. September 2010 ist der Umgang mit Patientenverfügungen in Deutschland verbindlich gesetzlich geregelt. Befragungen haben ergeben, dass 80 Prozent der Menschen gerne zu Hause sterben möchten. Als Ziel aller palliativer Kultur nannte Annegret Thierhoff, dass Menschen in ihrer vertrauten Umgebung leben und schließlich auch sterben dürfen. Die Referentin will Angehörige und Freunde schwerstkranker und sterbender Menschen ermutigen, sich diese Lebensbegleitung in einer für sie außerordentlich schwierigen Zeit zu gönnen, nicht erst wenn sie ganz erschöpft seien.
Viele Angehörige berichteten später, dass sie durch die Entlastung dem Sterbenden wieder viel näher kommen konnten, so die ehemalige Leiterin des Referats Hospiz des Diakonischen Werkes in Stuttgart. Nach der Vorstellung und dem persönlichen Dank bei den Begleiterinnen — Mitarbeiterinnen der ökumenischen Hospiz– und Sitzwachengruppe Heubach und dem ökumenischen Schlusssegen war noch bei einem leckeren Stehimbiss Gelegenheit für persönliche Gespräche, die rege wahrgenommen wurde.

14 Tage kostenlos und unverbindlich testen?
Das RZ-Probeabo - digital oder klassisch mit Trägerzustellung

4282 Aufrufe
861 Wörter
4422 Tage 13 Stunden Online

Beitrag teilen

Hinweis: Dieser Artikel wurde vor 4422 Tagen veröffentlicht.


QR-Code
remszeitung.de/2012/3/26/20-jahre-heubacher-hospiz--und-sitzwachengruppe/