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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Stolpersteine erinnern an Gmünder Bürger, die während der Nazi-​Diktatur ermordet wurden

Stadtjubiläum ist nach den Worten von Oberbürgermeister Richard Arnold „mehr als Staufer“. Er kündigte gestern zusammen mit dem Arbeitskreis Stolpersteine an, in diesem Jahr eine umfassende Erinnerungskultur in Gang zu bringen und zu pflegen. Dazu gehören auch sehr dunkle Kapitel der jüngsten Stadtgeschichte.

Freitag, 30. März 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
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SCHWÄBISCH GMÜND (hs). Zielsetzung der Erinnerungskultur, so wurde beim gestrigen Pressegespräch im Rathaus zum Ausdruck gebracht, sei auch eine Bewusstseinbildung, um gesellschaftliche und politische Entwicklungen eventuell frühzeitig zu erkennen, damit Rassismus und Terror nie wieder Platz in dieser Stadt finden werden.
Das jüdische Leben in Gmünd prägte einst Kultur, Industrie, Handwerk und Einzelhandel. Beispielsweise wurde das größte und beliebteste Kaufhaus in Gmünd bis weit in die 30er-​Jahre hinein von einer jüdischen Familie betrieben. Alle waren sie sehr fleißige, redliche und gebildete Bürger dieser Stadt, die auch ihren Immobilienbesitz verantwortungsvoll pflegten. Und alle wurden sie von den Nazischergen, mithin auch von eigenen Mitbürgern, ausgegrenzt, enteignet und schließlich in Arbeits– und Todeslager deportiert – und ermordet. Die letzten Gmünder Juden wurden 1942 vor die Stadt in die unwürdige Unterkunft des „Lülligdorfs“ gejagt, ehe sie von dort „abgeholt“ wurden.
Der Arbeitskreis Stolpersteine (Rudolf Berkenhoff, Wolfgang Gundlach, Tilman John und Inge Eberle) hat sich zusammen mit Bürgermeister Dr. Joachim Bläse zur Aufgabe gestellt, den Opfern der Naziherrschaft ein bleibendes und mahnendes Gedenken zu schaffen. Grundlage ist hierbei die Idee des Bildhauers Gunter Demnig. Bislang sind 283 Städte an diesem Netzwerk der Erinnerungskultur beteiligt. Vor den einstigen Häusern, Geschäften und Synagogen der jüdischen Mitbürger werden metallene Stolpersteine mit den Namen der ehemaligen Bewohner in Gehwege und Straßen eingebaut. Gedanklich sollen die Passanten darüber stolpern, um sich die Schicksale dieser Menschen zu vergegenwärtigen.
Es sei nun erklärter Wille, so betonten gestern OB Arnold und Bürgermeister Bläse, das Projekt der Stolpersteine bewusst jetzt im Jubiläumsjahr der Stadt zu vervollständigen. Der Arbeitskreis will neben den bereits vorhandenen zwei Standorten die Namen und Schicksale von 25 weiteren Menschen auf Straßen und Plätzen der Stadt verewigen. Am Freitag, 13. April, wird um 14 Uhr vor dem Gebäude Marktplatz 29 anlässlich der nächsten Verlegeaktion eine Gedenkfeier stattfinden. Es folgen Ledergasse 12 und Uferstraße 48. Sofie Heimann, Leopold Kahn, Selma Kahn, Abraham Kahn, Hermann Heimann und Fanny Heimann lebten dort. Inge Eberle ist es gelungen, in den USA Nachfahren ausfindig zu machen. Es sei sehr sensibel und emotional, den Nachkommen mit der Einladung und der Frage zu begegnen, ob sie zur Gedenkfeier nach Gmünd kommen möchten. Einige wollen mit Deutschland nichts mehr zu tun haben, andere wiederum beschäftigen sich nun interessiert mit dieser Art der Vergangenheitsbewältigung. Bürgermeister Dr. Joachim Bläse beschreibt auch tiefgreifende Gespräche, die er mit den heutigen Gebäudebesitzern führen müsse und auch wolle. Das sei oft nicht ganz einfach, doch lohnenswert. Es gehe nicht darum, den an den damaligen Ereignissen Unbeteiligten ein schlechtes Gewissen zu bereiten, sondern um Erinnerungskultur und Geschichtsbewusstsein – um für die Zukunft zu lernen.

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