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Jede Zeit hat ihr Stauferbild — eine Ausstellung

Es war schon eine illustre Gesellschaft, die sich da unter dem altehrwürdigen Dachgebälk der Stadtbücherei versammelt hatte, von den Oberbürgermeistern Richard Arnold bis Guido Till als Göppinger Nachbar, von der Historienschreiberin Lisa Elser bis Reiner Wieland, der als Schriftgutarchivar viel zu dieser Ausstellung beigetragen hatte.

Donnerstag, 08. März 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 55 Sekunden Lesedauer

AUSSTELLUNG (brd). Zahlreiche Jubiläumsengagierte und interessierte Gäste waren der Einladung zur „Stauferzeit wie sie im Buche steht“ gefolgt.
Mit rund 200 ausgestellten Büchern, davon über 130 hauseigenen, wird die Vielfalt der in der Bibliothek vorhandenen Schätze demonstriert. Bis zum 5. April kann sich davon jeder überzeugen und sich damit auch auf die neun Szenen der Staufersaga vorbereiten. Nur auf die mittelalterlichen Spielmannleute von der städtischen Musikschule mit ihrer Musik unter Andreas Kümmerle muss dann leider verzichtet werden.
Jeder kennt sie, die Redensart, wenn sich etwas verhält, „wie es im Buche steht“. Typisch eben. Doch da ist Vorsicht geboten, wie Prof. Dr. Hubert Herkommer in seinem inhaltlich wie rhetorisch glänzenden Einführungsvortrag „Spiegelungen – 200 Jahre Beschäftigung mit den Staufern“ zu bedenken gab.
Dabei spannte er seine literarisch, historischen Bögen von Nietzsches Unzeitgemäßen Betrachtungen über Schiller bis zu Goethes Faust. Wenn man das Vergessen im Gegensatz zum Tier nicht lernen kann und so immerfort an die Vergangenheit gekettet ist (Nietzsche), so muss es einem umso mehr bewusst sein, dass jede Bewertung der Vergangenheit nur ein Spiegel der gegenwärtigen Befindlichkeiten sein kann. Er machte das deutlich an „unserem“ Gmünder und natürlich auch Göppinger Kaiser Friedrich II. Verschiedenste Epochen haben ihn völlig unterschiedlich bewertet. Selten wurde ein Herrscher so für die jeweilig gegenwärtigen Belange instrumentalisiert: Friedrich — ein Islamfreund, ein verkappter Protestant, ein erster Multikulti? Ein Friedrich, wie er vor bald 100 Jahren von Ernst Kantorowicz beschrieben bei Himmler oder Göring auf dem Nachtisch lag? Sogar Admiral Wilhelm Canaris und Graf von Stauffenberg sollen von den verklärten Bildern und ideologischen Verblendungen des damaligen Stefan George-​Kreises und seinem mythisch überhöhten Weltbild beeinflusst gewesen sein.
Doch zuerst hatte nach dem „finsteren Mittelalter“ die Romantik, vor allem Novalis, eine enthusiastische Mittelaltersicht verbreitet. Nach dem Ende des Heiligen Römischen Reichs 1806 und dem Wiener Kongress 1815 war nur noch ein Flickenteppich von 35 Einzelteilen übrig geblieben, Zeit, von großen Reichen und deutschen Kaisern zu träumen. Gleichzeitig begann andererseits der preußische Freiherr vom Stein mit der Gründung der Monumenta Germaniae Historica mit Quellenarbeit für größere Objektivität zu sorgen. Dieser Aufgabe widmen sich heute immer noch viele Historiker, so auch die Gesellschaft für staufische Geschichte in Göppingen.
Kritisch ging Herkommer in seinen Ausführungen auch auf die Vielzahl von Stauferausstellungen der vergangenen Jahrzehnte ein – alle bestens besucht, wenn man nur an die viel beachtete Ausstellung in Mannheim aus dem Jahre 2010 erinnert. Alles „geschichtlich unterfütterte Gegenwartsbewältigung zur Selbstvergewisserung einiger Bundesländer“ kommentierte dazu der Redner. Bis zum Kerngedanken war es nun nicht mehr weit, nämlich dass nicht nur jede Zeit ihr Stauferbild habe, sondern auch jede Gegend ihre Staufer. Staufer haben anscheinend Konjunktur.
Und weil wir uns als Ausstellungsbesucher, als Kataloge-​Leser dabei ungern von unseren Klischees, Mythen und Legenden trennen wollen, werden wir in dieser Richtung auch immer wieder gut bedient. Es sollte halt doch so ein bisschen so sein wie in den 46 Strophen von Karl Valentins „Ja so warn’s, die alten Rittersleut“. Auch auf die immer mehr sich ausbreitenden Mittelaltermärkte wurde in diesem Zusammenhang hingewiesen. Durch Vergleiche mit heutigen Vips gelang es dem Redner, seine Ausführungen äußerst kurzweilig zu gestalten. Wenn da eine Margret Thatcher oder eine Carla Bruni im Vergleich zu Eleonore von Aquitanien herangezogen wurden, dann hörte man einfach gern zu, besonders, wenn zusätzlich zu erfahren war, dass Barbarossa und Eleonore als eine der mächtigsten Frauen des Mittelalters im gleichen Altersgenossenverein — 1122 — gewesen wären .
Am Ende beendete Herkommer seine Ausführungen mit einem Zitat aus Goethes Faust, als dieser zu Wagner sagt, dass es immer der „eigene Geist“ sei, „in dem die Zeiten sich bespiegeln“. Mag dies als kleine Anspielung zu werten sein auf das Motto „Bauch und Herz“, unter dem Richard Arnold die kommenden Festlichkeiten angekündigt hatte? („Geschichte sinnlich erlebbar machen“)?
Sich begeistern lassen, genießen „wie es im Buche steht“, ist das eine. Darum wissen, dass es jedoch viele Bücher aus vielen Zeiten dazu gibt, ist das andere. Allen Ausstellungsmachern und dem Referenten gebührt Dank, diese zwei Seiten besser trennen zu können.

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