Die Heimat auf Leben und Tod
Wer so treuherzig in biederem Realismus zeichnet wie Axel Teichmann, der führt etwas im Schilde. Sein Handwerker lötet ein Werkstück mit den Umrissen Baden-Württembergs zusammen. Titel: „Die Verbindung“. In der Ausstellung zum 60. Geburtstag des Landes steckt viel Hintersinn.
Dienstag, 29. Mai 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
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Für das Museumsteam von Dr. Monika Boosen und Joachim Haller ist der tagelange Aufbau der Schau ein ziemliches Stück Arbeit, ihr Umfang sprengt das in Gmünd übliche Format. Erstmals seit 2007 werden die umgebauten Räume im zweiten Obergeschoss des Predigers, künftig für die Dauerausstellung reserviert, für eine Ausstellung verwendet – und man sollte sich wirklich nicht damit begnügen, nur die halbe Schau in der Erdgeschoss-Galerie des einstigen Kirchenschiffs zu besichtigen.
Etliche Künstlerinnen und Künstler greifen baden-württembergische Themen auf, und das durchaus mit einer ironischen Färbung: Friedemann Flöthers präpariertes „Steigendes Reh“ erhebt sich stolz empor wie der Hirsch im baden-württembergischen Landeswappen und empfängt den Besucher in seiner artfremden, gleichwohl heroischen Pose. Helmut Dietz arbeitet eine Kiste für Bodensee-Äpfel in einen Tischbrunnen um, Linda Eberle nimmt die provinzielle Weltläufigkeit auf die Schippe („Siz is wer a kam from“), Käthe Schönle kommentiert mit feinem Bleistift „Vier schwäbische Feststellungen“. Mit gekonntem Zeichenstrich betreibt Axel Teichmann „Landespflege“ und Peter Holl blickt aus dem Fenster des Stuttgarter Hegelhauses — wobei ein wundervoll aquarelliertes Linien-, Farb– und Formspiel entsteht. Die getuschten Porträts „Die Töchter“ von Katrin Ströbel entpuppen sich als biografische Erinnerungsbilder an Sophie Scholl und Gudrun Ensslin, die beide längst eingegangen sind in die bundesdeutsche politische Ikonografie.
Andere Arbeiten befragen die Themen Heimat und Fremde, Heimatverortung und kultureller Verwurzelung: Die vielfach prämierte Papierschnittkünstlerin Aslimay Altay Göney (geb. 1977 in Istanbul) mischt türkische und deutsche Elemente und bekundet in ihrem Papierschnitt: „Die Geschichte jedes Einzelnen ist die Geschichte Aller“; Mona Ardeleanu macht mit artifiziell verknoteten, hyperreal gemalten Trachten-Elementen („Trächtler“) zugleich deren Funktion zunichte; Xianwei Zhu (geb 1971 im chinesischen Quindago) setzt sich in seinem fast monochromen Stillleben „Verreist“ mit Bildchiffren mit dem Begriff des Unbehausten auseinander; in einer aus einem LED-Leuchtschlauch und Maschendraht gefertigten Lichtinstallation fragt die Künstlergruppe J.A.K. „Weißt du dass die Heimat dein Tod sein kann?“; die bekannte Strichübung des in einer Linie gezeichneten Hauses gerät bei Carolin Jörg zu einer gescheiterten Heimatverortung („Welcome home“); Aspekte des Unterwegs-Seins zwischen Vertrautem und Fremdem dokumentiert die Fotoserie „Outdoor-Mobil“ von Daniel Beerstecher; und Gabriela Oberkofler verfremdet traditionelle Holzschnitzereien.
Ebenso vertreten sind wichtige, in ihrer Thematik freie Einzelpositionen. Differenziert werden die Wechselwirkung zwischen Kunst und Natur beleuchtet — in Renate Liebels Fotoarbeiten „Kunstrasenwald“ und „Stuhlblumen“ ebenso wie in Thomas Straubs Holzobjekt „Rorschach Test“ oder Manuela Tirlers „Bannwaldstück“ aus Stahl und Eisendraht. Als konstruktiv-spielerische Versuchsanordnung aufgebaut erscheint die Arbeit „Wippe“ von Nelly Knatz. Für hör– und fühlbare Überraschungsmomente sorgt Tino Panses Messerattacke auf ein „Sofa“.
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