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Purpurpracht im Gmünder Kunstverein

Zu Rot kommt jeder auf seine eigenen Gedanken: Blut und Gewalt, aber auch Rosen und Liebe. Und die Macht und die Herrlichkeit. Keine andere Farbe lässt so aufmerken. Als Purpur war sie die Herrschaftsfarbe schlechthin.

Freitag, 15. Juni 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
1 Minute 51 Sekunden Lesedauer

AUSSTELLUNG (rw). Die dritte und letzte Ausstellung der Kunstvereins-​Reihe zu Stadtjubiläum und Stauferseligkeit ist zugleich die prächtigste, die farbenfreudigste, die anspielungsreichste. Nicht ohne Absicht: Wer will, kann in „Herrschaftsfarbe Purpur“ auf Gedanken kommen, die jenseits der fröhlichen Harmlosigkeit liegen. Aber natürlich bilden die ausgestellten Objekte und Bilder von 36 Kunstschaffenden auch einen zierenden (Purpur-)Saum an den Gipfelpunkten der Feierlichkeiten. Womit schon wieder ein sprachliches Bild erschaffen wäre. Morgenröte oder Abenddämmerung, das bleibt der Einschätzung des Betrachters überlassen. Waren „Raum beherrschen“ und „Sprache beherrschen“ eher eng gefasst, lässt hier die Beschränkung auf die eine Farbe doch die thematische Vielfalt blühen. Für die aktiven Kunstvereins-​Mitglieder zudem eine willkommene Gelegenheit, neben dem Jahres-​Querschnitt ihre Werke in der Galerie und vor dem heimischen Publikum zu präsentieren.
Es ist nicht so klar, was mit Purpur gemeint ist: Violett oder Rot, es wechselt. Kunstvereins-​Vorsitzender Albrecht Vogel ging in seiner gestrigen Eröffnungsrede im Wesentlichen auf Historisches und Grundsätzliches zur Farbsymbolik ein, deren Bedeutung ohnehin aus dem Bewusstsein schwindet und zum Empfindungswert schrumpft.
Immerhin: Rot ist die wichtigste Farbe, sie steht für Blut und Leben, auch für die Liebe, aber auch für den Krieg – sie ist dem Kriegsgott Mars zugeordnet – , sie steht für Kraft und zuletzt auch noch für die Macht der Justiz in den roten Roben der Verfassungsrichter.
Das Mittelalter war grau und erdfarben. Bevor sie synthetisch hergestellt wurden, waren Farben teuer – am teuersten war Rot, und unter den Rottönen nahm Purpur, gewonnen aus dem Sekret von mediterranen Schnecken, eine Sonderstellung ein. Extrem kostbar, reserviert für Privilegierte. Aus dunklem Violett, wie es noch den Rand der Senatorentoga zierte, wurde violettes Rot, dessen Geheimnis der Herstellung mit Byzanz unterging. Das Christentum verschmolz das Bild von Kaiserbild und Christusbild. Rot stand für den Opfertod Christi und die Überwindung des Todes – und für die geistliche Weltherrschaft. Nicht zu vergessen die magisch-​mystische Kraft der Farbe: Stauferkaiser wie Heinrich VI. und Friedrich II ließen sich in Porphyr-​Sarkophagen beisetzen.
Spätere Zeiten, aber noch vor der Epoche der chemischen Industrie liegend, verwendeten die Schild– und die mexikanische Cochenille-​Laus zur Farbgewinnung. Krapp, gewonnen aus der Krappwurzel, machte Rot seit dem 16. Jahrhundert billiger. Seit die Inflation der Farben herrscht, verschwinden auch ihre Bedeutungen. Richtig wichtig ist Rot vielleicht noch in Nordkorea. Ansonsten stehen alle Autos auf der Welt vor roten Ampeln.
So betrachtet, ist diese Ausstellung über die Herrschaftsfarbe Purpur gleichzeitig ein Abgesang auf die Macht und die Pracht einer Farbe („Herrschaftsfarbe Purpur“, Gmünder Kunstverein im Kornhaus, bis 17. August).

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