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EKM: Gesualdo-​Consort lässt eine Epoche glänzen

Es war nicht zu hoch gegriffen, dass die EKM-​Verantwortlichen das Dienstagskonzert im Heilig-​Kreuz-​Münster mit dem Gesualdo Consort Amsterdam & Oltremontano als „Venezianisches Festkonzert“ bezeichneten.

Mittwoch, 18. Juli 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 3 Sekunden Lesedauer

KONZERT (-ry). Bereits im Künstlergespräch mit Programmdirektor Ewald Liska konnte man eine Ahnung davon bekommen, welche hochkarätigen Ensembles sich da zusammengetan hatten, um die Größe des Musizierens im Markusdom Venedig gegenwärtig werden zu lassen.
Der renommierte Bassist Harry van der Kamp (für Gesualdo) und Wim Becu als spiritus rector von Oltremontano erläuterten wortgewandt und aufschlussreich Probleme der Aufführungsbedingungen, der (nahezu) vibratolosen, dennoch kolorierten Gesangskunst mit den Folgen reiner Intonation; Bauart, Mensuren und Klangspezifika von Zinken und Posaunen des Barock sowie das strukturierte vokale und instrumentale Verschmelzen polyphoner Stimmführung.
Zu den Vokalisten und Bläsern gesellten sich noch zwei Barockviolinen (Swantje Hoffmann und An Van Laethem) sowie an den beiden vorzüglichen Kreisz-​Orgelpositiven mit unterschiedlicher Disposition Kris Verhelst und Ben van Nespen. Damit waren alle Notwenddigkeiten des bis zu 18-​stimmigem Musizieren erfüllt (die beiden Continuo-​Orgel-​Partes nicht einmal eingerechnet!).
Wer skeptisch gekommen war, Werke nur eines Komponisten zu hören, jenes berühmten Giovanni Gabrieli, wusste wohl nichts von der Klangpracht an San Marco. In 19 Beiträgen (pausenlos in fünf Blöcken) erlebte man eine umwerfend plastische Farbigkeit, die nicht nur den unterschiedlichen Besetzungen geschuldet war, sondern Ausdruck der Ideenvielfalt des 16. Jahrhunderts war. Rom war weit, und die päpstlichen Vorgaben damit auch. Der Doge war sich seines Anspruchs bewusst und pflegte ihn gebührend, indem er die bedeutendsten Musici in Venedig kreativ werden ließ – Glanz einer unverwechselbaren Epoche.
Nur zwei Mal dirigierte Wim Becu das Tutti der Mitwirkenden, ansonsten teilte er sich die Leitungsfunktion mit Harry van der Kamp.
Und was die „Symphoniæ Sacræ“ I (von 1597) und II (von 1615) an kunstvollster Entfaltung alles zu bieten hatten. Keine Sekunde Langeweile, Längen oder Konzentrationslücken. Hatte der Reigen mit der „Toccata primi toni“ für Orgel (Kris Verhelst) virtuos farbig begonnen, so folgte ein ständiger Wechsel von Vokkalbeiträgen (selten a cappella, meist mit Continuo oder anderen Instrumenten ausgeführt) und reinen Instrumentalstücken (Canzon, Sonata, Ricercar).
Kirchenbau– und publikumsbedingt konnte sich die Assoziation zu San Marco nur bedingt realisieren lassen. Das tat dem Klanggenuss nur wenig Abbruch. Das vorzügliche Ensemblebewusstsein aller Künstler zeitigte bestechende Hörerlebnisse. Nur im Schlusswerk „stach“ der Altuspart. Und die Körper„arbeit“ von Swantje Hoffmann (1. Geige) und Kris Verhelst (Orgelpositiv) war bei aller Begeisterung des Musizierens eher geeignet, nervös anzustecken. Ansonsten war alles vom Feinsten: Präzision, Klangpräsenz, Intonation, Phrasierung, das miteinander Atmen, lebendigst und voll innerer Spannung …
Je nach Hörplatz im Münster wurden die Geigen zuweilen klanglich zugedeckt. Umso mehr entzückten das wiederholte Echo und ein rauschhaft akustisches Strömen samt Nachklang in das Gotteshaus hinein.
Die Interessierten sollten sich nicht entgehen lassen, die Konzertaufzeichnung in SWR 2 am 28. Juli ab 19.05 Uhr noch einmal zu hören. Man darf gespannt sein, wie der Mehrkanaligkeits-​Abgleich einen ganz direkten Eindruck bewirkt und die Grenzen der Live-​Wahrnehmung kompensiert.
Begeisterter Beifall dankte für das unvergleichliche Erlebnis von Glanzlichtern einer Epoche, in der es keiner Grenzziehung weltlich-​geistlich bedurfte.

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