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Wie Berührungsängste zwischen Behinderten und Nicht-​Behinderten an der Schule abgebaut werden können

Vielen Menschen fällt es schwer, ungezwungen mit Behinderten umzugehen. Oft ist der Nicht– Behinderte im Umgang mit Menschen mit Behinderung der „Behinderte“. Dass eine Begegnung auch ganz unkompliziert sein kann, erlebten Schüler und Schülerinnen der Schäfersfeldschule Lorch.

Montag, 28. April 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 48 Sekunden Lesedauer


LORCH (chw). Für viele Menschen bedeutet Integration behinderter Menschen leider immer noch, dass man diese „mitmachen“ lässt. Noch viel zu wenig hat sich in unserem Bewusstsein eingeprägt, dass auch behinderte Menschen für die Allgemeinheit wertvolle Leistungen erbringen können und somit integrativer Bestandteil der Gesellschaft sind.
Dies zu erfahren, zu erleben, war Thema und Ausgangspunkt des Thementags der SE-​Gruppe (SE = soziales Engagement) der Klassenstufe 8 der Schäfersfeldschule Lorch. Dazu besuchte die Klasse 8 b und 8 c mit ihren Lehrerinnen Regine Kuntz-​Veit und Inga Meier die Remstalwerkstätten in Waldhausen.
In einer interessanten Einführungsrunde informierte Ursula Gössl-​Schurr, die Bereichsleiterin und Michael Pfisterer, einer der Heilpädagogen. Themen waren die Werkstätten, der Umgang mit Menschen mit Behinderung, die Einbindung in das große Gefüge der Diakonie Stetten und die verschiedenen Arbeits– und Lebensgruppen der Menschen mit Behinderung in der Gesamtstadt Lorch.
So erfuhren die Schülerinnen und Schüler, dass der Umgang mit geistig behinderten Menschen viel Geduld, Verständnis und Einfühlungsvermögen erfordert. Denn geistig behinderte Menschen möchten – ebenso wie wir alle – ernst genommen und freundlich behandelt werden. So sollte man nicht in Kindersprache mit ihnen reden, sondern in kurzen und klaren Sätzen. Ebenso sind klare Anweisungen und Bitten präzise zu formulieren und müssen oft mehrmals wiederholt werden.
Geistig behinderte Menschen verstehen oft viel mehr als allgemein angenommen wird. Höflichkeit und Freundlichkeit im Kontakt zu ihnen sollten daher ebenso selbstverständlich sein wie im allgemein menschlichen Umgang.
Menschen mit Behinderung sind anders, aber dieses Anders-​Sein ist o.k. Jeder und jede ist anders und das ist völlig in Ordnung. Und auf jede unterschiedliche Weise haben doch alle irgendwo eine „Be-​hinderung“, wenn man die Aussagen der WHO, Weltgesundheitsorganisation, ernst nimmt. Wer irgendein Hilfsmittel im Alltag benötigt – dazu gehören auch Brillen, Hörgeräte oder Gehhilfen – ist be-​hindert, sprich eingeschränkt.
Im Versuch, den Nebensitzer mit Joghurt zu füttern, wurde den Schülerinnen und Schülern deutlich, wie schwierig es ist, Hilfe zu geben und Hilfe anzunehmen, wenn die einfachsten Dinge des Alltags, zum Beispiel zu essen, nicht allein verrichtet werden können.
Die „Angst vor dem Anderssein“ konnte so ein wenig gemindert werden. Im praktischen Einsatz in den Werkstätten, der Hauswirtschaft, den Wohngruppen machten die Jugendlichen dann ihre eigenen und sehr persönlichen Erfahrungen.
Der Gedanke der „Inklusion“
ist an sich gar nicht neu, wird
aber gerade neu diskutiert
In der Auswertungsrunde wurde über diese Erfahrungen gesprochen und kurz reflektiert, was dann im Unterricht weiter ausgewertet und aufgegriffen wird. Die meisten waren erstaunt, wie schnell ein Kontakt zu den Menschen mit Behinderung hergestellt werden konnte. Man staunt über die Freundlichkeit, die Fragen und die Geschicklichkeit dieser Menschen in ihrem jeweiligen Einsatzgebiet. Einige Ängste und Befürchtungen blieben und gerade der Umgang mit den Menschen, die nicht in einen Arbeitsprozess aufgrund der Stärke ihrer Behinderung integriert werden können, wurde ehrlich geäußert und besprochen. In allen Äußerungen wurde deutlich: Ein Vormittag, eine Erfahrung die man nicht missen wollte.
Wichtig war auch, dass die Jugendlichen darüber informiert wurden, wie viele Möglichkeiten und Berufszweige es in diesem sozialen Tätigkeitsfeld gibt. Von der Verwaltung bis hin zur Betreuung eröffnet sich ein breites Spektrum von beruflichen Möglichkeiten. Nicht uninteressant für Jugendliche, die in zwei/​drei Jahren auf dem Arbeitsmarkt ihren Platz suchen und hoffentlich finden werden.
Eine Gesellschaft muss sich immer wieder neu überlegen, wie der Umgang mit behinderten und nicht behinderten Menschen gestaltet wird. Der Gedanke der Inklusion ist an sich nicht neu, wird aber gerade neu diskutiert. Er geht davon aus, dass unsere Gesellschaft aus behinderten und nicht behinderten Menschen besteht und jeder Mensch als Teil der Gesellschaft einen Beitrag zu dieser leistet. Die Möglichkeiten für einen solchen Beitrag sind sehr individuell und sollte zu einem respektvollen Umgang mit allen Menschen führen.
Wer sagt und definiert was „normal“ und „nicht normal“ ist? Dass man hier umdenken und immer neu lernen muss, das haben die Schüler und Schülerinnen der Schäfersfeldschule an diesem Vormittag begriffen.

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