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Erhabenheit ist das falsche Gefühl — Heiner Lucas in Heubach

Die Heubacher Stadthalle lebt und mitten drin die Heubacher Künstlerfamilie Lucas. Sie zeigt Objekte und Bilder von Carl Heinrich Lucas, Heiner Lucas und Konrad Lucas vereint.

Montag, 02. Juni 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 25 Sekunden Lesedauer

Von Brigitte Düppe
AUSSTELLUNG. Mit dieser Zusammenschau macht nicht nur die Stadt Heubach dem Jubilar Heiner Lucas zum 70. Geburtstag ein Geschenk, auch für die Einwohner, vor allem für die etwas Älteren unter ihnen, ist es etwas ganz Besonderes, noch nie ausgestellte Leihgaben ansässiger Familien betrachten zu können und dabei so mache vertraute Person wiederzufinden, so Bürgermeister Frederick Brütting bei seiner Begrüßung. Und mit den Arbeiten von Konrad Lucas entstand ein faszinierender Spannungsbogen über 100 Jahre Kunst.
Darauf ging der Laudator und Journalist Thomas Milz in seinen Betrachtungen besonders ein. „Tradition“ und „Kontinuität“ müssten kein harmonisches Verhältnis zueinander haben, da jeder Künstler in seiner Zeit auf die jeweiligen geschichtlichen Momente reagiere. Dennoch sei die Frage nach der Tradition das eigentlich Verbindende und gerade hier in der Zusammenführung der Arbeiten so drängend, wie in keinem anderen Museum der Welt. Beruhigende Antworten gebe es nicht, aber viele Anstöße zum Nachdenken. Carl Heinrich Lucas (1896 – 1952) trage das Schicksal der Kriegsheimkehrer aus dem Ersten Weltkrieg, die große Leere. Er sei nicht den radikalen Weg eines Max Beckmann oder Christian Schad gegangen. Wer genau hinsehe, spüre aber auch bei ihm Brüche und neue Malweisen. „Aus den Zeiten gefallen“ nannte es Milz, eine Verklärung dessen, was in dieser „Lost Generation“ schon untergegangen war. Durch seinen frühen Tod war ihm eine freiere Weiterentwicklung verwehrt geblieben.
Enkel Konrad mache mit seinen Kickboxenden Giacometti-​ähnlichen Figuren aus Bronze, und seinen Porzellan-​Supermännern („Serien“) Front gegen ein Männlichkeitsideal, das die Generationen unbeirrt überdauert. „Erhabenheit ist das falsche Gefühl“. Dem wilhelminischen Uniformenwahn und der „Hart-​wie –Kruppstahl-​Ideologie“ seines Großvaters nicht ausgesetzt, könne der Enkel im Zeitalter des Spielens mit seiner ironisierenden Kunst zeigen, dass sich das alte Mann(e)s-Bild hinter den antrainierten Muskelpaketen nicht nennenswert zurückgebildet hat.
Milz erinnerte bei der Kunst des Jubilars an den Wellensalat, den alte Radios beim früheren „Zappen“ durch die Sender produzierten. Heiner Lucas habe als Maler diese akustischen Schnipsel ins Visuelle übersetzt. Seine Kunst aus Farbsplittern, die keinen Platz auf der Leinwand ausließen, zerstückele unsere Realität „nicht trennscharf“. Denn: „Die Wahrnehmung der Welt ist anders als in Bruchstücken nicht zu haben.“ Und Kunstkenner Milz wies noch darauf hin, dass es für Lucas keine Vorbilder, keine vergleichbaren Kunstwerke gebe. Seine Sicht der Dinge sei einzigartig.
Sein langjähriger Freund Helmut Klotzbücher las anschließend eine Parodie auf Vernissagenreden von Helmut Bredl vor, die satirisch mit so ziemlich allen Klischees eines solchen Events jonglierte. Der „Heiner vom Murrtal“ bekam dabei einen aberwitzigen Lebenslauf à la Wein, Weib und Kunst angedichtet, ergänzt durch einen Ausritt zu den vermeintlich Großen der Politik, was ihn sicher köstlich amüsierte.
Satirisch hatte Klotzbücher auch drei sehr schön vorgetragene Lieder des Gesangvereins Leinroden von der Liebe auf dem Lande angekündigt. Gar nicht satirisch, sondern auf höchstem musikalischen Niveau bereicherte die mehrfach ausgezeichnete Preisträgerin Marlene Pschorr auf dem Horn die Vernissage. Bürgermeister Frederick Brütting und das Heubacher Kulturnetz unter Martin Pschorr und Gudrun Ammon können nun zurecht stolz sein auf die fünfwöchige Ausstellung, die mit vielen ehrenamtlichen Helfern zustande gekommen war. Die große Halle in einen Raum fürs Kunstwandeln zu „ver-​wandeln“, war keine leichte Aufgabe und wurde großartig gelöst. Ein reichhaltiges Begleitprogramm ergänzt die Bilderschau. Die Stadthalle lebt wieder.

Heiner Lucas: „Augenblicke – Aus dem Fluss der Zeit.“ Ausstellung in der Stadthalle Heubach. Öffnungszeiten: Mi – Fr: 14 – 16 Uhr, Sa, So, Feiertage: 14 – 17 Uhr. Dauer bis zum 6. Juli.

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