Albrecht Vogels doppelsinnige Bilder
„Gelassenheit stellt sich ein, mir ist das angenehm“, sagt Albrecht Vogel, „inwieweit sich das in Bildern niederschlägt, vermag ich nicht abzuschätzen.“ Der Gmünder Kunstverein widmet seinem früheren Vorsitzenden eine Ausstellung.
Mittwoch, 18. März 2015
Rems-Zeitung, Redaktion
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Differenzierung und Ordnung waren Albrecht Vogel als Kunstschaffendem und Lehrendem immer Kategorien, gerade weil er sich gerne dort aufhält, wo die Grenzen undeutlicher werden: „Was ich um mich und in mir sehe, ist meine Quelle. Das Gesehene teilen wir ein in Ordnungen, reguläre und irreguläre – es ist aufgeräumt oder unordentlich. Mich zieht der Zwischenbereich an, sowohl formal als auch inhaltlich, dort wo es ineinander übergeht. Das Gesehene birgt außer seiner Gestalt oft eine weitere Bedeutung, die sich beim Arbeiten herausschält. Zeichnen ist mir Erfassen des zu Sehenden, um dabei außer seiner Eigenart herauszufinden, was es mit mir zu tun hat, um letztlich herauszufinden, wer ich bin.“ Vogel kann dies auch schlichter formulieren: „Es ist viel erreicht, wenn man über ein Bild sagt: es hat was. Das heißt, es berührt einen. Wenn’s mich was angeht, dann merke ich das. Wenn es mich abstößt, ebenso. Es findet mich.“
In der Galerie des Gmünder Kunstvereins hat Albrecht Vogel vom 20. März bis zum 17. Mai eine Ausstellung, er zeigt Zeichnungen, Radierungen und – ganz neu – kleine Plastiken, vorwiegend aus Bronze. Nur zwei sind aus Holz, eine davon, schräg montiert auf eine kleine Trägerplatte und erhaben auf schmaler Stele, nennt sich „Christliche Seefahrt“. In dem Holzstück vermag man ein Boot zu erkennen, eine Nussschale von der Art, wie sie im Mittelmeer unterwegs sind. Die kleinen Zapfen, die sich auf der Oberseite drängen, dürften dann die Insassen sein – boat people, Flüchtlinge. Ein kleines Bronzebettchen ist mit Knöchelchen gefüllt, Albrecht Vogel gab der Plastik den Titel „Die Wiege der Menschheit“.
Das Spiel mit Bedeutungsebenen ist eine Domäne Vogels: „Alle Formen von Doppelsinnigkeit relativieren eine Aussage, sie öffnen eine zweite oder dritte.“ Die ironischen Brechungen setzen sich fort in seinem Zyklus „Gesellschaftsspiele“. Tischgesellschaften in weiter Runde sind zu sehen, darunter steht ein kommentierender Satz. Manchmal kommentiert schon der Titel: „Les fruits de la liberté“ heißt eine Radierung. Man kann versuchen, ihre Details zu entziffern und eine Erzählung zu rekonstruieren – der Künstler lässt sie offen, aber (Kunst-)Geschichtskenntnisse schaden gewiss nicht. Leichter tut man sich dann gewiss mit den kleinen Landschaften, in ihnen kann man die Augen auf Spaziergang schocken.
Albrecht Vogel wurde 1946 in Minden/Westfalen geboren, wuchs aber in Schorndorf auf, wo er 1966 Abitur machte. Von 1967 bis 1970 studierte er an der PH Schwäbisch Gmünd, bis 1975 folgten das Studium an der Akademie der Künste und Kunstgeschichts-Studium in Stuttgart. Nach einem Intermezzo als Lehrer kam er 1980 wieder an die Pädagogische Hochschule in Gmünd – dieses Mal selbst als Lehrender bis zum Sommersemester 2012. Die jüngst eingerichtete Jugendkunstschule hat der Kunst-Didaktiker mit konzipiert.
Im Mai 2014 kandidierte er in der Hauptversammlung des Kunstvereins einigermaßen überraschend nicht wieder. Er habe bis zur nach mehrjähriger Pause wieder eingeführten Kunstmesse im Prediger Vorsitzender bleiben wollen, sagt er, länger nicht. Die Vereinsmitglieder waren einigermaßen verblüfft – fassten sich aber schnell wieder und beschlossen bald, Albrecht Vogel eine Ausstellung zu geben. „Die Offenheit des Vereins hat mich gefreut, das fand ich sehr nett.“
Und jetzt also präsentiert ihn der Gmünder Kunstverein als „konzentrierten Zeichner, versierten Druckgrafiker und scharfen Beobachter.“
Albrecht Vogel: Zeichnungen, Radierungen, Plastiken. Ausstellung in der Galerie im Kornhaus. Eröffnung am Freitag, 20. März, um 19 Uhr. Begrüßung: Klaus Ripper, Vorsitzender des Gmünder Kunstvereins. Einführung: Martin Selge. Dauer bis zum 17. Mai.
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