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Andreas Schuler aus Weitmars misst den Schall nach dem Rauch

Um vorwiegend Kradfahrern ihren eigenen Lärmpegel vor Augen zu halten, suchte die Polizei Waiblingen Rat bei der gewerblichen Schule vor Ort, an der Andreas Schuler aus Weitmars gerade seinen „Techniker“ vorbereitet. Ein Lärmmessgerät zur Verkehrsprävention wurde von Schuler entwickelt. Von Giovanni Deriu

Freitag, 16. Oktober 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 45 Sekunden Lesedauer

WEITMARS. Musik wird oft nicht schön empfunden, da sie mit Geräusch verbunden – diesen abgedroschenen Spruch hat zwar jeder schon einmal gehört, doch den bei Motorradfahrern so beliebten Sound ihrer teils schweren Maschinen, mochten die Anwohner der schönen Weinbergortschaften zwischen Schnait und Weinstadt im Remstal nun wirklich nicht mehr hören – sie waren ihn schlichtweg leid. Bei der Polizei im Remstal jedenfalls häuf(t)en sich die Beschwerden über die „Motorradfahrer“, die ihre rasante Geschwindigkeit am Ortseingang zwar drosselten (bereits hier entsteht ein ohrenbetäubendes Geräusch), am Ortsausgang dann aber wieder so hochschalteten, um lärmend durchzustarten und zu beschleunigen. In der Tat, alles Schall und Rauch. Andreas Schuler (38), bei Bosch-​Verpackungsmaschinen beschäftigt, und in Waiblingen gerade an seiner „Techniker-​Ausbildung“ dran, bekam von seinem Leiter der „Fachschule für Technik“, Hans-​Jochen Layer, die Anfrage übermittelt – zuvor hatte sich ein befreundeter Polizei-​Kommissar an Manfred Kluge, dem Leiter der gewerblichen Schule, gewandt. Die Ordnungshüter suchten nach einer „nicht repressiven Lösung“ bei Lärmbelästigung im Straßenverkehr, erzählt Andreas Schuler rückblickend vom Januar dieses Jahres. Gute acht Monate später, so der 38-​jährige Familienvater und Industriemechaniker, wurde das in der Herstellung und Entwicklung „gut 6 500 Euro“ teure Lärmmessgerät der Öffentlichkeit im September vorgestellt. Davor hatte sich auch der Weitmarser Schuler nie mit diesem Thema beschäftigt – heute sieht, pardon, hört er vieles anders, fügt er lächelnd hinzu. Das mobile Lärmmessgerät wird nun „mal da, dann dort“ im Remstal aufgestellt. Ein elektronisches Display zeigt dann (wie bei den Geschwindigkeitsmessungen in manchen Ortschaften) ein lachendes Gesicht, ein neutrales oder „böses“ Gesicht an. Oft aber ein böses, wenn der Schall der „durchdrehenden“ Motorräder bei bis zu „12 000 Umdrehungen“ die Anwohner wieder hochfahren lässt.
Bei bis zu 85 Dezibel lacht immer noch ein Smiley vom Display
Natürlich so Schuler, werde der Lärm auch immer wieder anders wahrgenommen – je nach dem wo, und in welchem „Frequenzbereich“ er stattfinde. Die Bodenbeschaffenheit sei ausschlaggebend, genauso die Bebauung, ob beispielsweise „Häuserwände und Wohnblöcke“, Mauern also, den Schall „reflektieren“. In der Nacht werde der Schall nochmals anders wahrgenommen, weil alles „still“ sei in der Umgebung – tagsüber herrschen ja viele „Nebengeräusche“. Bis zum Schalldruckpegel von „85 Dezibel“ würde also ein Smiley angezeigt (breites Lächeln). Bis 93 dB wird der Mund gerade, ab 94 Dezibel, zeigt der Mund gen Schultern. Viel zu laut. Als Beispiel bemüht Schuler ganz „normale Bürogeräusche“ wie Gebläse, oder das „Einhacken“ in die Tastatur, ohne Sprachgeräusche im Hintergrund, was glauben „Sie“, so Schuler, in welchem Dezibel-​Bereich bewegen wir uns da? Wir lauschen andächtig, massieren die Ohren – „bei 20 dB vielleicht?“ Nein, es wären beinahe an die „45 Dezibel“ vorhanden. Jedes Fahrzeug würde draußen also gemessen, beim „normalen Auto“ passiere quasi „nix“ – doch die Motorräder schrauben besonders an „Wochenenden“ den Geräuschpegel in die Höhe. Strafgebühren und Gerichtsverfahren werden aber nicht folgen – die Messergebnisse dürfen nicht verwendet werden – sie dienen allein der „Veranschaulichung“ und sollten auch die Kradfahrer zum Nachdenken anregen. Andreas Schuler hat sich dieses praxisnahe „Projekt“ auch deshalb ausgesucht, weil an der gewerblichen Schule in Waiblingen hervorragende „Arbeitsmöglichkeiten“ vorherrschen, zudem sei das „Lärmmessgerät“ für ihn ein Novum als Thema gewesen, das er auch für seine „Technikerarbeit“ verwendet hat, die er im kommenden Jahr fein säuberlich recherchiert und dokumentiert der Fachjury vorführen möchte. Wie erwähnt, Schuler hört nun auch die Musik oder den Lärm ganz anders. Er sei zwar nicht „ideologisch“ unterwegs, wundere sich aber schon, wenn Jugendliche (wie im Zugabteil) mit dem „Stöpsel“ im Ohr, so laut Musik hören, dass alle Sitznachbarn (ungewollt) mithören. Das Empfinden für den „Schalldruck“ nähme ab, irgendwann sei das Ohr „einfach betäubt“ – es gewöhne sich an noch „höhere Lautstärke“. Der Schaden komme in Raten. Schulers Messgerät wäre in jeder Disco eine Spaßbremse. Das Displaygesicht würde wohl ständig den Mund verziehen.

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