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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

„Schutzschirm für die Opfer“ gefordert

Über 500 Beschäftigte zeigten gestern auf dem Johannisplatz, dass sie sich als Opfer der jüngsten Finanzkrise sehen und nicht gewillt sind, die Lasten zu tragen, während „die Verursacher wieder mit Traumrenditen hausieren gehen“.

Freitag, 15. Mai 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 19 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Dass reelle Nöte die Menschen umtreiben, versichert Peter Müller, zweiter Bevollmächtigter und Geschäftsführer der IG Metall in Gmünd. Seine Zuhörer finden das wenig überraschend. Der eine ist wie 35 Prozent aller Beschäftigten der Leiharbeiterbranche mittlerweile wieder arbeitslos, und weil er zuletzt so wenig verdient hat, weiß er nicht, wie er über die Runden kommen soll: „Ich kann einfach nicht mehr“. Die andere arbeitet seit fast 30 Jahren am Band. Sie selbst sorgt sich nicht. Aber es stehen Entlassungen an; nicht wenige Kollegen wird es treffen, und deshalb steht auch sie mit Spruchband und Trillerpfeife auf dem Johannisplatz. „Wenn jemand harte Einschnitte verdient, dann diejenigen, die das alles verursacht haben“ – nimmt sie vorweg, was später immer wieder gesagt wird und Mitarbeiter der benachbarten Bank mit schmalen Lippen in der Tür stehen lässt. Banker sein ist an diesem Tag, in dieser Gesellschaft, kein Zuckerschlecken: „Die kriegen Steuermilliarden, wir Hartz IV“, ruft Müller, und erzählt von verzweifelten Anrufern, die kein Girokonto eröffnen können und sich von den Zinsen für den Dispokredit vollends in den Ruin getrieben sehen. Sein Credo: „Ein Schutzschirm für Beschäftigte ist allemal besser als Aktionären Geld nachzuwerfen“. Entlassungen hingegen führten in eine Elendsspirale, die die Krise weiter verschärfe.
Mit einem Kleinkunst-​Schauspiel nimmt sich die IG Metall Jugend des Themas „Ausbildung und Übernahme“ an – die jungen Leute zeigen auf, dass keine Übernahme bzw. kein Arbeitsvertrag gleichzusetzen ist mit keiner Perspektive und keiner Zukunft. Roland Hamm, erster Bevollmächtigter der IG Metall Aalen und Gmünd, greift das Thema später auf, fragt, ober irgend jemand ernsthaft ein Interesse daran haben kann, dass verzweifelte und hoffnungslose Jugendliche anfangen, „Autos abzufackeln“. Er spricht sich zudem vehement für neue Qualifizierungsprojekte aus, um all die Fachkräfte auszubilden, die ganz sicher irgendwann wieder gebraucht würden. Qualifizierung sei allemal besser, als hoch motivierten Menschen alles zu nehmen.
Die eigentliche Ansprache hält Jörg Hofmann, IG Metall Bezirksleiter. Er ist zornig: Das Scheitern eines Systems, das Spekulation zum normalen Geschäftsmodell erklärt habe, dürfe nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden. Von „Schurkenstück“ spricht er, davon, dass diejenigen, die selbst mit Steuergeldern am Leben erhalten würden, der Sanierung ihrer Bilanzen und dem schnellen Ausweisen von Gewinnen mehr Bedeutung zuwiesen als dem Erhalt von Abertausenden von Arbeitsplätzen. Das Rückgrat des deutschen Wohlstandes werde geopfert, in die Banken aber aberwitzige Gelder gepumpt. Und: „Viele Unternehmen haben jahrelang exorbitante Gewinne eingefahren. Aber bei der ersten roten Zahl wollen sie Leute entlassen.“ Nicht zuletzt die IGM habe bislang Schlimmeres verhindert, auch mit Vorschlägen wie dem Konjunkturprogramm oder dem Investitionsprogramm für Bildung und Energieeffizienz. Das reiche aber nicht aus. Hofmann spricht sich für eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes und eine Besteuerung der „horrenden, in den Boom-​Jahren angesammelten Vermögen“ aus. Denn: „Einen armen Staat können sich nur die Reichen leisten“. Auf der anderen Seite fordert er eine temporäre Verlängerung des Arbeitslosengeldbezugs um weitere zwölf Monate, um diejenigen zu schützen, die jahrzehntelang gearbeitet und eingezahlt hätten. Auch die Verlängerung des Konjunktur– und des Transferkurzarbeitergeldes steht auf seiner Liste: „Wir haben Werkzeuge, in dieser Krise Entlassungen zu verhindern“. Auch mit Blick auf die Jugend und auf die älteren Kollegen nennt er weitere Wünsche und fordert unbedingte Solidarität.

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