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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

„Den Blick nach vorne richten“

„Weil wir Erinnerungskultur in der Stadt haben müssen“ – so begründete Oberbürgermeister Richard Arnold seine Freude über die Vorstellung eines Stadtführers zur Geschichte der Heimatvertriebenen in Schwäbisch Gmünd am Freitag im Rathaus.

Samstag, 23. Oktober 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 12 Sekunden Lesedauer

Richard Arnold begrüßte eine große Anzahl von Heimatvertriebenen zur Vorstellung der 24 Seiten starken Broschüre. Dies sei, so der OB, „eine wunderbare Dokumentation; ich unterstütze sie mit ganzem Herzen.“ Er erinnerte an die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als die unzerstörte Stadt Schwäbisch Gmünd viele Tausende Heimatvertriebene zugewiesen bekommen habe: „Die Bevölkerungszahl hat um ein Drittel zugelegt. Wir haben viele talentierte und fleißige Menschen hinzubekommen. Das hat der Stadt gut getan.“ Heute könne man Lehren aus dieser Zeit ziehen, da Gmünd wieder vor großen Herausforderungen stehe. Denn nun wisse man, das wirkliche Integration mehrere Generationen dauere.
Der frühere PH-​Professor Dr. Rudolf Wichard, der die Texte des „Spurensuche“ benannten Stadtführers geschrieben hat, betonte, dass er dazu als Nicht-​Vertriebener eigentlich gar nicht prädestiniert gewesen sei. Aber als Politikwissenschaftler habe ihn das Thema seit Jahrzehnten fasziniert. Deutschland und Osteuropa hätten eine gemeinsame Geschichte seit mehr als 800 Jahren.
Es gelte, die junge Generation dafür zu sensibilisieren. Zumal man mit den Vertriebenen Zeugen gelungener Integration präsentieren könne. Man solle die „Spurensuche“ den Stadtführern und Schulen an die Hand geben, damit diese sich auf den Weg zu den beschriebenen Orten machen könnten, zu denen unter anderem der Bahnhof, der Mendel-​Gedenkstein, das Parler-​Gymnasium, die Gedenkstele der Brünner Vertriebenen oder auch das Münster zählen.
„Wir wollen eine Kultur der Erinnerung und der Versöhnung fördern und müssen den Blick nach vorne richten“, erklärte der Initiator des Projekts, Dr. Kurt Scholze von der Arbeitsgemeinschaft Heimat und Kultur der Vertriebenen aus dem Osten. Scholze dankte Rudolf Wichard, den Fotografen Günther Biste und Johannes Schüle sowie den Stiftern, die die Herausgabe der Broschüre erst möglich gemacht hätten.
In der gemeinsamen Stadtgeschichte der „Eingeborenen“ und der „Rucksackdeutschen“ sei ein markanter Wendepunkt absehbar, da es nicht mehr lange Zeitzeugen aus der Epoche der Flucht und Vertreibung geben werde. Man erkenne das an den abnehmenden Besucherzahlen bei den „Tagen der Heimat“. Deshalb wolle die Arbeitsgemeinschaft verhindern, „dass Gras über die Dinge wächst“. Erinnern und Versöhnen sei nicht allein Aufgabe der älteren Generation und der Vertriebenen und Flüchtlinge. Da den Jüngeren und Einheimischen aber dieser Hintergrund fehle, solle die Broschüre Hilfestellung geben. „In Gablonz sind es gerade die Jungen, die die frühere deutsche Geschichte ausgraben“, betonte Marianne Döbbelin, die als Gmünderin intensiven Kontakt zu ihrer einstigen Heimatstadt hält. Auch Isolde Haun, ungarndeutscher Abstammung, aber in Weiler geboren, betonte die Notwendigkeit, die nachfolgenden Generationen in die Bewahrung dieser Geschichte einzubinden.
Und der Arbeitskreis plant für die Zukunft. Anfang Oktober 2011 soll es im Stadtgarten ein großes Bürgerfest geben. Geplant seien, so Arbeitskreis-​Mitglied Burkhard Fichtner, Aufführungen mit dem Stadtverband Musik und Gesang, aber auch eine hochkarätige Podiumsdiskussion über das Thema Vertreibung.
Bereits an diesem Wochenende haben die Vertriebenen aus Brünn ein großes Fest. Ihr Verband, die „Bruna“, begeht das 60-​jährige Bestehen. Natürlich in Gmünd, das nach dem Krieg die Patenschaft für die ehemaligen Brünner übernommen hat.
Am morgigen Sonntag ist um 10 Uhr Gottesdienst in St. Franziskus, um 11 Uhr gibt es einen Empfang der Stadt und um 14 Uhr beginnt im Prediger-​Innenhof die Festveranstaltung

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