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Als der Rentner Hermann Fink aus Wustenriet an der Börse seine Altersrücklage verlor, gründete er ein erfolgreiches Unternehmen

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen plädierte diese Woche dafür, den Erfahrungsschatz älterer Menschen besser zu nutzen. Dass er wirklich nicht zum „alten Eisen“ gehört und sein Know-​How in der Tat sehr gefragt ist, stellte Hermann Fink aus Wustenriet fest. Als Rentner baute er mit seiner Frau zusammen ein international erfolgreiches Unternehmen auf. Von Gerold Bauer

Freitag, 19. November 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
4 Minuten Lesedauer

GMÜND-​WUSTENRIET. Geplant hatte Hermann Fink sein Rentnerleben eigentlich anders. Nur noch geruhsam vor dem Fernseher zu sitzen war zwar nie sein Ziel — aber dass er ein weltweit tätiges Unternehmen gründen und managen würde, stand auch nicht auf der Agenda für die Zeit jenseits der 60. „Im Grunde kenne ich das Wort Ruhestand nicht — irgendwie muss ich immer neue Ideen entwickeln und umsetzen.“ Die Erfolgsgeschichte seiner „Seniorfirma“ begann allerdings mit einer sehr negativen Erfahrung. Alles, was er als Finanzpolster für die Zeit nach dem aktiven Berufleben gespart hatte, löste sich durch eine nicht vorhersehbare Entwicklung an der Börse innerhalb kürzester Zeit quasi in Luft auf.
„Unser Aktienvermögen war mit einem Mal überhaupt nichts mehr wert“, erzählt der inzwischen 70-​Jährige von dieser schweren Zeit. „Meine Familie und mein christlicher Glaube haben mir damals aber die Kraft gegeben, den Kopf nicht in den Sand zu stecken — es gibt offensichtlich auch schon im Diesseits so etwas wie eine Auferstehung“.
Natürlich hatte er weiterhin seine regelmäßige Rente, doch damit hätten er und seine Frau Beatrijs nicht jene Reisen unternehmen können, auf die sich die beiden schon so gefreut hatten. Die Wunder von Kultur und Natur in fernen Ländern mit eigenen Augen sehen — dass hatten sie sich vorgenommen.
Also setzte sich Hermann Fink an den Computer und bot Firmen, mit denen er als Angestellter der Gmünder Firma Ritz zu tun hatte, seine Dienste an. Denn was ihm die Aktienverluste nicht nehmen konnten, waren seine Fähigkeiten. Nachdem er in Stuttgart Maschinenbau studiert hatte, erwarb Hermann Fink im Rahmen eines einjährigen Aufbaustudiums in England auch noch die Qualifikation fürs „Business Management“.
Dieser doppelten Qualifikation folgten entsprechend anspruchsvolle Tätigkeiten im Berufsleben. Unter anderem war Hermann Fink in Schwäbisch Gmünd von 1973 bis 1976 alleiniger Geschäftsführer der „Pelikan Hotel GmbH“. In dieser Eigenschaft führte er die Kaufverhandlungen, brachte die Firmenregistrierung in trockene Tücher und organisierte den kompletten Umbau des alten Kolpinghauses zum zentralen Stadthotel.
Danach verband er sein Wissen als Ingenieur und Betriebswirtschaftler bei der Firma Ritz — zunächst als Projektleiter und später als Abteilungsleiter und Länderreferent. Seine Aufgabe war die Projektierung und Realisierung von Wasserversorgungseinrichtungen in Afrika und in Arabien. „Bis ein solches Projekt schlüsselfertig übergeben werden konnten, vergingen in der Regel vier Jahre“, erzählt der Mann aus Wustenriet im Gespräch mit der Rems-​Zeitung.
Wobei er dabei keineswegs so sprudelt, wie die von ihm geplanten Wasserleitungen — denn er ist nach außen hin ein stiller Mann, der sich selbst nicht gern in den Mittelpunkt stellt. Sein Temperament spielt sich ihm in Innern ab — ein Paradebeispiel für die chinesische Weisheit: „Einer der viel spricht, vollbringt nur selten wirkliche Taten“. Doch so nach und nach lässt er durchblicken, wie viel er in seiner Zeit bei Ritz bewegt hat. Finanziert durch die Weltbank und durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) konnten zahlreiche Städte in Uganda, Sambia, Kenia, Ägypten und Libyen mit sauberem Trinkwasser versorgt werden. „Wir haben zum Beispiel eine komplette Anlage installiert, um Wasser aus dem Viktoria-​See zu reinigen, in Hochbehältern zu speichern und via Pumpleitungen zu den Menschen in die Städte zu bringen.“
Jahrzehntelange berufliche Erfahrung und technisches
Wissen als wertvolles Kapital
Diese Projekte waren für Hermann Fink immer wieder mit Reisen in diese Länder verbunden — und brachten ihn in manche brenzlige Situation. „In Kampala sind wir zum Beispiel in eine Schießerei geraten, und ein anderes Mal hat der Pilot eines Kleinflugzeugs unterwegs die Orientierung verloren“. An ständigen Kontakt mit zu Hause über Handy und Internet war damals noch nicht zu denken, so dass sich Gattin Beatrijs und Sohn Renaat manchmal tagelang Sorgen machten, weil es keine Möglichkeit zur Kommunikation mit der Familie gab.
Diese Berufs– und Lebenserfahrung machte ihn als Rentner zum gefragten Mann. Zufällig war genau zu jener Zeit, als er seine Dienste via Internet anbot, ein chinesisches Unternehmen damit beauftragt worden, die von Hermann Fink seinerzeit geplante und unter seiner Aufsicht gebaute Wasserversorgungsanlage in Sambia zu sanieren. „Als ich mich dort gemeldet habe, sind die mir beinahe um den Hals gefallen. Denn die hatten weder das eigene Know-​How noch die alten Unterlagen. Die waren sehr froh, dass ich ihnen dabei helfen konnte, die notwendigen Ersatzteile zu besorgen“. Dass Hermann Fink seit seinem Studium in England sehr gut englisch spricht und schreibt, war eine weitere wichtige Voraussetzung, um international agieren zu können.
Es hat sich in der Branche offenbar ziemlich schnell herum gesprochen, dass es in Deutschland einen Fachmann gibt, der zuverlässig und schnell die richtigen technischen Geräte aussuchen, beschaffen und liefern kann. Auch als man für eine Trinkwasserpumpstation der Stadt Lissabon eine neue technische Ausrüstung brauchte, waren Finks Erfahrungen gefragt. Und ein chinesisches Großunternehmen (das für die Instandsetzung von Fertigungsstraßen der Firmen Mercedes, VW, BMW, Peugeot, Citroen und Honda regelmäßig Pumpen, elektrische Aggregate sowie Roboter-​Ersatzteile aus Deutschland braucht) meldete sich per E-​Mail in Wustenriet. „Die Chinesen sind als Geschäftspartner schnell, zuverlässig und pünktlich im Bezahlen“, hat Fink seither vielfach erleben dürfen.
Es stellte sich allerdings schnell heraus, dass diese international agierenden Unternehmen keinen freiberuflichen Berater haben wollten, sondern eine eigenständige Firma als Geschäftspartner. Deshalb (und auch aus steuerlichen Gründen) wurde anno 2002 die Fa. Hermann & Beatrijs Fink GbR gegründet. Ein Familienunternehmen, das im Wustenrieter Wohnhaus vom nur 18 Quadratmeter großen Büro aus die komplette Materialdisposition inklusive der Logistik durch Spediionen sowie Luft– und Seefracht organisiert. Dass die in Brasilien geborene Ehefrau Beatrijs von Haus aus studierte Betriebswirtin ist, macht dabei natürlich vieles leichter. „Ohne das Verständnis und die Hilfe meiner Frau wäre das alles nicht möglich gewesen“, weiß Hermann Fink diese Mitwirkung sehr zu schätzen.
Die Arbeit in ihrem Familienunternehmen empfinden beide nicht als Stress. „Es ist ein großer Vorteil des Alters, dass man konsequent seine Ideen ausleben kann und keine Rücksicht mehr auf berufliche Hierarchien nehmen muss!“
Und darüber hinaus hat die aus der Not heraus gegründete Firma den Finks ihren finanziellen Spielraum für die großen Reisen zurück gegeben. Den brasilianischen Dschungel im Sumpfgebiet Pantanal haben sie seither ebenso bereist wie die Galapagos-​Inseln, Feuerland, die Antarktis und Russland. Im nächsten Jahr steht China auf dem Reiseplan. Und obwohl es in erster Linie eine Kulturreise wird, steht auch ein Besuch bei den Geschäftspartnern an. Denn bisher kennt man sich ja noch nicht persönlich.

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