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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Prof. Dr. Wolfgang Kaschuba sprach gestern Abend im VHS-​Saal

„Gibt es eine spezifisch deutsche Fremdenproduktion?“ Diese Frage stand gestern Abend im Mittelpunkt eines Vortrags von Prof. Dr. Wolfgang Kaschuba im VHS-​Saal. Von Manfred Laduch

Samstag, 06. November 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
1 Minute 32 Sekunden Lesedauer

on Manfred Laduch
SCHWÄBISCH GMÜND. „Wie man Fremde macht“ war der Vortrag überschrieben, den der Kulturwissenschaftler und Volkskundler für den Verein „Süddialog“ hielt. Kaschuba machte deutlich, dass das Thema schon vor dem Erscheinen des Sarrazin-​Buches vereinbart worden war. In gewisser Weise sei er dem Autor sogar dankbar dafür, das er den Diskussionsgegenstand so aktuell gemacht habe.
Dabei sei dieser eigentlich uralt, was Kaschuba an seiner eigenen Biographie deutlich machte. Er sei zwar in Göppingen geboren, habe aber Eltern, die bei Kriegsende aus dem Sudetenland vertrieben worden seien. Mache man heute die mangelnde Integration an der Sprache fest, könne er nur feststellen, dass sein Vater und seine Mutter niemanden im Filstal damals wirklich verstanden hätten. Er habe für sie zwischen heimatlich eingefärbtem Hochdeutsch und breitem Schwäbisch dolmetschen müssen.
„Flüchtling“, was die Schwaben mit „i“ ausgesprochen hätten, sei damals eine eigene Identität gewesen. Die Vertriebenen hätten eigene Ortsteile mit eigener geschäftlicher Infrastruktur gebildet. In der Schule habe es zwei Parallelklassen gegeben: Eine mit Ureinwohnern und eine mit Flüchtlingen. Prügeleien waren an der Tagesordnung. Das habe sich erst geändert, als die ersten Gastarbeiter gekommen seien.
Anhand einer „Völkertafel“ aus dem Jahr 1736 zeigte Kaschuba auf, dass es schon immer Vorurteile über andere Nationen gegeben habe. Vieles davon sei im kulturellen Gedächtnis abgespeichert. Heute werde der Irrtum, die Deutschen seien eine homogene Volksgemeinschaft verallgemeinernd auf Menschen anderer Nationalität übertragen. Dass es wirklich ein Irrtum sei, könne man daran erkennen, dass „wir uns vor 20 Jahren eine neue Ethnie geschaffen haben: Den Ossi.“
Heute lebe und denke die Gesellschaft im Schatten der Ereignisse vom 11. September 2001 in Amerika. Dabei vereinfachten „Stammhirndenker“ die Kette etwa so: „Fremder = Moslem = Islamist = Terrorist“. „Migration meint nie Japaner“, betonte der Redner bei dem auch von einigen Türken besuchten Vortrag.
Die Folge solchen Denkens sei ein verstärkter christlicher Fundamentalismus, der automatisch das Gleiche bei manchen Muslimen zur Folge habe. Die einzigen, die an einer solchen Entwicklung ihre helle Freude hätten, seien Nationalisten, die es auf beiden Seiten gebe. Dagegen seien die Mehrheiten seiner Erfahrung nach auf dem Weg zu einer gemeinsamen Einwanderungsgesellschaft.

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