Direkt zum Inhalt springen

Nachrichten Ostalb

Lorcher Rechtsanwalt flog als Reserveoffizier am Sonntag für vier Monate nach Afghanistan

Es gibt eine Lorcher Anwaltskanzlei, die etwas Außergewöhnliches hat. Sie wird von zwei Anwälten geführt, die beide Reserveoffiziere sind. Das heißt, die nächsten vier Monate wird sie nur von einem geführt, denn der andere flog am Sonntag für vier Monate zum Einsatz nach Afghanistan. Von Manfred Laduch

Dienstag, 09. November 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 52 Sekunden Lesedauer

LORCH. Seit zehn Jahren ist Anwalt S. in Lorch ansässig. Eigentlich stammt er aus dem Sauerland, lernte während des Jurastudiums in Konstanz aber eine Schwäbin kennen und lieben, was ihn im Ländle bleiben ließ.
Zur Bundeswehr war der heute 42-​Jährige 1988 zunächst als ganz normaler Wehrpflichtiger gekommen. Doch noch während der Grundausbildung als Panzergrenadier in Koblenz verpflichtete er sich als Zeitsoldat auf zwei Jahre und wurde Reserveoffizieranwärter. Er ging als Fähnrich ab, wurde nach drei Jahren automatisch Leutnant und hörte von der Bundeswehr lange Zeit nichts mehr.
Erst als fertiger Rechtsanwalt meldete er sich wieder zu Reserveübungen und wurde in der neuen Bundeswehrstruktur dem Landeskommando Baden-​Württemberg in Stuttgart zugeteilt. Dort las er vor zwei Jahren die Ausschreibung für eine viermonatige Verwendung in Afghanistan – und begann sich für die Sache zu interessieren.
Schon zuvor war ihm eine ähnliche Aufgabe im Kosovo angeboten worden, die er jedoch aus Rücksicht auf seinen einjährigen Sohn ablehnte. Heute ist der Junge knapp acht, die Tochter sechs Jahre alt. Es habe, sagt S., „zu Hause keinerlei wilde Diskussionen über den Einsatz gegeben.“ Seine Frau habe gewusst, dass sie einen Reserveoffizier geheiratet hat.
Es ist allerdings auch nicht so, dass der inzwischen zum Oberstleutnant avancierte Rechtsanwalt in den kommenden vier Monaten jeden Tag in vorderster Linie Patrouille fahren müsste. Seine Aufgabe, für die er eine insgesamt 13 Wochen dauernde Zusatzausbildung erhalten hat, wird die eines „Liaison and Negotiations Officer“ (LNO) sein, eines Verbindungs– und Verhandlungs-​Offiziers für das Bundeswehr-​Truppenkontingent in Faizabad, der Hauptstadt der nordöstlichsten afghanischen Provinz Badakhshan, die ungefähr genau so viele Einwohner hat, wie Schwäbisch Gmünd.
Er wird dabei als Scharnier zwischen der Truppe und den in der Provinz aktiven Hilfsorganisationen sowie der Provinzregierung fungieren. Das Ganze findet in erster Linie in Englisch statt. Direkte Dolmetscher von Deutsch in die beiden hauptsächlichen Landessprachen sind selten. Deshalb hat die Bundeswehr Sprachmittler unter Vertrag, die von Paschtu und Dari ins Englische und zurück übersetzen.
Ein wichtiger Bestandteil des standardisierten Ausbildungsgangs sei deshalb Landeskunde gewesen. Wobei S. davon überzeugt ist, dass in den Kontakten mit der fremden Kultur vieles mit gesundem Menschenverstand funktioniert. Er wisse, dass die Menschen dort Berührungen eher nicht schätzen, man Speisen mit der rechten Hand zu nehmen hat, dem Gegenüber nie die Fußsohle zeigt sondern bei Besuchen eher die Schuhe auszieht. Ansonsten habe die Erfahrung der vergangenen Jahre gelehrt, dass die Sprachmittler häufig gute Tipps parat hätten.
Intensive militärische Einsatzvorbereitung war erforderlich
Allerdings musste auch eine intensive militärische Einsatzvorbereitung sein – inklusive Schießen, Verhalten bei Patrouillen und im Falle einer Geiselnahme.
In Faizabad sei die Lage relativ stabil, erklärt der Oberstleutnant. Das Bundeswehr-​Feldlager befinde sich am Rande der Stadt. Dort werde er für die vier Monate gemeinsam mit einem anderen Stabsoffizier in einem Container wohnen. Da es im Prinzip keinen Dienstschluss gibt, hat der Lorcher keine Zivilsachen mitgenommen. Auch die graue Dienstuniform bleibt zu Hause, nur das „Grünzeug“ wird benötigt – das in Afghanistan allerdings ein Flecktarnmuster in beige-​braun-​schwarz trägt.
Ein paar Bücher und sein Laptop gehören zum Gepäck. Internetverbindung ist im Bundeswehr-​Camp kein Problem. Es ist für Dienstgespräche sogar ans ganz normale deutsche Telefonnetz angeschlossen. Ansonsten hat Afghanistan ein ordentlich funktionierendes Mobilfunknetz. „Regelmäßiger Kontakt mit zu Hause ist also gewährleistet“, freut sich der 42-​Jährige. Mit dem Vorgänger, der seine Aufgabe in den vergangenen Monaten wahrgenommen hat, konnte S. schon telefonieren. Wenn er in Faizabad angekommen ist, haben die beiden Stabsoffiziere noch zwei Wochen zur Geschäftsübergabe, bis dieser Kamerad nach Deutschland zurückfliege.
Als Wehrübender erhält der Anwalt ganz normalen Wehrsold plus die übliche Auslandszulage. Außerdem übernimmt die Bundeswehr bei Freiberuflern einen Teil der Kosten für die notwendige Vertretung im Büro – die in seinem Fall der Kanzleikollege wahrnimmt. Später dann wird S. wohl das Gleiche machen dürfen, denn sein Sozius interessiert sich ebenfalls schon für einen solchen Auslandseinsatz.
„Ich sehe es als persönliche Erfahrung“ ist der Lorcher auf die vier Monate seines Einsatzes gespannt.

14 Tage kostenlos und unverbindlich testen?
Das RZ-Probeabo - digital oder klassisch mit Trägerzustellung

2756 Aufrufe
688 Wörter
4923 Tage 11 Stunden Online

Beitrag teilen

Hinweis: Dieser Artikel wurde vor 4923 Tagen veröffentlicht.


QR-Code
remszeitung.de/2010/11/9/lorcher-rechtsanwalt-flog-als-reserveoffizier-am-sonntag-fuer-vier-monate-nach-afghanistan/