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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Reisebericht (3): Auf dem Weg nach Teheran hatten die Reisenden aus Gmünd ein volles Programm in Wien

Seit einem Monat befinden sich Wolfgang Schlupp-​Hauck und seine Frau Brigitte Schlupp-​Wick mit dem Tandem auf dem Weg in den Iran. In unregelmäßigen Abständen schreiben sie für die Leser/​innen der Rems-​Zeitung Reiseberichte. Heute folgt Teil drei. Von Wolfgang Schlupp-​Hauck

Mittwoch, 18. August 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
4 Minuten Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND. In Wien waren wir nicht nur als Touristen unterwegs. Wir besuchten UN-​Botschafter, sprachen mit Referenten der Stadt und Parteien. Wir gedachten der Jahrestage von Hiroshima und Nagasaki am Stephansdom und in der UNO.
Mit einem Tourismusprogramm starteten wir unseren zehntägigen Aufenthalt in Wien. Wir stiegen in eine Kutsche. Der Fiaker erläuterte uns die Sehenswürdigkeiten der Donaumetropole. Das gleichmäßige Klappern der Pferdehufe vermittelt Ruhe, auch wenn ein Autofahrer hektisch an der Kutsche vorbeidrängelt. Das Café Mozart im Hotel Sacher enttäuschte uns. Wir genossen unsere Melange und Torte mit Schlagobers lieber im Jugendstilambiente des „Cafe Zentral“.
Die Tage in Wien waren geprägt durch eine ganze Reihe friedenspolitischer Gespräche. Wir hatten Verabredungen mit den UN-​Vertretungen des Iran, der Türkei und Deutschlands. Wien ist Mitglied von Mayors for Peace. Wir wurden empfangen von Evelyn Wenighofer aus dem Magistratsbüro für auswärtige Beziehungen. Ihre Pressemitteilung brachte uns ein Interview mit „Wien online“ ein. Bei allen Treffen erklärten wir das Motto unserer Reise „Global Zero Now“, die Forderung nach dem sofortigen Verhandlungsbeginn für ein Verbot aller Atomwaffen durch eine Atomwaffenkonvention und gewaltfreie Konfliktlösungen.
Einladung zum Essen in der
iranischen UN-​Mission
Ali Ashgar Soltanieh, der Botschafter Irans bei der UNO, lud uns in seine Mission zu einem iranischen Mittagessen ein. Als wir das Gebäude betraten, spielte leise orientalische Musik, ob für uns oder ob der Pförtner eine CD hörte, blieb uns rätselhaft. Über die Treppe mit rotem Teppich, kam eine Frau mit Kopftuch auf uns zu. Sie begrüßte Brigitte mit Handschlag und Wolfgang mit freundlichem Kopfnicken. Sie unterhielt sich mit uns auf Deutsch. Sie ist Österreicherin, konvertierte zum Islam und arbeitet seit zwei Jahrzehnten in der iranischen Vertretung. Bis der Botschafter kam, beantwortete sie uns viele Fragen.
Botschafter Soltanieh begrüßte Wolfgang mit Handschlag und Brigitte mit einem freundlichen „Hello“. Er bat uns in perfektem Deutsch zu Tisch. Goldrandgeschirr, aufgereihtes Besteck und nicht alkoholische Getränke, standen auf der Damasttischdecke. Während wir speisten, beantworteten wir die Fragen des Botschafters zu unserer Tandemtour. Er sicherte uns zu, dass er uns für Gespräche im Iran Kontakte vermitteln wird.
Wir tauschten unsere Gedanken zur Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages in New York aus, bei der sich Wolfgang und der Botschafter im Mai gesehen hatten. Er betonte die alte Kultur des Iran und kritisierte die westliche Überheblichkeit. Mit Blick auf die Auseinandersetzung über das iranische Atomprogramm erklärte der Botschafter: „Wenn man von uns Iranern fordert oder droht, dann riskiert man, Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen, wenn man uns bittet, überlegen wir, was wir tun können.“
Wir läuten die Gedenkglocke
für Hiroshima und Nagasaki
Er zeigte uns zwei mundgemalte Bilder eines iranischen Künstlers zu Hiroshima, die er der UNO zum Gedenktag schenken wolle. An einem Modell der iranisch-​afghanischen Grenze erklärte er den Bau eines Schutzwalls gegen den Heroinschmuggel. Dann führte er uns in einen mit persischen Teppichen ausgelegten Raum und lud uns zu einem Tee ein. Wir mussten leider ablehnen, um zum nächsten Termin zu eilen. In einem Wiener Café wartete seit einer halben Stunde der Mitarbeiter einer Europaabgeordneten auf uns.
Zum Hiroshimatag am 6. August sammelt die Wiener Friedensbewegung Grußbotschaften und legt diese auf dem Stephansplatz aus. Gedenkreden werden im Gewimmel der Touristen gehalten. Einige bleiben stehen und hören zu, andere verweilen und lesen die ausgelegten Texte. Wolfgang stellt in seiner Rede unsere Radtour vor. Eine Lichterprozession schließt das Gedenken ab.
Wir besuchten auch am Nagasakitag das Gedenken in der UNO. Friedensbewegte, Mitarbeiter der internationalen Organisationen und einige Botschafter versammeln sich. Wir treffen Botschafter Soltanieh wieder. Er übergibt für die UNO die Gemälde, die er uns schon beim Besuch gezeigt hatte. Nach den Reden wird die Friedensglocke aus Hiroshima, die vor der UNO steht, angeschlagen. Auch wir reihen uns ein. Tief tönt die Glocke über den Vorplatz und Luftballons mit Friedensbotschaften steigen in den Himmel.
Wir besichtigen das
sicherste Atomkraftwerk
Vor den Toren Wiens liegt das einzige Atomkraftwerk Österreichs. Es war schon fertiggestellt, mit Uranbrennstäben bestückt, doch ging es nie ans Netz, weil eine Volksabstimmung dies verhinderte. Es wird daher als das sicherste Atomkraftwerk der Welt bezeichnet. Wir nehmen an einer Führung teil. Weil unverstrahlt sehen wir nicht nur die Schaltzentrale, sondern gehen bis in den Reaktor. Dem Techniker, der uns führt, merkt man an, dass er das Ergebnis der Volksabstimmung bedauert. Die Debatte um die Atomenergie wird immer wieder mit ihm geführt. „Da ist die Zukunft“ sagt er und zeigt Photovoltaikanlagen, die am Kraftwerk und auf dem Gelände installiert sind. In Zwentendorf wird heute Ökostrom erzeugt.
Geschichtsunterricht
auf dem Zentralfriedhof
Mit Alois Reisenbichler von der Wiener Friedensbewegung besuchen wir den Zentralfriedhof. Der Rundgang wird zu einer Geschichtsstunde über Österreichs Kanzler, Komponisten, über Wiens Bürgermeister und die Opfer des Nationalsozialismus. Auch aktuelle Fragen macht der Friedhof deutlich, es gibt Begräbnisfelder für Muslime und verschiedene Trauerhallen für die verschiedenen Glaubens– und Weltanschauungen.
Ein Quietschen beim Bremsen zeigte uns: Die vordere Scheibenbremse ist abgefahren. Wartungsarbeiten waren angesagt. Wir ließen die Beläge im Fahrradgeschäft wechseln, um unseren Vorrat aufzusparen für Gegenden, wo wir kein Radgeschäft finden werden. Doch danach tat unser Licht nicht mehr. Bei der Fehlersuche kippte uns das Tandem um. Danach hatte sich eine Schraube der vorderen Federgabel gelöst. Die Schraube wieder befestigt, das Lichtkabel richtig eingesteckt, etwas Luft in die Gabel gepumpt, die Ketten geschmiert, sollte das Tandem startklar sein zur Weiterfahrt. Doch nun steckte die Gabel fest, war völlig steif. Eine Odyssee durch Wiener Radgeschäfte begann. „Wir machen keinen Gabelservice, sie muss eingeschickt werden“, war die regelmäßige Antwort. 14 Tage Wartezeit, das war unmöglich. Anrufe beim Händler in Gmünd, beim Hersteller des Tandems brachten auch keine Lösung. Ferndiagnosen sind schwierig. Doch dann hatte ein Fahrradmechaniker die rettende Idee, er überprüfte den Luftdruck in der Gabel, er war zu hoch. Er ließ Luft ab und die Gabel bewegte sich wieder. Wir waren startklar zur Weiterfahrt.

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