Direkt zum Inhalt springen

Nachrichten Ostalb

Die Woellwarth’sche Grablege im Kloster Lorch und die Entwicklung der Grabmalkunst im Raum Schwäbisch Gmünd

Das Kloster Lorch ist bekannt als Familiengrablege der Hohenstaufen, doch es gibt keine Grabdenkmale aus dem 12. oder 13. Jahrhundert, die an Mitglieder dieses großen Geschlechts erinnern. Die Querhausarme dienen vor allem als Grabkapellen der Herren von Schechingen und von Woellwarth. Sie verdienen Beachtung als Beispiele der Grabmalkunst. Von Hans-​Wolfgang Bächle

Montag, 03. Januar 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
4 Minuten Lesedauer

GESCHICHTE. Erst 1475 schuf im Auftrag des Abts Nikolaus Schenk von Arberg ein Göppinger Bildhauer die Staufertumba, in welcher sich die Gebeine von Familienmitgliedern befinden. Sie wurden eingesammelt, als der gotische Chor erbaut wurde. An die Königin Irene von Byzanz erinnert eine Gedenkplatte im Südquerhaus, die dort an der Ostwand im 19. Jh. angebracht wurde.
Es war Georg I. von Woellwarth, der vor 1363 Anna von Schechingen heiratete. Seine Ahnen lebten im Ries, wo sie um 1140 von den Staufern mit der Stammburg Wellwart gegenüber von Harburg an der Wörnitz belehnt wurden. Georg I. ist der Stammvater der Woellwarth in unserer Gegend mit Besitz um 1400 u.a. in Lauterburg /​Essingen, Rosenstein /​Heubach, Hohenroden /​Lautern. Er war württembergischer Hofmeister und Rat sowie Untervogt des Klosters Lorch.
Dort begründete er 1398 die Woellwarth-​Grablege bei dem von ihm und seiner Frau gestifteten Mauritiusaltar im Nordquerhaus. Es sollten im Laufe des 15. und 16. Jh. zehn Ritterstandbilder — ein einmaliges Ensemble in Ostwürttemberg — und einige Grabplatten im Nordquerhaus der Lorcher Klosterkirche entstehen. Georgs I. Sohn Volkard II. war damals Abt der Benediktiner von Lorch (1389 — 99). Sein Vorgänger war Volkard I. von Schechingen und Nachfolger waren Johannes und Volkard III. von Schechingen. Ihre Grablege befindet sich im Südquerhaus, doch sind deren Grabplatten schlicht.
Die Grabdenkmäler der Woellwarth stehen an den Wänden des Nordquerhauses zum Gedächtnis an die Verstorbenen, also nicht direkt über den Gräbern. Solche Epitaphe kamen gegen Mitte des 14. Jh. auf. Sie zeigen hier in Lorch aufrecht stehende Rittergestalten vom frühen 15. bis zum 16. Jh. und damit sechs Generationen. Sie vermitteln die Entwicklung der Grabmalkunst von der Gotik über die Spätgotik bis zur Frührenaissance.
Der Gmünder Bildhauer Jakob Woller schuf für Hans Wolf von Woellwarth († 1559) ein Ritterstandbild, das an der Chorwand der Böbinger Michaelskirche angebracht ist. Für Georg Sigmund († 1556) entwickelte Woller ein Epitaph mit reichem Darstellungsinhalt. Der Verstorbene kniet betend am Kreuzfuß, vor ihm sein Helmbusch und das Halbmondwappen, auch das seiner Gemahlin Anna von Rechberg. Unterm Gekreuzigten stehen ferner die schönen Gestalten von Maria und Johannes. Dieses Grabmal befindet sich in der Antoniuskapelle der Gmünder Franziskanerkirche. Anna von Rechberg überlebte ihren Gemahl um 42 Jahre, zog zu ihrem Sohn Hans Sigmund nach Fachsenfeld und wurde dort in der evangelischen Pfarrkirche beigesetzt, wo zahlreiche Renaissance-​Epitaphe bewundert werden können.
Eine Darstellung der
Nichtigkeit des Irdischen
Nach diesem kurzen Exkurs kehren wir zurück zu Georg I. und seinen Söhnen Georg II., dem Gründer der Laubacher Linie, und Georg III., auf den die Lauterburger Linie zurückgeht. Georg I., II. und III. starben 1409, 1434 und 1442. Ihre drei ältesten Ritterstandbilder sind ähnlich gestaltet und zeigen keine individuellen Züge. Die drei Ritter stehen auf Steinblöcken ziemlich steif in ihren Harnischen mit tief herabgezogenen Helmen. Die linke Hand ist am Schwert und die rechte abgewinkelt über der Helmzier und dem Woellwarth-​Wappen. Allenfalls Georg III. der Jüngere in der Mitte dieser Dreiergruppe, der Ahnherr der heute noch lebenden Lauterburger Linie, greift mit der Rechten energisch in den Gürtel der Taille und blickt forschend geradeaus. Sein einziger Sohn Wilhelm auf Lauterburg † 1463 (Dritter von rechts an der Nordwand) ist ebenfalls frontal statuarisch dargestellt ähnlich wie die drei Georg.
Auch er steht auf einem Block und unter einem krabbenbesetzten gotischen Eselsrücken. Aber seine Rüstung ist eleganter, betont abgewinkelt die Linke am Schwert, die Rechte über Helmzier und Wappen. Neben ihm steht auf einem Löwen sein Erstgeborener Rennwart I. zu Lauterburg († 1492) unter einem baldachinartig vorspringenden prächtigen Eselsrücken. Er ist reich gewandet und um eine vornehme Haltung bemüht. Es war ihm gelungen, Lauterburg und Essingen 1479 zu kaufen; er war damit Herr einer reichsunmittelbaren Ritterschaft.
Ganz links steht Ulrich († 1505), ein weiterer Sohn Wilhelms, der bei der Erbteilung Hohenroden erhielt. Sein Grabmal erregt stets besondere Aufmerksamkeit, weil es als Totengerippe mit allerlei Getier dargestellt ist, was zu manchen Legenden verleitet hat. Doch ist dies eine Darstellung der Nichtigkeit alles Irdischen, ein Symbol der Vergänglichkeit.
Neben ihm steht sein Bruder Georg VI. († 1511) auf einem Lindwurm. Er residierte auf dem Rosenstein über Heubach und hatte auch Güter zu Lautern, Böbingen und Mögglingen erhalten. Rechts neben ihm steht sein Neffe Heinrich († 1509) auf einem Löwen. Als Sohn Rennwarts I. lebte er auf Lauterburg mit Besitz in Essingen. Alle drei stehen frontal unter spätgotischen Baldachinen.
Die beiden Grabdenkmale ganz rechts an der Nordwand des Querschiffs bieten ein völlig anderes Bild. Hier erscheinen die Ritter recht bewegt. Rennwart II. († 1520), der Bruder Heinrichs, schreitet auf einem Löwen aus einer Nische hervor, die mit einer Girlande geschmückt ist. Sein Harnisch liegt eng an, dazu hält er am Griff sein langes Schwert und ebenso den länglichen Schild mit dem Halbmond. Er blieb ledig und lebte wie sein Neffe Georg Rennwart († 1522) in Essingen. Dieser war ein Sohn Heinrichs, der nach kurzer Ehe mit Kunigunde Adelmann von Adelmannsfelden früh verstarb. Von ihm wird berichtet, dass er eine sehr schöne Rüstung hatte, und so erscheint der junge Ritter, dessen Haupt umkränzt ist, auf einem Löwen voranschreitend. Diese beiden Rittergrabmale gehören der frühen Renaissancezeit an. Weitere Söhne Heinrichs wie Georg VII. und Georg Heinrich (beide † 1551) wollten ebenfalls noch in Lorch beigesetzt werden: Sie liegen unter Grabplatten. Georg VII. war mit Anna Warbeck, der Tochter des Gmünder Bürgermeisters Thomas Warbeck, verheiratet (verwandt mit Martin Luther). Das Paar verließ um 1524/​25 den Rosenstein und zog ins neu erbaute Heubacher Schloss. Ihr Sohn Georg Reinhard († 1569) führte in Heubach 1558 die Reformation ein. An ihn und seine Gemahlin erinnert in der Heubacher Ulrichspfarrkirche ein farbenprächtiges Renaissance-​Epitaph mit Allianzwappen und Inschriften.
Der Vollständigkeit halber sei kurz das weitere Schicksal der jungen Witwe Georg Rennwarts († 1522) erwähnt: Kunigunde Adelmann heiratete noch im gleichen Jahr Hans Wolf zu Böbingen († 1559, s.o.), den sie ebenfalls überlebte. Sie zog nach Straßdorf ins dortige Schlössle, wo ihre Tochter Anastasia mit Ulrich III. von Rechberg lebte. Als sie 1575 starb, wurde sie in der alten Straßdorfer Pfarrkirche St. Cyriak beigesetzt. Ihr Grabstein steht neben dem überaus aufwändigen Renaissance-​Sandsteingrabmal Ulrichs III. († 1572) und seiner Gemahlin Anastasia von Woellwarth († 1596). Es ist dreistockig aufgebaut, wobei unter dem Sockel mit Inschriften und Allianzwappen ein Hund kauert, das „Klopferle vom Rechberg“, ein Symbol der Treue. Im Hauptfeld schuf der Gmünder Bildhauer Erhard Barg aus Bargau, ein Schüler Simon Schlörs, die Eheleute Ulrich und Anastasia, die ein – ander zugewandt kniend auf Kissen im Gebet verharren. Der weitere Aufbau des Grabmals zeigt zwischen Schmuckwerk und Karyatiden eine fein gearbeitete Kreuzigungsgruppe. Dieses Grabmonument ist das bedeutendste im gesamten Raum Schwäbisch Gmünd.

14 Tage kostenlos und unverbindlich testen?
Das RZ-Probeabo - digital oder klassisch mit Trägerzustellung

6614 Aufrufe
1133 Wörter
4867 Tage 16 Stunden Online

Beitrag teilen

Hinweis: Dieser Artikel wurde vor 4867 Tagen veröffentlicht.


QR-Code
remszeitung.de/2011/1/3/die-woellwarthsche-grablege-im-kloster-lorch-und-die-entwicklung-der-grabmalkunst-im-raum-schwaebisch-gmuend/