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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Gmünder Eisenbahngeschichte(n), Teil 8: Die Historie des ehrwürdigen Bahnhofshotels mit seinem halbseidenen Finale kurz vor dem jetzt anstehenden Abbruch

Es wäre unehrlich zu behaupten, dass es bei vielen Gmündern nicht auch Wehmut auslöst, wenn sie verfolgen, wie das historisch gewachsene Bahnhofsviertel für Gamundia umgekrempelt wird. Gute Zukunft hat seinen Preis. Auch die Geschichte des 1893 errichteten Bahnhofshotels geht jetzt zu Ende. Von Heino Schütte

Donnerstag, 17. März 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND. Die Einweihung der Remsbahn im Jahre 1861 und damit zusammenhängend der Betrieb der Personen– und Güterabfertigung im neuen Bahnhof, nordwestlich der Stadt gelegen, prägte und lenkte eine völlig neue städtebauliche Entwicklungsachse. Exakt jene, die nun beim bevorstehenden Stadtumbau anlässlich der Landesgartenschau 2014 mit einem modernen Einkaufszentrum und weiteren Investitionen revitalisiert werden soll. Die Rede ist von Ledergasse und Bahnhofsstraße.
Diese Verbindungsschiene zwischen Innenstadt und Remsbahn wurde aufgrund der Nähe zum neuen Verkehrs– und Transportmittel im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zu einer „Boomtown“: Den modernen und geschäftstüchtigen Bürger oder Kaufmann zog es zum Bahnhof. Bis heute sichtbare Baudenkmäler für diese stürmische Stadtentwicklung in Richtung „Gmünd Nordwest“ ist beispielsweise das repräsentative Reichsbankgebäude aus dem Jahre 1907. Die Neo-​Renaissance löst beim Passanten und Besucher schon allein beim Betrachten Respekt aus.
Und 1911 wurde das Königliche Hauptpostamt seiner Bestimmung übergeben, dessen Planer sich – ähnlich wie heute bei der Gamundia-​Planung – viele gestalterische und inhaltliche Gedanken für dieses seinerzeit hochmoderne und funktionelle Stadtentree am Bahnhof gemacht haben. Geradezu majestätisch blickt der Vorbau mit seinen Türmchen Richtung Innenstadt und zeigt – im respektvollen Winkel zum Bahnhof mit seinen rastlosen Dampflokomotiven zugeordnet – den Blick der neuen Post in die große weite Welt. Im aufstrebenden Bahnhofsviertel vor den Toren der zwischenzeitlich zugunsten der Bahnzukunft weitgehend abgerissenen Stadtmauer zeigte sich alsbald eine Angebotslücke für die Ankommenden und Durchreisenden, nämlich eine moderne Herberge für eine oder auch mehrere Übernachtungen. In der Ledergasse gab es zwar einige Wirtshäuser, im Bahnhof eine Restauration. Was fehlte, das war eine feine erste Adresse, damit die Eisenbahnreisenden mitten im Remstal ihre Koffer nicht mühsam in die Innenstadt bugsieren mussten. So entstand Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Bahnhofhotel ein Gastronomiebetrieb, der zeitgenössisch als großzügig und hochmodern zu bewerten war.
Johann Servatius Stehle, so geht aus den Chroniken hervor, war der erste Gastwirt am Bahnhof. Er betrieb zunächst die Bahnhofsrestauration und dazu einen Weinhandel, was in der damaligen Brauerei-​Stadt Gmünd eine Besonderheit war. Er erwarb dieses Areal, wo jetzt nur noch wenige Wochen das Bahnhofshotel zu sehen ist, ehe es abgerissen wird. Das Anwesen hatte eine eigene Infrastruktur mit eigenen Stallungen und Lagerräumen. Es handelte sich hierbei um den bereits abgerissenen Gebäudekomplex auf der Rückseite des Hauptgebäudes, wo zuletzt eine Reifenfirma untergebracht war.
Als erstes entstand die „Arche“. Diesen Beinamen sollte der Wirtshaustrakt neben dem späteren Hotelneubau bis in die jüngste Zeit hinein beibehalten. In der Tat lag der Gastronomiekomplex mit seiner markanten Backsteinbauweise zwischen Rems und einem alten Mühlkanal wie eine „Arche“ auf einer Art Insel. In seiner Glanzzeit im vergangenen Jahrhundert bildete die „Arche“ einen gesellschaftlichen Mittelpunkt in Schwäbisch Gmünd. Dafür sorgte auch ein großzügiger Saalbau, der zwischen Hotelkomplex und Stall bzw. Weinkeller entstand, jedoch in den 70er-​Jahren einem Brand zum Opfer fiel. Verschiedene Wirtsleute sorgten für ein angenehmes Niveau. Sie hatten ja auch ein eigenes Interesse für ein gutes Hotelflair, weil sie selbst im Gebäude wohnten. Rund 30 Gästezimmer standen zur Verfügung, die schon früh neben fließend Kalt– und Warmwasser auch mit Badezimmern ausgestattet wurden. Der Blick aus den Fenstern der Hotelzimmer schweifte hinaus auf die Stadt mit ihren vielen Türmen oder auch auf den geschäftigen Bahnhofsvorplatz sowie hinüber zum St. Salvator.
Gerne trafen sich auch die Altersgenossenvereine im großen Nebenzimmer. Auch tagte einst dort regelmäßig der Fremdenverkehrsverein und der Handels– und Gewerbeverein. Nach dem Ende der bodenständigen Ära folgte ein Vergnügungsbetrieb und eine Kneipe der anderen. Im Arche-​Stüble hielt jedoch ein beliebtes türkisches Restaurant Einzug, um das es nun schade ist.
Schillernd die letzten Jahre als Disco und Bar sozusagen mit unterschiedlichen Migrationshintergründen. Und halbseiden gestaltete sich das finale Innenleben in den oberen Etagen. Nach Verkauf an die Stadtverwaltung zwecks Gamundia-​Zukunft gaben sich die dort tätigen Damen und „Vermieter“ keine große Mühe, die Räume ordentlich ausgeräumt und renoviert an den neuen Besitzer zu übergeben. Bei einer ersten Begehung sahen die Verantwortlichen aus dem Rathaus rot, denn aus der einst ersten Adresse am Gmünder Bahnhof war in der letzten Phase augenscheinlich ein Freudenhaus geworden.
Nur noch wenige Fundstücke erinnern jetzt kurz vor dem Abbruch an Wirtshausherrlichkeit mit feinen Hotelzimmern. „Bewahret einander vor Herzeleid, kurz ist die Zeit, in der ihr beisammen seid“, so der Appell auf einem geschnitzten Holzschild der „Arche“.

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