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Ausstellung: „Bürokratie“ und „Haus“ als Motive/​Iris Ermlichs Werk im Schloss Leinzell mit integrierten Kindheitserinnerungen

Im Schloss Leinzell präsentiert die in Gmünd geborene, in Leinzell aufgewachsene und mittlerweile in München lebende Künstlerin Iris Ermlich eine Auswahl aus ihrem grafischen und malerischen Werk.

Freitag, 18. März 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

LEINZELL (rz). Der Rahmen ist spannend, weil sich so manches Motiv aus der nachbarschaftlichen Umgebung ihrer Kindheit in den Bildern wieder entdecken lässt. In der Ausstellung sieht man zwei getrennte Werkgruppen: Es gibt ältere, grafische Kollagen aus der Zeit, in der Iris Ermlich vor allem als Lithografieexpertin bekannt war – diese Arbeiten kreisen um das Thema Bürokratie. Andererseits gibt es ein großes Konvolut von Arbeiten zum Thema Haus in vielerlei Ausgestaltungen, vornehmlich aber ein großes Spektrum an malerischen Bearbeitungen des Themas.
Zu Kunst gewordene
„Geschütze der Bürokratie“
Besondere Beachtung gilt den Collagen Schulgebäude und Wetterbeobachtungen, die stellvertretend für eine Serie stehen, die sich mit Bürokratie und ihren formal-​ästhetischen Auswüchsen beschäftigt. Während des Studiums an der Universität und Akademie der Bildenden Künste in München (Studium der Malerei und Grafik), sowie in einer Hospitanz beim Lithografen und renommierten freischaffenden Bildenden Künstler Ralf Hanrieder übte sich die Künstlerin in dieser handwerklich anspruchsvollen Technik. Während der Hospitanz entstanden auch diese Kollagen. Hier werden die zweidimensionalen Geschütze der Bürokratie, wie sie jedem in Formularen, Tabellen, Anträgen begegnen, zitiert. Der „geradlinigen, raster – und kästchenhaften bürokratischen Ästhetik“ ist ein Selbstportrait Ermlichs als junges Mädchen entgegengesetzt. Dieses sehr subtile, emotional ansprechende Portrait eröffnet durch seine Diskrepanz eine zweite Ebene und eine neue Perspektive auf das Thema Bürokratie und individuelle Lebensgestaltung.
Sehr interessant, dass in den beiden gezeigten Beispielen erste mit Lineal gezeichnete Tabellen aus der Grundschule eincollagiert sind: Die Kinder üben, die eigene Wahrnehmung in statistischer Weise umzusetzen und für jeden Tag nach einem Schema zu erfassen.
„Manchmal glüht es bedrohlich
von innen heraus“
Der weitere Teil der Ausstellung umfasst verschiedene Arbeiten zum Thema Haus. Eine Reihe Wachshäuslein, sprich zeitgenössische Votivgaben sind zu sehen, eine weitere malerische Werkgruppe mit Häusern, sowie neuere Zeichnungen zum Thema. Ein Haus ist eine universelle Sache im Bereich der menschlichen Lebenswelt. Jeder Mensch hat einen Bezug dazu, wie zu Mutter und Vater. Ob in einer Mietwohnung oder in einem Einfamilienhaus, den Schutz eines Hauses zu suchen, ist ein urmenschliches Bedürfnis.
In zwanzig Malplatten von 2003 zeigt die Künstlerin eine erste intensive Ausarbeitung des Themas in einer expliziten und neuen malerischen Herangehensweise. In Bildtafeln, die sich immer auf ein spezielles Häuschen als Aufrissdarstellung und die es umgebende Fläche beschränken, entsteht eine Reihung in großer Konsequenz mit gleichzeitiger Variationsbreite. „Manchmal glüht es bedrohlich von innen heraus, manchmal hebt sich das Haus nur düster vom Hintergrund ab“, schildert Ermlich ihr Werk. Die Bildtafeln mitsamt ihrem Hauptdarsteller, dem Häuschen scheinen so in ihrer Stimmungshaftigkeit, menschliche Züge zu haben. Schließlich wird sogar die völlige Auflösung der Form, des Umrisses wie auch der Plastizität gewagt und der Haus-​Dämon verschwindet.
In den Hausbildern, die danach entstehen, sehen die Betrachter eine konsequente Weiterführung, der mit dieser Serie angefangene Entwicklung.
Die Künstlerin gelangt durch Reduzierung auf das Wesentliche zu kraftvollen Tableaus. Häuser und Hintergründe sind geschlossene einfarbige Flächen. Trotz der Beschränkung erfindet Iris Ermlich hier vielfältige Möglichkeiten zwischen Bildfläche und perspektivisch dreidimensionaler Hausform auszuloten. Gleichzeitig experimentiert sie damit, Teile des Hauskörpers einfach auszulassen. Es entstehen Formen, die eher an Pappaufsteller erinnern als an ein begehbares Haus. Der gestalterische Ansatz ist hier vielmehr analytisch und konstruktiv als expressiv, wie in der vorherigen Serie.
Bei genauerem Hinsehen kann man auch so manchen Umriss aus der vertrauten Leinzeller Nachbarschaft sehen. Von diesen Gebäude mit ihrer typischen schwarzen Sichtverschalung aus Schieferplatten, die seit 2006 das Interesse der Künstlerin auf sich ziehen, gibt es auch noch lithografische und neue Umsetzungen in Strichzeichnungen. In den neuesten Arbeiten sind ebenfalls klare Bleistift – und Buntstiftstudien zum Thema zu sehen. Ebenso wie bei der Malerei steht ein Gebäude oder ein Gebäudeausschnitt im Mittelpunkt, wodurch die Aspekte, die die Künstlerin interessieren explizit in den Fokus rücken: die Dächer, die Verschalungen. Das Gehäusehafte, das aus den tiefgezogenen Dächern spricht erinnert an riesige Schildkrötenpanzer, in die sich das Leben hinein verkriecht.
Wunsch nach Sicherheit, der nie hundertprozentig erfüllt wird
Beachtung gilt nicht zuletzt den Wachshäuslein, die in München als växen heislein zu einiger Bekanntheit gelangt sind, da sie im Rahmen eines Kunstwettbewerbs der Rückversicherung Swiss Re einen Preis gewonnen haben. Ursprünglich handelte es sich um sechzehn Einfamilienhäuschen aus Wachs, die als Objektinstallation für das Gebäude der Swiss Re in München konzipiert waren. Die Häuser stehen für einen Wunsch nach Sicherheit, der nie hundertprozentig erfüllt werden kann. Das Haus allein steht dabei als Traum– und Wunschbild für dieses Sicherheitsbedürfnis. Durch die Gestaltung in Wachs und in ihrer Größe verweisen die Häuslein zudem auf die Tradition der Votivgaben, wie sie aus Wallfahrtskirchen bekannt sind. Die Wachshäuslein erhalten in ihrer Ritualfunktion als Opfergaben nicht nur eine neue Bedeutung als Skulptur sondern als moderne Votivgaben, die die unerfüllbaren Sehnsüchte des Menschen repräsentieren.

Öffnungszeiten: am Sonntag, 20., und am Sonntag, 27. März, ab 13 Uhr. Zur Finissage am 27. März ist die Künstlerin ab 14 Uhr anwesend.

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