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Einer Kirchengemeinde Leben geben: Zu Besuch bei Pfarrer Jürgen Zwirner, der auf fünf Jahre in der Christus-​Kirche im Kochertal zurückblickt

Jürgen Zwirner hat sich genau das gewünscht: Pfarrer in Untergröningen sein. In den vergangenen fünf Jahren hat er mit seinem Motto „Mit Geduld und Liebe“ und immer neuen Ideen im Kochertal einiges angestoßen.

Samstag, 19. März 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

Der Mann ist seit 1982 Pfarrer und immer schon „lieber in Dorfgemeinden“, in denen das Gemeinschaftsgefühl ungleich stärker sei: „Ich wollte nach Untergröningen, ich mag die Gemeinde und ich mag das Dorf“. „Die Kirche im Dorf lassen“ ist ihm ein ganz wichtiger Satz. So viele Gemeinden wurden mittlerweile zusammengelegt, so vieles verloren gegeben. Im Kochertal ist die Kirchenwelt noch in Ordnung.
Jürgen Zwirner ist einer, der über Gedanken aus Mystik, Kabbala und Buddhismus sinnieren und dies bereichernd finden kann. Der Mandalas mag und Sätze, die etwas bedeuten. Die Kraft, die er daraus zieht, und das ist entscheidend, will er an seine Gemeinde weitergeben. Auch die Christuskirche, die ihm anvertraut wurde, ist etwas Besonderes: Die Reformation in Untergröningen wurde bereits 1544 und damit zu einem sehr frühen Zeitpunkt eingeführt – die Schlosskirche im neu erbauten Ostflügel des Untergröninger Schlosses entstand 1608 bereits als evangelisches Gotteshaus. In diese Gemeinde überzeugter Protestanten hielt 1774 die katholische Fürstin Sofia Friederica von Hohenlohe-​Waldenburg-​Bartenstein Einzug. Klar, dass sie die Schlosskapelle für sich und ihr Gefolge wollte. Mehr oder weniger einzigartig ist freilich, dass sie den evangelischen Untergröningern anbot, als Ersatz eine Kirche am Schlossberg bauen zu lassen – die katholischen Würdenträger jeder Zeit dürften das nicht eben begeistert aufgenommen haben. Die Fürstin aber hielt Wort, und nach ihrem Tod vollendete ihr Sohn den evangelischen Kirchenbau. Pfarrer Zwirner findet das spannend, und vielleicht ist es diese unverfälschte Freude, diese Begeisterungsfähigkeit, die ihn glaubwürdig macht und die dazu führt, dass ihn die Untergröninger mögen – nicht nur das offene Pfarramt oder die Besuche bei älteren Geburtstagskindern und Jubelpaaren.
Wenn Ökumene bedeutet, im anderen zuerst den Menschen zu sehen, hat sie also eine starke Tradition im Kochertal. Vielleicht funktioniert sie heute deshalb so gut Pfarrer Zwirner jedenfalls freut sich am guten Verhältnis zu Pfarrer Ehrlich. Zu den Ausflügen des ökumenischen Seniorenkreises, der unter Zwirners Leitung entstanden ist, melden sich regelmäßig rund 50 Teilnehmer an – und da fragt dann niemand nach der Konfession.
Seit Zwirner die Kirchengemeinde übernommen hat, sind es im Schnitt 40 Gläubige, die am Sonntag den Gottesdienst besuchen – nicht wenige größere Gemeinden erreichen diese Zahl bei weitem nicht. Der Geistliche erklärt sich diese Entwicklung mit seinem Motto und mit seiner Überzeugung: „Mit Geduld und Liebe“.

Von Anfang an verstand er die Kirche als Teil eines Netzwerks. Er arbeitet mit dem Kindergarten zusammen, hält „mit großer Freude“ den Religionsunterricht ab und führte unter anderem auch den Schulgottesdienst ein. Er hat die „Schöpfungs-​AG“ ins Leben gerufen, die sich dem Schulgarten widmet, und sein besonderes Interesse gilt derzeit dem Bildungshaus das einen möglichst bruchlosen Übergang vom Kindergarten in die Schule ermöglichen soll; die Kinder haben dann die Möglichkeit, diesen Übergang in ihrer eigenen Geschwindigkeit zu bewältigen und so entsteht endlich wirklich etwas wie Bildungsgerechtigkeit – alle Kinder haben eine Chance verdient. Mit diesem Anliegen, freut sich Pfarrer Zwirner, renne er beim neuen Abtsgmünder Bürgermeister Armin Kiemel offene Türen ein; die entsprechenden Mittel seien bereits eingestellt.
„Mir liegt das Dorf am Herzen“, versichert er, nicht nur die 739 Mitglieder seiner Kirchengemeinde. Deshalb habe er sich auch für den Erhalt der alten Untergröninger Eisenbahnbrücke eingesetzt. Er schätzt den Kontakt zu den Vereinen sehr, insbesondere zu Liederkranz und Musikverein, und vor allem genießt er es, mit seinen Initiativen wirklich etwas anstoßen zu können. So hat er Themengottesdienste eingeführt. Etwa Erntebittgottesdienste in der Umgebung, in Gschwendhof, Rötenberg oder Ochsenhof – er nennt die Bitte um eine gesegnete Ernte eine schöne Tradition, und es sind immer mehr, die das genau so sehen. Es gibt jetzt einen Gottesdienst zum Sommerfest des Musikvereins, und auch die jährlichen Männergottesdienste sind ihm zu verdanken, an denen sich auch schon mal der Männergesangverein Wöllstein beteiligt. Zwirner ist unter anderem Bezirksmännerpfarrer und findet es wichtig, auch „die Belange der Männer in der Kirche zum Tragen zu bringen“. Auf sein Bemühen, ein Männervesper zu installieren, erzählt er, gebe es sehr positive Rückmeldungen.
Bereits zweimal hat Pfarrer Zwirner einen Tauferinnerungsgottesdienst für die Kinder der dritten Klasse abgehalten, im Rahmen des „Konfirmandenunterrichts 3“, der sich ein wenig am Kommunionunterricht der Katholiken orientiert. Eine gute Sache findet er – gut für die Kinder. All die Dinge, die er anstößt, die er bewegt, wären ohne die Ehrenamtlichen nicht möglich, auch das ist für ihn ein zentraler Punkt seines Schaffens: „Die Mitarbeiter sind der Schatz der Kirchengemeinde“. Heike Buchall nennt er, das Ehepaar Aspacher, die zweite Vorsitzende des Kirchengemeinderats Gudrun Geißler, das Mesnerehepaar Kunz und andere mehr, nicht zu vergessen das CVJM-​Team und seine Jugendarbeit. Lauter wertvolle und Wert geschätzte Säulen der Gemeinde. Mit solchen Mitstreitern, mit dieser Gemeinde lässt sich vieles stemmen – die von Zwirner dringend gewünschte „Ecke der Stille“ etwa. Und auch die Sanierung der Glockenaufhängung, die neue Bestuhlung im Gemeindehaus, die Elektronik. Notwendig, sicher. Aber nichts, was diese Gemeinde wirklich ausmacht.

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