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Zu Besuch bei der Maienkönigin

Eine der schönsten Feiern dazu wird alle Jahre wieder in Wißgoldingen begangen, wenn die Gemeinde mit Fackeln durch die heraufdämmernde Nacht zur Marienkapelle zieht. Am kommenden Sonntag ist es soweit.

Freitag, 13. Mai 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 41 Sekunden Lesedauer

WALDSTETTEN-​WISSGOLDINGEN (bt). Zur Lichterprozession mit anschließender Maiandacht an der Marienkapelle — eine uralte Tradition, 1996 von Pater Alois Schwarzkopf wieder belebt – wird am Sonntag, 15. Mai, eingeladen. Prälat i.R. Franz Glaser wird die Lichterprozession begleiten und die Maiandacht mit Predigt halten. Der Zug der Gläubigen setzt sich um 20.30 Uhr an der Pfarrkirche St. Johannes Baptist in Bewegung. Die Männer der Freiwilligen Feuerwehr Wißgoldingen werden den Prozessionszug mit Fackeln begleiten und der Musikverein Harmonie Wißgoldingen die Maiandacht an der Marienkapelle umrahmen. Kerzen können ab 20 Uhr am Pfarrhaus erworben werden. Alle Gläubigen sind herzlich eingeladen. Zur Andacht werden einige Sitzgelegenheiten aufgestellt.
Am darauffolgenden Samstag, 21. Mai, ist die Marienkapelle Ziel der zentralen gemeinsamen Glaubenswege-​Wanderung 2011. Treffpunkt ist um 10 Uhr bei der St.- Laurentius-​Kirche in Waldstetten. In Wißgoldingen hält Pfarrer Klaus Stegmaier an der Kapelle eine Maiandacht. Ein Besuch des Kleinods lohnt sich in jedem Fall. Am Wochenende ist die Marienkapelle stets geöffnet, unter der Woche händigt Anna Schmid im benachbarten Mesnerhaus den Schlüssel aus.
Der Wunsch, den Pfarrer Anon Hägele, anlässlich der Erneuerung und Sanierung der Kapelle in den 60ern geäußert hat, ist noch immer aktuell: „Möge die Kapelle, die nun in frischer Schönheit erstrahlt, noch mehr als bisher ein lockendes und lohnendes Ziel für Spaziergänger und Wanderer und eine Stätte des Segens und des Friedens für fromme Beter und Pilger werden.“
Sagenhafte Gründung und große persönliche Opfer
Die nahezu 700 Jahre alte „Schöne Maria“ auf dem Hohenrechberg ist seit Menschengedenken Ziel tausender Wallfahrer. Fast vergessen ist hingegen das Gnadenbild im nahen Wißgoldingen mit seiner sagenhaften Vergangenheit. Ortsvorsteherin Ingrid Banzhaf erzählt die Geschichte, die auch Lokalhistorikerin Angelika Rieth-​Hetzel in ihr Buch „Zeitzeichen“ aufgenommen hat. Ursprünglich stand die vermutlich seit 1610 bestehende Kapelle wohl tatsächlich an anderer Stelle. Die alte „Käppelesgasse“ lässt darauf schließen, dass sie am Weg Richtung Rechberg zu finden war – schließlich ist die Mesnerin bis heute als Käppeles-​Anna bekannt. Düster und eng sei sie gewesen, diese alte Kapelle, nichts, was der Muttergottes zur Ehre gereichte, auch nichts, was von den Wißlingern in Ehren gehalten wurde. Vielleicht war’s Maria auch einfach zu unruhig, wie eine andere Variante dieser Sage besagt. Eines Tages verschwand sie nämlich, um später am heutigen Kapellenstandort aufgefunden zu werden. Dreimal trug man das Gnadenbild zurück, dreimal fand es seinen Weg zurück, und schließlich erkannte die Gemeinde, dass die Muttergottes dort draußen sein wollte.
Sicher ist, dass die Marienkapelle 1765 erbaut wurde. Pfarrer Jakob Dangelmaier, dem sie zu verdanken ist, hielt damals fest, dass sie nicht von fremden Händen oder durch Geldbeträge, sondern unter beträchtlichen Opfern von den Pfarrkindern selbst geschaffen wurde. Die Wißgoldinger waren arm damals. Gut denkbar, dass die Kapelle der Bevölkerung auch deshalb so lieb ist, weil jeder einzelne mühsam geschleppte Stein die Verbundenheit zu ihr gestärkt hat — und das Wissen darum von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Pfarrer Dangelmaier, ein gebürtiger Wißgoldinger, lobte nach der Fertigstellung seine Gemeinde, die Steine herbeigeschafft habe „ohne Vorspann eines Viehs“ und „Holz und Dach ohne Lohn beigeführt“ habe.
Nach einer alten Quelle war das Gnadenbild zum Zeitpunkt des Kapellenbaus bereits rund zweieinhalb Jahrhunderte alt. Auch der Barockaltar ist Pfarrer Klaus Stegmaier zufolge, dem sie heute anvertraut ist, ein Kleinod. Die Heiligen Barbara und Katharina sind mit Schwert und Rad dargestellt. Neben „Anna selbdritt“ — eine Darstellung der heiligen Anna mit ihrer Tochter Maria und dem Jesusknaben — wird der sehr selten zu findende Vater Mariens gezeigt, der heilige Joachim. Zwei bildliche Darstellungen zeigen Maria Verkündigung und Maria Heimsuchung. Motivbilder, die auf ein Gelübde zurückgehen, erinnern an Kriege und Krankheit — und an die Angst der Stifterfamilieneige oder an ihre Dankbarkeit angesichts der überstandenen Not. Zu sehen ist jeweils die Schutzmantelmadonna, also Maria, die nach uraltem Motiv unter ihrem ausgebreiteten Mantel betende Gläubige birgt.

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