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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Mit Gmünder Liebe betrachtet: Kleine Kunstwerke in der Gmünder Dreifaltigkeitskapelle

Viele Gmünderinnen und Gmünder wissen es: Die Gmünder Dreifaltigkeitskapelle, die am kommenden Sonntag wieder im Blickpunkt des traditionellen Dreifaltigkeitsfest stehen wird, hat kunsthistorisch einiges zu bieten.

Donnerstag, 16. Juni 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
5 Minuten Lesedauer

Von Werner Debler
SCHWÄBISCH GMÜND. Da ist beispielsweise der von einem Säulenpaar flankierte Barockaltar, der um das Jahr 1700 gefertigt wurde und auf dessen Tafelbild die Heilige Dreifaltigkeit sowie die Gründungslegende dargestellt sind. Dann die drei barocken Schnitzfiguren — Gottvater mit der Weltkugel im Arm, Apostel Paulus, dessen Helmschalen Akanthuswedel zieren, Apostel Petrus, der ehrfürchtig zu Gottvater aufblickt, und ein Herrgottsruhbild, das Original aus der Kerkerkapelle des St. Salvator. Schließlich wäre auch noch das spätklassizistische schmiedeeiserne Altargitter zu nennen, das 1868 von dem Gmünder Schlossermeister Alois Renz gefertigt wurde. Die Kapelle besitzt aber auch kleine Kunstwerke, die es zu entdecken gilt, so den handgeknüpften Altarteppich, ein antiker Kelim (155 x 108 cm), der von Josefa Debler, einer ledigen Tochter des Seilers Josef Debler, im Jahre 1868 gestiftet wurde.

Dem Besucher der Kapelle fällt auch das alte, 1,42 m große Hauskreuz ins Auge, das an der Nordwand der Kapelle hängt. Dr. Richard Strobel sagt uns, dass dieses Kruzifix im 18. Jahrhundert geschaffen wurde. Es hing früher im Dachraum des Hauses Milchgasse 11, der ehemaligen „Capuziner Gaß N. 769“, das damals Anton und Maria Barbara Vogt gehörte. Maria Vogt geb. Debler wurde im Jahre 1803 geboren. Sie war die jüngste Tochter des Hauptmanns Augustin Debler (1761 — 1829), einem Bruder des bekannten Gmünder Chronisten Dominikus Debler (1756 — 1836), die beide im heutigen Gmünder Rathaus geboren wurden und dort auch aufgewachsen sind. Dominikus Debler berichtet uns, dass es damals in Gmünd vor 200 Jahren guter Brauch war, auf der „Bühne“ der Stadthäuser große Holzkreuze aufzuhängen. Sie sollten vor Unwetter und Brandgefahren schützen. Das Kreuz mit seiner 67 cm großen Christusfigur wurde im Jahre 1990 von einem Nachfahren des Hauptmanns Augustin Debler, Dr. Fridolin Kucher, der lange Zeit im Haus Milchgäßle 11 wohnte, der Balthasar-​Debler-​Stiftung geschenkt. Das stattliche Kreuz wurde nach gründlicher Restaurierung durch den Wißgoldinger Karl Fiedler in der Dreifaltigkeitskapelle aufgehängt.

Immer wieder musste die im Jahre 1693 errichtete Dreifaltigkeitskapelle renoviert werden — so auch im Frühjahr des Jahres 1905. Im Protokollbuch der „Balthasar-​Debler-​Stiftungspflege“ wird darüber u.a. folgendes berichtet: „Das ziemlich verkommene Dach wurde erneuert. Zur Abhaltung der Feuchtigkeit wurden rings um die Kapelle ein Trottoir angelegt und zwei weitere Fenster eingesetzt. Die Außen– und Innenwände wurden neu verputzt und letztere entsprechend bemalt. Besonders wurde das Altärchen renoviert mit den schönen Holzleuchtern, nach deren Muster ein 65 cm hohes Holzkruzifix von Bildhauer Britsch geschnitzt wurde“. Dieser Bildhauermeister Friedrich Britsch, der seine Werkstatt zusammen mit Altarbauer Joseph Beerhalter in der Uferstraße 3 hatte, war ein genialer Künstler, der es meisterhaft verstand, das Kreuz in der Dreifaltigkeitskapelle so ausdrucksstark und ansprechend zu gestalten, dass es beim Betrachter auch heute noch emotionale Betroffenheit hervorruft. Britsch hat das Kruzifix im Jahre 1905 „passend zu den bereits vorhandenen vier Barockleuchtern“ (§ 283 der Stiftungsratssitzung vom 18. März 1905) geschnitzt und in Blattgold sowie in Blattsilber gefasst.
Die Werke des Bildhauers Britsch waren damals auch überregional gefragt. So wurde sein im Jahre 1919 gefertigter Hochaltar in der Pfarrkirche Ohmenheim bei Neresheim in der Zeitschrift „Archiv für die christliche Kunst“ mit den Worten gewürdigt: „Der Altar spricht aus sich selbst für seinen Schöpfer. Peinlich genaue Arbeit und saubere Ausführung leisten Gewähr, dass das Werk lange Zeiten zu überdauern vermag. Dass der Erbauer mit der von ihm vorgeschlagenen Ausführung das rechte Ziel erreichte, dafür mag ihm als Beweis die allgemeine Bewunderung und der Stolz all jener Pfarrangehörigen gelten, die Sinn für das Schöne und Wahre haben“. Diesem Urteil schloss sich die Rems-​Zeitung am 28. Mai 1919 mit folgenden Worten an: „Die Würdigung seines Werkes ist für Herrn Britsch überaus ehrend und es ist sehr erfreulich, dass wir auf dem Gebiet der kirchlichen Holzbildhauerei im Bezirk Gmünd die Kräfte besitzen, denen auch größere Aufträge im Nahen anvertraut werden können“.

Lange Zeit konnten die Besucher des Kirchleins das Holzkreuz und die vier älteren Barockleuchter bewundern. Mitte der 1970er Jahre waren die Leuchter jedoch plötzlich verschwunden. Und so wurde Holzbildhauer Jörg Schulze im Jahr 1988 von der Balthasar-​Debler-​Stiftung beauftragt, vier neue Leuchter nach Art des alten Kruzifixes zu schnitzen. Schulze gelang es meisterhaft, ein kunstvolles Ensemble zu schaffen, das sich unaufdringlich in die 300 Jahre alte Feldkapelle einfügt: Nach der Technik der Fassmalerei brachte der Künstler auf die getrocknete Grundierung der Holzleuchter zunächst eine Polimentversilberung auf. Dabei verwendete Schulze eine Grundierung, welche die Wirkung der Blattgold– und Silberauflage verstärkte. Sie bestand aus vermischtem Kreidemehl, das mit Knochenleim abgebunden wurde. Auf die getrocknete Grundierung wurde dann eine Polimentversilberung aufgebracht. Danach wurde die Fassung künstlich zum Oxidieren gebracht, um die Holzleuchter in Ton und Farbe an das ältere Holzkreuz anzugleichen. Der Oxidationsvorgang wurde später von dem Holzbildhauer rechtzeitig mit einem farblosen Lack gestoppt.
Handgesticktes Bild der Josefskapelle
An der Südwand der Kapelle hängt ein 40 x 32 cm großes buntes Bild der Josefskapelle, eine Rarität, die vor 143 Jahren in Heimarbeit angefertigt wurde. Man muss schon genau hinsehen, um zu erkennen, dass es sich um eine Stickerei mit farbigen Wollfäden und nicht um ein gemaltes Bild (36 x 26 cm) handelt. Diese Wollfäden wurden damals auf einen Geweberahmen aus Stramin gestickt. Dazu waren fast 15 000 Stiche notwendig. Ein paar Stellen sind schon herausgebrochen, aber die Kapelle und das damals noch benachbarte Mesnerhaus sind noch deutlich zu erkennen. Die Stifterin dieses Kleinods war Anna Debler, Tochter des 1819 verstorbenen Thomas Debler. Sie ließ das Kunstwerk, wie auf der Rückseite des Bildes sowie im Protokollbuch der im Jahre 1616 gegründeten Balthasar-​Debler-​Stiftung vermerkt, im Jahre 1868 in Waldstetten herstellen und vermachte es danach der Dreifaltigkeitskapelle.
Eine weitere Besonderheit sind die weißen und weißgrauen Glasperlen auf dem Bild, mit denen die beiden Kreuze auf der Kapelle, die Glasflächen der Fenster und die Bildunterschrift „S. Josephs Kapelle“ herausgehoben werden. Diese Glasperlen stammen, wie mir Rainer Barth sowie Lore und Alfred Fichtlscherer vom Waldstetter Museum berichteten, von der Insel Murano bei Venedig. Vor allem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der Biedermeierzeit, liebte man feine Perlstrickereiarbeiten. Mit viel Geduld und Liebe wurden damals in bäuerlichen Familien dekorative Perltaschen, Tabaksbeutel, Dosen, Bucheinbände, Geldbeutel und Bildmotive mit diesen Glasperlen hergestellt — eine anstrengende Heimarbeit, die im 19. Jahrhundert vor allem von Frauen und Kindern verrichtet wurde. Dadurch konnte manche Not in den armen Familien des Dorfes Waldstetten abgemildert werden. Hauptabnehmer der Perlstrickarbeiten waren im 19. Jahrhundert vor allem die Niederlande, im 20. Jahrhundert die USA. In den 1930er Jahren kam die Perlstrickerei allmählich zum Erliegen.
Wie kam nun das bunte, handgestickte Bild mit dem Motiv der Josefskapelle in die Dreifaltigkeitskapelle? Die Frage ist leicht zu beantworten: Die Stifterin dieses Kunstwerks war weitläufig mit der Bürgermeisterswitwe Maria Klopfer, einer geborenen Deblerin, verwandt. Im Jahre 1668, sechs Jahre nach dem Tode ihres Mannes Michael Klopfer, verfügte sie in ihrem Testament, dass ein Teil ihres riesigen Vermögens für den Bau einer neuen Kapelle, der „Maria-​Josef-​Kapelle“ im Südwesten der Stadt, verwendet werden solle, damit dort wöchentlich eine Messe für sie und ihren Mann gelesen werden kann. Und so wurde dann drei Jahre nach ihrem Tod die Josefskapelle im Jahre 1677 erbaut. Nach dem Willen ihrer Stifterin sollte sie „die Weite und Größe der Capelle ‚Unseres Herrgottsruhe’ haben.“ Deshalb sehen sich diese beiden Kapellen auch so ähnlich.
Anna Debler hat diese Josefskapelle auch 200 Jahre später noch so geliebt, dass sie dieses Kleinod in einem farbigen Wollstickereibild festhalten — und in der Dreifaltigkeitskapelle aufhängen ließ.
Die hier beschriebenen Kunstwerke in der Gmünder Dreifaltigkeitskapelle sind wenig bekannt, weil sie so klein sind und bescheiden wirken. Doch auch diese Zeugnisse sind einzigartig und Ausdruck tiefer Volksfrömmigkeit. Beim Anblick dieser Unikate denkt man sogleich an den Münchener Dichter Christian Morgenstern, der im Jahre 1895 einmal gesagt hat: „Schön ist eigentlich alles, was man mit Liebe betrachtet“

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