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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Sogar für Bauleiter Johannes Zengerle war es eine Premiere, als wir erstmals eine komplette Ost-​West-​Tour unternahmen

„Mensch, Herr Zengerle! Hätten wir das gewusst, hätten wir doch glatt eine Flasche Sekt zum Feiern mitgebracht.“ Erstmals unternahm der Bauleiter des B 29– Tunnels mit der Rems-​Zeitung einen „West-​Ost-​Durchmarsch“ durch den Gmünder Tunnel.

Freitag, 24. Juni 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 23 Sekunden Lesedauer

Von Heino Schütte
SCHWÄBISCH GMÜND. Ja, es geht bereits tatsächlich, auch wenn die komplette Tunnel-​Tour von einem Portal bis zum anderen noch mit einigen Kletter– und Rutschpartien verbunden ist: Zunächst aus Richtung Westen mit dem Auto auf der bereits fertiggestellten Betonsohle und unter den gewaltigen Gerüsten und Maschinen des Betonschalwagens hindurch bis zum letzten Querschlag zum Rettungsstollen bei Pannenbucht 3. Dieser Punkt liegt ziemlich genau unterm Kaffeeberg und kurz vor der Unterquerung der Rems. Die würde man, so grübeln wir, über unseren Köpfen bei Hochwasser vielleicht rauschen hören? Beruhigend zu hören, was Bauleiter Johannes Zengerle anhand von 50 Zentimeter dicken Stahlbetonschichten, darunter verschweißten Kunststoffbahnen, Dämmschicht und Spritzbeton zu verdeutlichen weiß: Im Endausbau ist die insgesamt 2,2 Kilometer lange Straßenröhre mitsamt des Systems der Seiten– und Rettungsstollen so hundertprozentig wasserdicht wie das Becken eines Schwimmbads. So freuen wir uns auf die letzte Etappe unserer Tunneltour durch den 1686,88 Meter langen bergmännischen Bauteil. Da vorne grüßt bereits das Sonnenlicht. Die Betonarbeiter in der 23 Meter tiefen Zielbaugrube an der Pfitzerkreuzung wundern sich ein wenig über die Wanderer, die da aus der Röhre kommen und über die Barrieren klettern. Staunend stehen wir noch an den offenen Felsformationen. Zengerle schätzt, dass wir an dieser Stelle gerade den Blick auf die Erdgeschichte vor etwa 200 bis 220 Millionen richten. Da kriegt man natürlich Ehrfurcht und Gänsehaut zugleich. Und nun kommt der Mensch und baut mit 220 000 Kubikmetern Beton und 32 000 Tonnen Baustahl da unten eine Fahrröhre mittendurch, um die „nur“ 850 Jahre alte Stauferstadt endlich von der Blechlawine zu befreien. Der Tunnel ist durchaus ein Ort, wo man neben der Hochachtung vor der Kunst der Ingenieure, Mineure und Betonbauer auch das Philosophieren lernen kann. Spätestens beim noch einsameren Rückmarsch durch den endlos erscheinenden Rettungstunnel oder aber auch bei der „Einkehr“ in der „Tunnel-​Kathedrale“. So nennen ja schon viele „Insider“ den riesigen unterirdischen und tonnenförmigen Hallenbau, etwa 127 tief unterm Lindenfirst gelegen. Diese Technikkaverne, die das Abluftwerk aufnehmen wird, ist 75 Meter lang und 15 Meter hoch. Am Ende führt der Entlüftungsschacht durch den Berg hinauf zum 33 Meter hohen Lindenfirst-​Kamin. Neben der riesigen Kaverne befindet sich noch eine weitere Riesengruft für weitere technische Anlagen.
Direkt hier an der Tunnelmitte steht derzeit der vierteilige Betonschalwagen. Einem mächtigen Güter– und Bauzug gleich, bewegen sich die Monster auf Schienen im langsamen Zehn-​Meter-​Takt von West nach Ost, um Kalotte und Strosse (Decke und Seitenteile) zu betonieren. Weit voraus eilt der flache Betonschalwagen für die Befestigung der Sohle. Durch die Aufweitung an der Pannen– und Kavernenbucht in der Tunnelmitte ist die Schalwagen-​Fahrt ein wenig ins Stocken geraten, weil es hier viel mehr Nischen und Kanten zu betonieren gibt. Da müssen die Betonbauer von ihren mächtigen Maschinen runter und werden zu Schreinern, indem sie vor der „Weiterfahrt“ maßgeschneiderte Schalbretter aussägen, verschrauben und nageln. Weiter vorne Richtung Westportal wird bereits die abgehängte Betondecke mit ihren späteren Lüftungsklappen montiert hinter der sich der Ab– bzw. Frischluftkanal befindet. Das spätere Aussehen des Tunnels kann man hier bereits erahnen. An der Sohle beginnt zum Jahreswechsel das Aufschütten des Straßenfundaments und der endgültige Fahrbahnbau. „Ganz normale Straßenbautechnik dann“, meint Johannes Zengerle gelassen. Doch wir staunen pausenlos. Eine solche Baustelle haben die Gmünder noch nie gesehen und werden sie gewiss auch nie mehr sehen.

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