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Kreisverband Bildung und Erziehung sieht Einführung der neuen, einfachen Schrift mit Skepsis

Zum neuen Schuljahr werden landesweit an 16 Grundschulen Schüler eine neue, einfachere Schrift ausprobieren, die Grundschrift. Der Kreisverband Bildung und Erziehung (VBE) Ostwürttemberg sieht das mit Skepsis.

Samstag, 27. August 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
1 Minute 36 Sekunden Lesedauer

OSTWÜRTTEMBERG (pm). Aus der Sütterlinschrift (ab 1915 in Preußen) wurde zwanzig Jahre später die „Deutsche Volksschrift“. Nach dem zweiten Weltkrieg mussten die Schüler ne – ben den Druckbuchstaben die „Lateinische Ausgangsschrift“ schreiben, deren Rundungen und Schnörkel manchem Pädagogen später ein Dorn im Auge waren. Das „Schönschreiben“ als eigenständiges Unterrichtsfach in Deutsch war schon lange abgeschafft, da durften Schulen ab den Neunziger Jahren auch die „Vereinfachte Ausgangsschrift“ verwenden. So konnte es sein, dass an zwei Grundschulen eines Ortes die Schüler unterschiedliche Schreibschriften lernten. Nach einem Umzug der Familie sollte sich dann nicht der Schüler umstellen, sondern der neue Lehrer musste gegebenenfalls „zweigleisig“ schreiben. Jetzt wird probeweise ein „drittes Gleis“ dazukommen.
Weil angeblich ein Drittel der Jungen und zehn Prozent der Mädchen am Ende der Grundschulzeit eine unleserliche Handschrift haben, will man im kommenden Schuljahr an 16 Schulen die Grundschrift erproben, eine Art Druckschrift, dessen Buchstaben sich gelegentlich berühren.
„Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen“, kommentiert der VBE-​Sprecher den Vorstoß. „Weil einige Schüler Probleme mit der Schreibschrift haben, sollen alle anderen die vereinfachten Buchstaben schreiben. Nicht die mit der schlechteren Schrift müssen sich mehr anstrengen; nein, die anderen dürfen sich ein wenig mehr ‘gehen lassen´ und das, obwohl bereits jetzt jedem Kind mit einer gravierenden Behinderung ein Nachteilsausgleich gewährt werden kann.“
Nicht nur die Schreibschrift bereitet Kindern Probleme. Manche Schüler tun sich mit dem Kopfrechnen unheimlich schwer. „Dürfen deshalb künftig alle Kinder grundsätzlich einen Taschenrechner verwenden?“, fragt der VBE-​Sprecher. Etliche Schüler kämpfen mit der Groß– und Kleinschreibung. „Dürfen da – her alle alles klein schreiben?“ Es gibt Schüler, die können sich keine Vokabeln merken, haben körperliche Probleme im Sportunterricht, können nicht schön malen oder gut singen. Und viele wissen sich nicht zu benehmen.
In letzter Konsequenz müsste man schließlich das für alle abschaffen, was einzelnen Kindern Mühe macht. Wenn diese stets in Watte gepackten jungen Menschen später erwachsen sind, wird sich garantiert keiner mehr finden, der ihnen weiterhin alle Steine aus dem Weg räumt. „Versagen wir daher den Schülern keine qualifizierte Hilfe, wo immer sie Unterstützung benötigen; aber nehmen wir die Leistung der Schwächelnden nicht als den Maßstab für alle“, bringt der VBE-​Sprecher die Problematik aus seiner Sicht auf den Punkt.

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