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Kalter Markt: Die Ellwanger und ihre Gäste trotzten dem Wetter

Popcorn, Pferdeäpfel, Wurst, Leder und Glühwein. Auf dem Schießwasen mischen sich all die Gerüche, die den Kalten Markt ausmachen. Wie jedes Jahr drängelten sich Besucher, Pferdebesitzer und Aussteller auf dem Gelände.

Dienstag, 10. Januar 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer


ELLWANGEN (an). Da steht sie und stupst Katharina Mayer ungeduldig gegen den Arm. Patrizia will ein Leckerli. Das hat sie sich verdient. Gerade eben hat sie die junge Konkurrenz beim Kalten Markt alt aussehen lassen und das mit stolzen 25 Jahren. Als Siegerstute beim Kalten Markt darf man schon etwas eigenwillig sein, vor allem, wenn zwei Nachkommen in S-​Springen erfolgreich sind und andere in der Dressur und beim Vielseitigkeitsreiten eine gute Figur machen.
„Patrizia ist so fit, dass sie einigen jüngeren davon traben könnte“, lobte Landoberstallmeisterin Dr. Astrid Velsen-​Zerweck. Und so wurde die Seniorin Siegerstute bei den Warmblütern. Die jüngste Stute bekam dafür den Detlev-​von-​Welck-​Preis: „Quinta ist noch keine drei Jahre alt und bleibt so ruhig und gelassen, sie bekommt den Preis zu Recht. Doch auch alle anderen Pferde und Gespanne hätten eine gute Figur gemacht, sagte die Chefin des Haupt– und Landgestüts Marbach. Leicht hätten es die Züchter nicht. Zu viele Pferde überschwemmen den Markt, die Preise sinken, gleichzeitig wächst die Konkurrenz ums Grünland, weshalb die Pachtpreise steigen. Doch das werde auch wieder anders, sagte Velsen-​Zerweck und forderte die Züchter auf: „Verhalten Sie sich antizyklisch und bringen Sie Ihre Stuten zum Decken.“
Der Kalte Markt verströmt Optimismus, fand Oberbürgermeister Karl Hilsenbek und machte das auch gleich selbst. Mit Marktplatzumgestaltung und Bundeswehrgelände habe man nach einem turbulenten Jahr 2011 zwar ein arbeitsreiches Jahr 2012 vor sich, doch das werde man zuversichtlich angehen, versicherte er den vielen Reitern, Fahrern, Ellwangerinnen und Ellwangern auf dem Marktplatz. Der Kalte Markt ist Wirtschaftsförderung schlechthin, hatte Hilsenbek zuvor schon beim Frühschoppen im Roten Ochsen gesagt; die Resonanz auf die Technikmesse sei hervorragend, der Grüne Ball gut besucht, der Auftakt fürs Neue Jahr schon mal gelungen. Dicht drängten sich die Gäste im Lokal zu Kuttelsupp’ und Pferdewitzen und natürlich zum Kalten-​Markt-​Lied, das Metzgermeister Franz Schenk schmetterte und bei dem man zum Refrain „die Musik und der Paukenschlag“ so schön auf den Tisch hauen kann.
„Hey, hey“, anfeuern, Mütze schwenken und ab geht der Ponyexpress, vorbei an den vielen Zuschauern, die gestern auch im Sprühregen in Dreierreihen am Straßenrand standen. Der Kalte Markt ist eher nass als kalt, dagegen helfen beim Umzug grüne Jägerhüte, Batschkappen, Basecaps, sogar ein Südwester wurde gesichtet. Würdig schritt und ritt die Bürgergarde vorne weg mit Kanone, Lanzen und Gewehren. Ellwangen wird gut bewacht, oder doch nicht? Einige Schweden aus Dinkelsbühl, die Garde aus Crailsheim, Salzsieder aus Hall und ein Freizeitritter aus Berg sind ihnen freilich durchgeschlüpft.
Schwer was her machten der Sechsspänner mit den gewaltigen Kaltblütern und ein Achtspänner, die historischen Wagen der Kaltblutfreunde aus Dettenroden und der alte Spritzenwagen der Feuerwehr Wasseralfingen-​Hofen. Der Wagen der Heimatsmühle wart bis obenhin bepackt mit großen Mehlsäcken und trotzdem so schnell, dass die liebreizenden Müllerinnen und tatkräftigen Müller im Galopp hinterher rannten. Noch etwas schüchtern lächelten die goldigen Rieser Bauernmädle in die Menge – sie saßen zu zweit auf dem Pferd und waren sichtlich froh, dass Mami das Pferd fest am Zügel hatte. Das nützte bei den Shettys nicht so viel, sie waren so eigenwillig wie klein und hinter den Zuschauerreihen kaum zu sehen
Popcorn, Pferdeäpfel, Wurst, Leder, Bier, Stroh und Glühwein — auf dem Schießwasen mischten sich all die Gerüche, die den Kalten Markt ausmachen. Technikmesse, Stutenprämierung und Würstlesbuden, alles war nahe beieinander. Wie jedes Jahr drängelten sich Besucher, Pferdebesitzer und Aussteller auf dem Gelände. Die Pferdehänger standen in Reih und Glied. Wiehern ertönte, Hufgeklapper war zu hören. Gleich daneben stand ein Rettungswagen des DRK. „Bis jetzt ist glücklicherweise nichts passiert“, meinte Rolf Leonardt: „Doch wenn ein Pferd ausschlägt, kann es zu schlimmen Verletzungen und Frakturen kommen.“ Leonardt ist jedes Jahr als Sanitäter beim Kalten Markt im Einsatz.
Graf Josef von Immenhofen war zum 63. Mal auf dem Kalten Markt. Als Pferdezüchter habe er über 40 Jahre teilgenommen, sagt der Rentner. „Für die Anreise aus Westhausen haben wir uns einen Tag vor dem Kalten Markt getroffen. Dann sind wir gemeinsam mit der Kutsche oder dem Schlitten Richtung Ellwangen aufgebrochen. Hänger hatten wir noch nicht. Im Roten Ochsen gab es Unterstände für die Pferde. Dort haben wir uns zu ihnen ins Stroh gelegt. Morgens um 4 Uhr sind wir wieder aufgestanden, haben die Tiere fertig gemacht und sind zum Kalten Markt. Am gleichen Abend ging es mit Laternen an den Kutschen zurück.“ Nun schaute er sich an, wie andere die Pferde anspannten. Bei der Stutenprämierung stand er in der ersten Reihe.
Für die Prämierung der Gespanne und der Stuten, mussten die Besitzer eine Startgebühr zahlen. Gleich neben dem Rondell für die Gespanne stand der Bauwagen, in dem Josef Groß mit seinen Kollegen die Startgebühr für 81 Stuten und 51 Gespannen kassierte. Seit 3.30 Uhr war Groß im Einsatz. „Es ist mal was anderes“, sagt er. Kalter Markt eben, etwas Besonderes, für Ellwangen und die ganze Region.

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