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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Kolping-​Musiktheater: Zu Gast bei den Kulissenbauern um Reiner Schmid

Das Zimmerchen, das Kettenkarussell, der Kleiderschrank, der Fahrstuhl: Wie nur lässt sich auf der großen Stadtgartenbühne die Intimität so kleiner Räume schaffen? Mit Raffinesse. Und Das war nur eine Herausforderung des Kulissenbaus für „Sweet Charity“.

Samstag, 21. Januar 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 46 Sekunden Lesedauer


SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Acht Szenenwechsel im ersten Akt, zehn im zweiten. Wenn das Publikum ob des eigentlich zu erwartenden Gezerres und Geschiebes nicht die Lust verlieren soll, muss für die Kulisse eine elegantere Lösung gefunden werden. Reiner Schmid und sein Team haben sich sich für einen Würfel entschieden, vier mal vier Meter, aus denen mittels Klappen auch mal acht Meter werden. Das Ding kann gedreht und von jeder Seite bespielt werden, es dreht sich in sich; es gibt Klappen mit sieben Flügeln und sogar Drehflügel. „Züge von oben unterstützen den Umbau mit weiteren Wänden“, so Schmid. Und vor allem wirken Licht und Farbe. Der Würfel ist nämlich weiß: „Im Weiß ist jede Farbe daheim“, hat er mal irgendwo gelesen, und so kann er’s problemlos nach Belieben farbenfroh werden lassen. Unterschiedlichste Leuchtschriften, die für den Fandango-​Club werben oder die U-​Bahn ausschildern, tun ein übriges: Sie sind armhoch, aber das ist auch das einzige gemeinsame Merkmal. Mal leuchten sie von selbst, mal werden sie beleuchtet, dann wieder sind sie Relief. Keine Frage: Dieser Würfel ist ein richtig schönes Spielzeug, das auch den Inhalt trägt, sprich dem Spielerischen gerecht wird. Spielraum halt. Und Lichtraum.
Ob der Würfel wirklich so funktioniert, wie es das Modell verheißt: Der Aufbau im Stadtgarten am 4. und 5. Februar wird’s zeigen. Aber keine Angst: Wie immer darf Schmid mit richtig Guten arbeiten. Willi Krug, der wie so viele hier jahrzehntelange sein Geld damit verdient hat, zuzupacken und Probleme zu lösen, opfert in diesen Wochen ebenso Stunde um Stunde seines verdienten Ruhestands wie Herbert Moll, der ein Baugeschäft geführt hat, und nun zufrieden damit ist, Bretter zu bewegen, die die Theaterwelt bewegen. „Einer muss es ja machen“, erklären die beiden ihre Bereitschaft, dem Ehrenamt so viel Zeit zu schenken. Mit dabei sind zudem unter anderem Joachim Reißmüller, der als Ober und als Spanier auch auf der Bühne stehen wird, Eva Schneider, Franziska Huber mit Mutter und Tochter, außerdem Hubert und Petra Paul, die von ihren Kindern unterstützt werden.
Vor sechs Jahren hat Reiner Schmid für „Anything goes“ den unvergessenen Luxuskreuzer entworfen: Seither kümmert er sich ums Kolping-​Bühnenbild. Der gebürtige Lindacher hat einen Handwerksberuf erlernt, bevor er sich als Bildhauer ein anderes Leben aufbaute. Geschadet hat dieser Werdegang nicht; geblieben ist stets der Blick fürs Machbare, fürs Praktische – so achtet er darauf, dass Kulissen mit ein bisschen neuer Farbe auch für andere Produktionen umgebaut und genutzt werden können. Mehr noch als die technische Umsetzung verlangt ihm freilich die Auseinandersetzung mit dem Stück ab, dem gerecht zu werden er die „Kür“ seiner Aufgabe nennt. Daran wächst er, sagt er. Immer, und um so mehr, wenn es um ein Stück geht, das nicht plätschert, sondern tief gründet.
Bei aller Unterhaltung: Am Anfang war ein Fellini-​Film, „Die Nächte der Cabiria“ – erwartungsgemäß schwerer Stoff, der auch ins Musical hineinwirkt. So ist Sweet Charity für Reiner Schmid „ein weiblicher Don Quichote“, eine zudem, die nichts so sehr verkörpert wie die Hoffnung. Sich auf Ernst Blochs „Prinzip Hoffnung“ beziehend, macht Schmid deutlich, dass gebrochene Wunschbilder, die sich nicht entfalten können, Menschen verführbar machen. Freude auf Befreiung ist Thema, Trotz und immer wieder fröhliche Zuversicht. Bei aller Last, bei allem Laster: „soo süß“ sei diese Sweet Charity, schwärmt Schmid. Diese Kleine, die immer scheitert und nie aufhört, das Leben zu umarmen. Das sei es, was dieses Stück so wunderbar mache, und diese Stimmung will er mit dem Bühnenbild, mit den Farben und mit allgemeingültigen Symbolen transportieren.
Wie immer soll das Publikum miterleben, mitfühlen, teilhaben an Musik und Träumereien. Dazu müssen die poetischen Motive ankommen. Und um das möglich zu machen, braucht es ein Vermögen, das den ganz großen Produktionen zur Verfügung steht, oder eben, wie in Gmünd, einen, der sich nicht nur über Richtungen und Perspektiven und schnelle Szenenwechsel Gedanken macht.


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