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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Zustand und Belastung der Bäume in der Innenstadt unter die Lupe genommen

Das Abholzen einiger Bäume im Bereich Bocksgasse/​Johannisplatz in Gmünd hatte zu Beginn des Jahres bei vielen Bürgern Proteste zur Folge gehabt. Vielen war vermutlich nicht bekannt, in welchem Zustand diese Bäume waren und mit welchen schwierigen Bedingungen die Bäume im Altstadtbereich auskommen müssen.

Donnerstag, 13. September 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

Von Peter Tobies
SCHWÄBISCH GMÜND. Ein anschauliches Beispiel liefern zwei Bäume, die an der Gasse vom Münsterplatz zur Bocksgasse stehen. „Die Rinde ist das Gesicht des Baumes und zeigt seinen Gesundheitszustand an“, so sagt der Förster. Am Vogelbeerbaum rechts im Bild sieht man, wie krank der Baum ist. Obwohl schon etwa 30 Jahre alt, misst der Stammumfang gerade mal 20 cm. Der Baum ist durch ungünstige Standortbedingungen völlig unterernährt! Die am ganzen Mittelstamm aufgebrochene Rinde kündigt das nahe Ende an. Dem Mehlbeerbaum links geht es nicht viel besser: Die Stammbasis ist ringsum geschädigt und die Rinde ebenfalls teilweise aufgebrochen.
Und ähnlich sahen auch die Bäume in der Bocksgasse aus, um die es so viel Aufregung gab und die für die Staufersaga –Tribüne gefällt werden mussten. Zur Versachlichung der Diskussion um die Entfernung solcher Bäume erscheint es notwendig, die Standortfaktoren der Bäume im Kerngebiet der Stadt zu beleuchten. Die Hauptursache für das schlechte Gedeihen der Bäume im Altstadtbereich liegt vor allem am Stadtklima. Als „Stadtklima“ bezeichnet man „das gegenüber dem Umland veränderte Lokalklima in Stadt– und Industrielandschaften“. Die besseren Bedingungen für die Bäume, wie man sie z.B. im Taubental, Stadtgarten oder am Josefsbach entlang vorfindet, sind in der Innenstadt nicht vorhanden.
Kennzeichnend für das „Stadtklima“ ist vor allem die dichte Bebauung. Die zahlreichen Häuserwände, Dächer und Mauern vergrößern die Oberflächen, die von der Sonne aufgeheizt werden um ein Vielfaches. Jeder, der noch nachts in der Innenstadt unterwegs war, kennt die trocken-​warme Luft, die noch bis in die frühen Morgenstunden von den Baumaterialien abgestrahlt wird. Die Durchschnittstemperatur in der Innenstadt liegt nachts gegenüber dem Umland um einige Grade höher. Zur kühlenden Taubildung kommt es hier nicht.
Ungünstig für das Innenstadt-​Klima ist es, dass die Häuser und schmalen Gassen die Windgeschwindigkeit bremsen und damit eine Durchlüftung und den Zustrom kühler Luft verhindern. Ein ungünstiger Nebeneffekt ist gleichzeitig, dass die Luftschadstoffe nicht abtransportiert werden können. Hinzu kommt die vom Menschen erzeugte Wärme aus den vielen Heizungen, der Lichter, der Kraftfahrzeuge und Klimaanlagen.
Die Bäume haben unter dieser Aufheizung zu leiden und befinden sich ständig am Rande der Verdurstung. Der Regen kann den Wasserbedarf der Bäume kaum decken, weil das Regenwasser durch die Bodenversiegelung, über das Straßenpflaster und den Asphalt zu schnell durch die Kanalisation abfließt.
Wer sich einmal vorstellt, dass noch vor 40 Jahren der Autoverkehr durch die Bocksgasse rollte und schwere Lasten seit Jahrhunderten den Untergrund verfestigten, kann sich denken, dass ein Baum in diesen Boden keine Wurzeln treiben kann. Der gesamte Untergrund der Stadt hat durch die zahllosen Kanalisationsröhren den Grundwasserspiegel soweit abgesenkt, dass er für die Bäume kaum noch erreichbar ist und die „Durstsituation“ noch verschlimmert.
Schließlich kommen noch weitere Faktoren hinzu, die oft unbeachtet bleiben: Die Putz– und Spülmittel, die allwöchentliche die Treppen und Geschäftseingänge reinigen, versickern oftmals in der Nähe der Bäume, wo die Stadtgärtner fürsorglich „Baumscheiben“ freilassen, damit das Regenwasser hier eindringen kann. An diesen Bäumen setzen aber auch Hunde bevorzugt ihre „Duftmarken“ in Form von ätzendem Hundeurin ab, der den Wurzeln der Bäume sehr schadet. Jeder weiß, dass auch das Streusalz zum „Verdurstungseffekt“ bei Bäumen und Sträuchern führt.
Die hier am Beispiel „Bocksgasse“ gezeigten Standortfaktoren zeigen, dass die Lebensbedingungen für Bäume in der Altstadt leider denkbar schlecht sind. Unseren Stadtgärtnern sind diese Umstände bekannt und sie erschweren ihre Arbeit erheblich, darum sind Naturschutzargumente an dieser Stelle nicht angebracht und engen den Handlungsspielraum unnötig ein.
Zwei weitere Beispiele von alten Eichen im Stadtgebiet sollen zeigen, dass leider (!) Handlungsbedarf besteht, weil alte, ehrwürdige Bäume eben auch ein Sicherheitsrisiko bedeuten können.
1.Wulstiger Lackporling (Ganorderma adspersum). Dieser ansehnliche Großporling kann gegenwärtig an der alten Eiche am Spielplatz Bocksgasse/​Turniergraben beobachtet werden. Dieser prächtige Baum leidet unter den ungünstigen Lebensbedingungen (Wassermangel, Streusalz, Hundeurin u.a.). Diese Bedingungen haben die Abwehrkraft des Baumes so geschwächt, dass der Pilz in die Stammbasis eingedrungen ist und die Standfestigkeit der Eiche gefährdet. „Rettungsmaßnahmen“ sind in diesem Falle zwecklos.
2. Riesenporling (Meripilus giganteus) an der alten Eiche in der Weststadt von Gmünd, am Eingang zur Schirenhofstraße: Dieser Baum stand vor wenigen Jahren bereits in der Diskussion und wurde von Naturfreunden am Schirenhof vor dem Fällen „gerettet“. Seile haben bisher ein Umstürzen des Baumes verhindert. Normalerweise sind Eichen durch die Gerbsäure in der Rinde vor Pilzbefall geschützt (die Gerbsäure schützt den Baum wie ein Holzschutzmittel). Bei Wegearbeiten wurde die Rinde offensichtlich beschädigt. Über diesen Infektionsweg konnte der Riesenporling in den Baum eindringen. Riesenporlinge verursachen eine intensive Weißfäule, die sowohl die Wurzeln wie auch das Kernholz in der Stammbasis zerstört.
3. Schwefelporling (Laetiporus sulphureus): An derselben Eiche konnten im Mai/​Juni dieses Jahres die schwefelgelben Pilzfruchtkörper beobachtet werden. Schwefelporlinge sind berüchtigt als gefährliche Feinde alter Eichen. Das harte Kernholz wird durch das Pilzmycel im Stamm in eine pulverige braune Masse umgewandelt. Beide Porlinge setzen die Standfestigkeit des Baumes durch Zerstörung des Kernholzes herab und erhöhen damit die Wurfgefahr. Nach der Fachliteratur „ist dem Baum auch durch chirurgische Maßnahmen nicht mehr zu helfen, sie verursachen unnötige Kosten.“ Hier wäre es sinnvoll, möglichst rasch eine neue Eiche zu pflanzen.

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