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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Schlaglicht auf versteckte Armut

Nie gab es soviele Widersprüche und Klagen wie gegen Hartz IV, wie die auf die pauschalierte Sozialhilfe abgesenkte Grundsicherung für Arbeitslose genannt wird. Der seit den 1980er-​Jahren stattfindende „Umbau des Sozialstaates“ habe zu Beschränkungen von Transferleistungen, zur Einschränkung sozialer Rechte und zur Privatisierung von Lebensrisiken geführt, meint die Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-​Württemberg.

Freitag, 11. Oktober 2013
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 28 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (rw). Arbeitsmarkt-​, Renten– und Gesundheitsreformen hätten tiefe Einschnitte ins soziale Netz zur Folge gehabt. „Arbeitsmarktferne“ Menschen nehme der allgemeine Arbeitsmarkt kaum noch auf.
Die Liga-​Mitglieder Caritas, Diakonie und DRK in Schwäbisch Gmünd schließen sich der landesweiten Aktionswoche vom 14. bis 20. Oktober an, die unter dem Motto steht: „Arbeitslos, wohnungslos, rechtlos? Auch Arme haben Rechte.“ Die Aktionswoche zielt darauf ab, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern, die soziale, berufliche und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen – auch über öffentlich geförderte Beschäftigung –, das Recht auf bezahlbaren Wohnraum sicherzustellen und den gleichberechtigten Zugang zum Rechtssystem zu gewährleisten. „Es gibt die verschämte Armut. Die Träger machen die Erfahrung, dass diese Menschen nicht an die Öffentlichkeit gehen. Der Normalbürger hat den Eindruck, denen geht’s eigentlich ganz gut. Das ist nicht so“, schildert Wolfgang Lohner von der Caritas-​Wohnungslosenhilfe. Der Image-​Aspekt, die Zuschreibung des Status als sozial schwach, bei gleichzeitigem Zusammenstreichen der Hilfen kommen zusammen. Für Hartz-​IV-​Empfänger seien Verschlechterungen eingetreten. „Dabei sind sie nicht bemitleidenswerte Opfer. Die meisten versuchen ihr Schicksal zu meistern und wollen wieder rauskommen.“
Hartz IV könne jeden treffen, sagt Sonja Duschek (DRK), auch Leute aus der Mittelschicht. Sie, Wolfgang Lohner, Petra Wertner-​Penteker (Diakonie) und Gisela Vogt-​Ziegler (DRK) beschreiben die Situation. Mit dem Regelsatz von 382 Euro im Monat komme man nicht weit. Für Nahrung und Getränke sind beispielsweise 4,52 Euro am Tag vorgesehen. Wolfgang Lohner: „Wenn man sehr sparsam lebt, kommt man damit zurecht. Aber sobald die Waschmaschine kaputt geht, wird es schwierig. Es reicht hinten und vorne nicht.“ 10 Euro für die Mitgliedschaft im Sportverein seien im Monat für Kinder drin, ergänzt Wertner-​Penteker, „aber kein Geld für den Trainingsanzug, Schuhe und den Ausflug. Sie können am Geschehen nicht richtig teilnehmen.“
Was es bedeutet, in dieser Situation zu stecken, wollen die Liga-​Mitglieder an einem Infostand während der Aktionswoche darstellen: Sie greifen die Doppelbedeutung von „Los“ auf – als Synonym für Schicksal wie für Lotteriezettel, aber auch als Nachsilbe, die einen Mangel anzeigt: Am Stand gibt es also „Arbeitslose“ und „Wohnungslose“ mit kurzen Beschreibungen von Schicksalen. Etwa: „Alleinerziehende Mutter von drei Kindern, Hartz IV, versucht ihren Kindern einen guten Bildungsabschluss zu ermöglichen“. Oder „Wohnungslos geworden, versucht in Gmünd einen Neuanfang.“ Man kann sogar etwas gewinnen: Eine „Stadtführung von unten“ mit dem Autor Jörg Eibisch. So will man Verständnis wecken, zumal man weiß, dass es nicht einfach ist, mit diesem Thema ins Gespräch zu kommen. Im Second-​Hand-​Laden des DRK in der Kornhausstraße arbeiten Arbeitslose, auch in der Wäscherei und Kleiderausgabe des DRK. Nach Ende von Maßnahmen arbeiten sie ehrenamtlich weiter. „Sie geben der Gesellschaft etwas. Aber das wird nicht bewusst, man registriert nur die Transferleistungen.“ Silhouetten von dort Beschäftigten werden mit biographischen Angaben und Hinweisen auf persönliche Stärken am Infostand gezeigt.
Der „Stammkunden-​Kreis“ im Second-​Hand-​Laden sei in den acht Jahren seines Bestehens größer geworden, sagt Sonja Duschek. Für Nachfrage sorgt auch eine zunehmende Altersarmut. Positiv sei die Solidarität, die sich hier zeige.
Um Solidarität ist es der Liga schließlich am Infostand zu tun. An diesem Tag sollen die betroffenen Menschen mit ihren Themen und Potenzialen in den Vordergrund gestellt werden.

Aktionswoche der Liga der freien Wohlfahrtspflege vom 14. bis 20. Oktober. Caritas, Diakonie und DRK informieren am Mittwoch, 16. Oktober, von 10 bis 16 Uhr mit einem Stand auf dem Johannisplatz.

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