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Allgemeines Entsetzen: Steelcase schließt Werk in Durlangen

„Großes Entsetzen; ich bin bleich geworden.“ So die Reaktion von Durlangens Bürgermeister Dieter Gerstlauer gestern auf die Nachricht, dass die Firma Steelcase ihr Werk mit 265 Arbeitsplätzen Ende 2015 dicht macht.

Donnerstag, 17. Oktober 2013
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

DURLANGEN (ml). „Im Rahmen seiner globalen Strategie unternimmt Steelcase, weltweit Marktführer in der Herstellung von Büroeinrichtungen und innovativen Raumlösungen, zukunftsweisende Schritte zur Sicherung seiner Wettbewerbsfähigkeit in der Region EMEA (Europe, Middle East, Africa). Diese zielen vor allem auf eine Verschlankung der internen Kostenstruktur, umfassen aber auch Maßnahmen zur nachhaltigen Steigerung des Umsatzes.“
So informierte Steelcase heute Betriebsrat und Mitarbeiter in seinem Werk Durlangen über Pläne zur Schließung des Werkes sowie zur Errichtung einer neuen Fertigungsstätte in St®ibro nahe Pilsen in der Tschechischen Republik. Diese soll die Produktion aus Durlangen, wo aktuell 265 Mitarbeiter beschäftigt sind, schrittweise übernehmen. Von der Verlagerung erwartet das Unternehmen Kosteneinsparungen in Höhe von zehn Millionen US-​Dollar pro Jahr. Nach den Plänen des Unternehmens soll die Verlagerung im Frühjahr 2014 beginnen und innerhalb eines Jahres abgeschlossen sein. Die zweite deutsche Produktionsstätte des Unternehmens im oberbayerischen Rosenheim ist davon nicht betroffen.
Wie die gesamte Büromöbelbranche hat auch Steelcase seit Jahren mit starkem Preisdruck, einem schrumpfenden Markt sowie hohen Kosten zu kämpfen. Zwar konnte das globale Unternehmen seine Marktanteile in der EMEA-​Region halten, verzeichnete dort jedoch gleichzeitig in den letzten drei Jahren hohe Verluste, die, so die Geschäftsleitung, „nicht hinnehmbar sind“. Um die Zukunft von Steelcase in dieser Region weiter zu sichern, seien daher umfangreiche Kosteneinsparungen unumgänglich geworden.
Nach Einschätzung von Steelcase dürfte das wirtschaftliche Umfeld in Westeuropa schwierig bleiben und sich auf die Nachfrage nach seinen Produkten in der EMEA-​Region auswirken. Die gestern verkündeten Pläne sind – ebenso wie eine Reihe bereits vorher eingeleiteter Maßnahmen — Teil einer laufenden, auf mehrere Jahre angelegten Strategie mit dem Ziel, den Umsatz zu steigern sowie das Unternehmen fit für die Zukunft zu machen. Bis die Maßnahmen dieser Strategie vollständig greifen und sich das wirtschaftliche Umfeld in Westeuropa verbessert, geht das Unternehmen davon aus, in der Region weiterhin bereinigte operative Verluste zu verzeichnen.
Guillaume Alvarez, als geschäftsführender Vizepräsident bei Steelcase für diese Region zuständig, erklärte: „Wir arbeiten in Europa in einem wirtschaftlich sehr herausfordernden, sich schnell wandelnden Umfeld. Wir werden es nur schaffen, unsere Marktführerschaft zu behaupten und unsere Verluste zu stoppen, wenn wir auch bei den Kosten wettbewerbsfähig sind. Wir bedauern die Schließung unseres Werkes in Durlangen und werden alles dafür tun, in Zusammenarbeit mit unserem Betriebsrat für die betroffenen Mitarbeiter eine faire Lösung zu finden.“
Steelcase-​Chef James Keane erklärte, es müsse alles getan werden, den Marktanteil zu steigern und wieder in die Gewinnzone zurückzukehren. Auch er betont: „Es ist uns ein großes Anliegen, alle betroffenen Mitarbeiter fair zu behandeln, vor allem im Hinblick auf ihre lange Betriebszugehörigkeit, in der sie sich für unser Unternehmen und unsere Kunden eingebracht haben.“
Für Dieter Gerstlauer war der Anruf des Werkleiters ein Schock. „Ein ähnliches Szenario hatten wir ja schon mal mit der Vorgängerfirma Waiko. Das ist eine unheimlich schlechte Nachricht“, erklärte Durlangens Bürgermeister im Gespräch mit der Rems-​Zeitung. „So ist das heute mit der Produktion: Schon geringe Lohnkosten-​Vorteile können zu solchen Entscheidungen führen“, meint der Schultes.
„Die Entwicklung ist in mehrerlei Hinsicht tragisch“, fährt Gerstlauer fort. „Zum ersten natürlich für die Leute, die dort zum Teil seit Jahrzehnten arbeiten. Zum Anderen aber auch für die Gemeinde durch die verloren gehende Kaufkraft.“
Wenigstens, so der Bürgermeister, habe bis zum endgültigen Ende des Unternehmens jeder Betroffene eine gewisse Reaktionszeit. Und zum Glück herrsche ja, wie immer wieder beklagt werde, Fachkräftemangel, so dass die Chancen der Beschäftigten nicht so schlecht sind, wie sie es zur Zeit des Waiko-​Niedergangs waren.
Was die Immobilien angehe, so werde er sich zu gegebener Zeit mit den Eigentümern in Verbindung setzen. Steelcase hat das Gelände von der Scholz-​Liegenschaftsverwaltung gepachtet. Er sei guter Hoffnung, in Kooperation eine Nachnutzung zu finden, meint Dieter Gerstlauer.
Aus allen Wolken gefallen ist auch die für Steelcase zuständige IG-​Metall-​Sekretärin Felicitas Nick: „Das ist eine völlig überraschende Information. Das Werk ist profitabel, wesentlich mehr als die Produktion in Frankreich. Durlangen arbeitet hoch rationell und hat eine super Auslastung. Gerade wurde eine neue Anlage aufgebaut – ich bin fassungslos“, sagte sie am Telefon der Rems-​Zeitung.
Aktuell laufe bei Steelcase Durlangen noch ein Beschäftigungssicherungs-​Vertrag, allerdings nur noch bis Ende dieses Jahres. Sie werde sich morgen mit dem Betriebsrat treffen. „Ich glaube nicht, dass wir uns das so gefallen lassen“, sagte die hörbar schockierte IG-​Metall-​Gewerkschafterin.
Auf dem Steelcase-​Betriebsgelände waren gestern noch keine Protestkundgebungen zu erkennen. Auch die Beschäftigten hat die Nachricht in der nicht einmal eine halbe Stunde dauernden Betriebsversammlung völlig überraschend getroffen. Anschließend seien die meisten nach Hause gefahren. Selbst der Betriebsrat sei ihrer Kenntnis nach erst eine Viertelstunde zuvor unterrichtet worden, erläuterte eine Beschäftigte der Rems-​Zeitung..

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