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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Bürgermeisterwahl und Vereidigung in Gmünds Kinderspielstadt Turbulenzia /​Bankräuberinnen verurteilt

Bürgermeister samt Stellvertreterin vereidigt, drei Bankräuberinnen verurteilt, zwei Dutzend Punkte genannt, die Gmünd für Kinder und Jugendliche attraktiver machen könnten – diese Bürgerversammlung der Spielstadt Turbulenzia hatte es in sich.

Dienstag, 29. Oktober 2013
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer


SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Simon Rofka wurde mit 22 Stimmen zum Bürgermeister gewählt; seine Stellvertreterin ist Naemi Fiebig. Beide sind seit Jahren dabei, alte Turbulenzia-​Hasen gewissermaßen, und beide wussten auch, welche Wahlversprechen ankommen. Erstaunlicherweise scheint das Jungvolk ein sicheres Gespür fürs Machbare zu haben. Keine Steuern etwa, kostenlose Süßigkeiten und höhere Löhne – dass das nicht funktioniert, weiß in Gmünds Spielstadt im Jugendhaus jedes Kind. „Bei mir wird alles besser“ als Wahlprogramm ist ein bisschen dürftig. Naemi Fiebig machte hingegen klar, dass es mit ihr den vielfach gewünschten Videonachmittag geben wird – dieser aber nicht zum Nulltarif zu haben ist: „Ohne eine Steuererhöhung schaffen wir das nicht.“ Auf der anderen Seite will sie ein kostenloses Getränk pro Kind und Tag durchsetzen: „Weil es ist wichtig, dass Kinder viel trinken.“ Simon Rofka trägt den Hang zum Amt wohl im Blut – sein Bruder Sascha, heute als Betreuer engagiert, war ebenfalls Bürgermeister –; er verspricht den Bürgern Turbulenzias unter anderem eine Disco und eine große Halloween-​Feier. Bürgermeister Dr. Joachim Bläse vereidigte die Stadtspitze, erklärte mit ansteckender Begeisterung, was Kommunalpolitik erreichen kann und nutzte die Gelegenheit, Verstärkung fürs Rathausteam zu werben. Im Gegenzug wurde er über die anstehenden Aktivitäten informiert – Besuche im Königsturm und bei den Gartenschau-​Machern, Ausflüge in Gummistiefeln, oder auch das „Turbulenzia sucht das Supertalent“-Casting – unter anderem mit Alice Chlebosch (von der Mobilen Jugendarbeit) als Dieter Bohlen und Joof Badera in der Rolle des Bruce Darnell.
Weil der ehrenwerte Richter
kein „Penner“ ist
Weiterer zentraler Punkt der von Hermann Gaugele geleiteten Bürgerversammlung: Richter Ben Eberling, neun Jahre alt, verkündete das Bankraub-​Urteil: Die drei für schuldig befundenen Damen werden zwei Tage ohne Lohn arbeiten und zahlen 120 Turbos Strafe – bei einem Stundenlohn von sieben Turbos ist das heftig. „Aber Bankraub ist ja auch kein kleines Verbrechen“ erklärt Ben ruhig – und zuckt nicht mit der Wimper als ihn eine der Verurteilten angeht: „Wie soll ich das denn zahlen, Du Penner.“ Eine zusätzliche Geldstrafe macht den Kohl auch nicht fett. Geradezu milde ist das Urteil im Blick auf die im Sprechchor von der Hälfte der Bewohner geforderte Todesstrafe. Grund genug, eine – kindgerechte – Grundsatzdiskussion über Grundgesetz und Menschenrechte anzuzetteln.
„Unerhörte Wahlbeteiligung“ ist sicherlich eine der Schlagzeilen, die sich nach der gestrigen Sitzung im großen Rathaus-​Sitzungssaal anbieten: 59 Kinder durften wählen, 75 Stimmen wurden ausgezählt – mögliche Ursache dieses Ungleichgewichts dürfte in heuer ungewöhnlich jungen Betreuerinnen zu suchen sein. Kinder bis 14 Jahre dürfen teilnehmen, Jugendliche ab 14 können sich ins Betreuungsteam bewerben, und da verschwimmen auch schon mal die Grenzen; dem Vernehmen nach handelt es sich bei den Täterinnen des ersten Bankraubs um Betreuerinnen. Wie gut, dass auch echte Profis im Team sind.
Muffins backen, Blumenschmuck basteln, Briefkästen zimmern, Kranke pflegen, im Café bedienen, als Journalist oder Filmemacherin unterwegs sein, schminken, frisieren, massieren – die Liste der Tätigkeiten in der Spielstadt ist lang. Bemerkenswert ist stets, wie schnell und unorthodox auf aus dem Ruder laufende Entwicklungen reagiert wird. Kein Job war stets auch nur annähernd so beliebt wie der auf der Polizeiwache; auf der anderen Seite wollte niemand zur Stadtreinigung. Seit die Polizisten auch den Müll entsorgen müssen, halten sich Angebot und Nachfrage die Waage. Alle verdienen gleichermaßen sieben Turbos in der Stunde, von denen zwei gleich als Steuern abgezogen werden, damit Turbulenzia funktioniert. Sarah Hannemann und Susan Krause haben heuer ein neues Konzept für die weniger werdenden Kinder erarbeitet, das zu greifen scheint – Jugendhauschef Özcan Polat, spricht zwar lachend von schmerzenden Füßen, aber eben auch von ganz viel Freude an all dem Trubel. Mehr Leben soll’s geben, mehr Lachen. Und einen neuen Markt, der bereits jetzt 300 Turbos Umsatz macht am Tag. Die fünf Marktleute sind entsprechend gut gelaunt und schlagfertig. Bei der Frage nach dem Ladenhüter sind sie sich im Interview einig: „Polizist“ Bekir.
Bürgermeister Bläse wird noch zu einer Kindersprechstunde ins Jugendhaus kommen; bereits gestern aber wurden zahlreiche Punkte öffentlich gemacht, an denen sich Kinder in Gmünd stören: In den Bettringer Riedäckern werde im Hundekotkampf mit Rattengift gearbeitet hieß es etwa. Dass Fußweg und Treppe an einer Stelle ohne Fußgängerüberweg an die Königsturmstraße führen, war Thema, ebenso, dass Autofahrer an der Tankstelle in der Weißensteiner Straße oder an so mancher Verkehrsinsel vor Ampeln keinerlei Rücksicht auf Kinder nehmen, zudem das fehlende Regendach bei der Bushaltestelle am DRK und rasende Radler am Südbahnhof. Dann der Schillersteg am Josefsbach: „Als der neu gemacht wurde, mussten wir ewig einen Umweg gehen, jetzt für die Landesgartenschau soll er wieder gesperrt werden.“

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