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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Die Rettungsübung im Tunnel aus der Perspektive der Statisten: RZ-​Mitarbeiterin in der Rolle eines „Opfers“

Ohne die freiwilligen Statisten wäre die großangelegte Rettungsübung im Tunnel gar nicht möglich gewesen. Auch eine RZ-​Mitarbeiterin war am Samstag in die Rolle eines Opfers geschlüpft.

Dienstag, 12. November 2013
Rems-Zeitung, Redaktion
4 Minuten Lesedauer


Von Karin Schölkopf
SCHWÄBISCH GMÜND. Begonnen hatte alles um zwölf Uhr. Wir trafen und in bester Laune im Sonnenschein zur Erfassung der Personalien durch zwei Mitarbeiter des Malteser Hilfsdienstes auf dem Gelände der Straßenmeisterei. Für die Betreuung und Einweisung der rund Hundert Statisten war der Stadtbeauftragte der Malteser, Andreas Pfeifer, zuständig. Nach der Vorstellung der Aufgaben lag Spannung in der Luft, denn auch der Ernstfall innerhalb der Übung war von Pfeifer angesprochen worden. Darauf hatte ich vorher keinen Gedanken verwendet – aber von der Hand zu weisen war es ja nicht. Ein falscher Schritt oder eine tolpatschige Bewegung, und ich werde vom Übungshelfer zum Ernstfall.
Bevor ich zum Einsatz kam, konnte ich noch die „Schwerverletzten“ bestaunen, die von der Bartholomäer Gruppe für realistische Notfalldarstellung geschminkt worden waren. Hier wurde unter Leitung von Michaela Gruber ganze Arbeit geleistet. Da gab es Verletzungen, die so echt wirkten, dass sie schon bei bloßem Anschauen weh taten.
Unter meinen Statistenkollegen befanden sich auch viele Familien mit Kindern, und einige, die sich bei der Rettung oder der Flucht aus dem Tunnel eine Verletzung zuziehen sollte. Meine Rolle war da etwas einfacher, denn ich war nur ein „normales Stauopfer“. Immerhin bot diese Aufgabe eine gute Möglichkeit, sich darüber Gedanken zu machen, wie ich mich selbst im Ernstfall verhalten würde.
Auf dem Parkplatz an der Nepperbergstraße waren dann auch die vierbeinige Statisten mit von der Partie. Einige Mitglieder der Malteser-​Rettungshundestaffel nahmen für diese Übung mit ihren Hunden mal nicht die Rolle der Helfer, sondern die Perspektive der Betroffenen ein. Nicht ganz ohne Hintergedanken, war dies doch auch ein kleiner Test für die Tunneltauglichkeit der Hunde.
Um 13 Uhr dann ging es los. Alle die nicht mit ihren Fahrzeugen in oder an den Tunnel fuhren, gingen mit Andreas Pfeifer zu Fuß über das westliche Treppenhaus und den Rettungsstollen zur Unglücksstelle. Wir sollten allerdings keine Fußgänger im Tunnel darstellen, sondern „Fahrzeuginsassen“. Allerdings ohne Fahrzeuge, denn für diese Übung wurde aus praktischen Gründen nicht der ganze Tunnel komplett mit Autos zugestellt, sondern nur rund ein Dutzend Fahrzeuge hinter dem „Unfall“ platziert.
Dann ging es auch schon los. Eine klare Frauenstimme forderte zum Verlassen des Tunnels auf. Gut hörbar auch in den Autoradios – sofern der Verkehrsfunk eingestellt war, wie ich später erfahren durfte. Wir versuchten – wie von der automatischen Stimme aufgefordert – uns gegenseitig zu helfen. Ich half zum Beispiel einer jungen Frau. Als ihr Hund sie in Panik umgerissen hatte, sei sie auf den Arm gestürzt, der nun wahrscheinlich gebrochen ist, erzählte sie mir. Deshalb nahm ich ihr den Hund ab. Wir waren so miteinander beschäftigt, dass wir gar nicht mit bekamen, dass sich ein Statisten-​Kollege beim Versuch, eine Person aus einem Fahrzeug zu bergen, selbst verletzt hatte. Für diesen Fall hatte Andreas Pfeifer uns eingeschärft, dies den Rettungskräften als realen Notfall zu melden. In der Tat reagierten die Retter prompt, so das der Mann am Abend schon wieder so weit hergestellt war, dass er neben mir das Helferessen genießen konnte.
Er sollte nicht der einzige unplanmäßig Verletzte sein. Ein anderer Statist bekam auf dem nicht ganz einfachen Weg aus dem Tunnel — allein im Treppenhaus West sind nach dem Weg im Rettungsstollen noch 101 Stufen zu bewältigen — eine Unterzuckerung. Dies erzählte er uns, als wir ihn im Zelt bei der Verletztensammelstelle trafen.
„Mila“ – so hieß der Hund meiner neuen Bekannten – erzeugte mit ihrem aufgeregten Gebell schön schauerliche Echos im Rettungsstollen. Der Tunnel erschien mir endlos, und ich war froh, dort unten nicht alleine zu sein und jemand zum Reden zu haben. Und dies, obwohl wir ja wussten, dass für uns keine wirkliche Gefahr bestand. Dennoch waren wir froh, als wir nach dem Aufstieg übers Treppenhaus oben ankamen.
Für Statisten wie mich, die „nur“ die Aufgabe hatten, anwesend zu sein, wäre die Übung nach dem Verlassen des Tunnels und der Registrierung eigentlich zu Ende gewesen. Nun wollte ich aber meine neue Bekannte und ihren Hund nicht alleine dem „Schicksal“ überlassen und begleitete sie weiter. Für die anderen ging es derweil mit einem Bus in die Pfeilhalde aufs Gelände des THW. Dort war eigens eine Halle ausgeräumt und bestuhlt worden, in der die Helfer von den fleißigen THW’lern mit vom Landkreis gestiftetem Schweinebraten und Getränken versorgt wurden.
Da Hunde nicht mit dem RTW zur Sammelstelle gebracht werden durften, habe ich „Mila“ zusammen mit zwei DRK-​Helfern zu Frauchen begleiten dürfen. Im Ernstfall wäre sie wohl vorübergehend im Tierheim gelandet. Die fünf Versorgungszelte waren nach dem Schweregrad der „Verletzungen“ eingeteilt — und im letzten fanden wir „Milas“ Frauchen. Dort waren auch die beiden Frauen, denen wir im Tunnel begegnet waren, als diese ihre „an Demen erkrankte Mutter“ gesucht hatten. Da die „Verwirrte“ durch das Treppenhaus West unverletzt ins freie gekommen war, wurde sie erst relativ spät zur Sammelstelle gebracht. Andreas Pfeifer erläuterte uns, dass bei der Übung genau wie im Ernstfall die Betreuung in erster Linie von der Schwere der Verletzungen abhängt. Personen, die nur verwirrt, aber nicht erkennbar verletzt sind, stehen dabei in der Prioritätenliste nicht an erster Stelle. Das dadurch Wartezeiten entstehen, die für den Einzelnen zunächst nicht verständlich sind, sei ihm klar, sagte Pfeifer. Aber ein klares Vorgehen gemäß des Notfallplans sei der einzige Weg, wieder einigermaßen Ordnung in das Chaos eines solchen Ereignisses zu bringen.
Obwohl der lange Weg aus dem Tunnel und über die Treppenhäuser für die Älteren unter uns sehr beschwerlich war, konnten viele Statisten dieser Übung viel Positives abgewinnen. Auch wenn sich einige vielleicht noch genauere Regieanweisungen gewünscht hätten, fühlten wir uns durch Andreas Pfeifer, der sich auch ganz persönlich nach den Erfahrungen erkundigte, vorbildlich betreut. Auch machten sich einige aufgrund dieser Erfahrung mehr Gedanken über das eigene Verhalten im Ernstfall und fühlt sich nun darauf auch besser vorbereitet.

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