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Konzert des Schulchors Jovan Jovanovic Zmaj in Heubach

Ein derart konzentriertes und empfindungsfähiges Publikum wünscht sich jeder Chor, jedes Orchester. In der vollbesetzten Kirche Sankt Bernhard in Heubach gastierte der Schulchor des Gymnasiums Jovan Jovanovic Zmaj aus dem serbischen Novi Sad.

Donnerstag, 14. November 2013
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

HEUBACH (roe). Was diese 54 jungen Stimmen aus der Partnerschule des Rosenstein-​Gymnasiums an Einfühlsamkeit, harmonischem Zusammenklang, an Dynamik und Klangreinheit zu Gehör brachten, faszinierte jeden Zuhörer der vollbesetzten Kirche, gleichgültig, welcher Generation er angehört. Sopran und Alt, einheitlich in bordeauxroten Kleidern, rahmten die Tenöre und Bässe ein und setzten jeden noch so feinen Impuls des Dirigenten Jovan Travica hörbar um. Man weiß nicht, was man an diesem Chor mehr bewundern soll: dass sie die sakrale Liedkunst der serbisch orthodoxen Kirche noch lebendig in sich tragen und von innen heraus mit Leben erfüllen oder dass sie in den heimischen Volksliedern und Volkstänzen noch wie selbstverständlich verwurzelt sind, so dass sie uns ungewohnte Taktwechsel mit einer Leichtigkeit bewältigen, die beeindruckt. Wie die 15– bis 18-​Jährigen vom Eingang der Kirche an der Seite entlang nach vorne schritten und dann das Gesamtbild der konzentrierten Sängerinnen und Sänger, die jungen Herren in weißem Hemd und einheitlichem Anzug, den Raum beherrschten, war eine Augenweide. Dass sie bereits am Samstagnachmittag intensiv in der Kirche ihren siebzigminütigen Auftritt geprobt hatten, war zu hören und zu sehen. Die 15-​stündige Busfahrt am Vortag und die Rückfahrt am folgenden Sonntag war vergessen, als sie mit „Tebe Pojem“ (Dir singe ich, oh Gott) den ersten Teil des Konzerts eröffneten. Er war der serbisch-​russischen orthodoxen Sakralmusik gewidmet. Die Zuhörer waren vom ersten Stück bereits derart ergriffen, dass sie intuitiv erfassten, dass Beifall hier zwischen den einzelnen Liedern die andachtsvolle Atmosphäre zerstören würde, die sich durch das zweite „Tebe Pojem“ und eine Chorkomposition von Sergej Rachmaninov noch verstärkte. Erst als der junge Dirigent zur Seite trat, setzte ein nicht enden wollender Beifall ein. Man erfuhr, wozu gute und gut vorgetragene Musik fähig ist Der Chor mit den glasklaren Mädchenstimmen und den wunderbar vollen und tiefen Bassstimmen folgte den klaren Gesten des Chorleiters konzentriert und in einem den Stücken angemessenen Ernst – „res severa verum gaudium“ -, was sicher auch dadurch erleichtert wurde, das alle dreizehn musikalischen Darbietungen auswendig vorgetragen wurden. Dass diese Schüler ihre Musik mit Respekt und Ehrfurcht vortrugen, dass sie sich mit ihrer Musik identifizierten und aus vollem Herzen sangen, spürte jeder in der vollbesetzten Kirche. Hier sangen die, die etwas mitzuteilen hatten, wobei es gar nicht wichtig war, in welcher Sprache gesungen wurde, ob auf serbisch, russisch oder lateinisch. Als musikalische Botschafter ihrer slawischen Heimat trugen die serbischen Schüler in wohltuender Disziplin im zweiten Teil raffiniert arrangierte Chorwerke von Josquin des Prez, von bulgarischen und serbischen Komponisten vor. Jetzt durfte man die Sangesfreude und den rhythmischen Schwung, den Wechsel von pianissimo und fortissimo und den raumfüllenden Wohlklang der adaptierten slawischen Volkslieder und Volkstänze bewundern. Unbestrittener Höhepunkt war das letzte Lied, „Zorila“ von N. Ostojic’. Auf einen exakt eingehaltenen Siebenachteltakt folgte ein langer Teil, in dem der in acht Stimmen aufgeteilte Chor die ständigen Taktwechsel in den Achtachtel-​, Zehnachtel und Zwölfachteltakt souverän bewältigte. Minutenlanger Beifall und „Standing Ovations“ waren der lautstarke Dank eines überwältigten Publikums. Wie seit hundertdreißig Jahren wurde auch dieses Konzert mit der Schulhymne des Jovan Jovanovic Zmaj beschlossen. Nicht nur die Musiklehrer des Rosenstein-​Gymnasiums würden sich glücklich schätzen, wenn sie über solch gut ausgebildete Stimmen verfügen könnten. Aber welche deutsche Schule kann auch wie das Elite-​Gymnasium aus Novi Sad, der 400 000-​Einwohner-​Stadt in der Vojvodina, auf derart ideale Ausgangs– und Auswahlbedingungen zurückgreifen: Von 600 angemeldeten Schülern, die in die neunte, die Eingangsklasse des Oberstufen-​Gymnasiums eintreten wollen, nimmt das im Stadtzentrum in einem historischen Gebäude untergebrachte 1703 gegründete Lyzeum dreihundert auf. Von diesen Neuntklässlern singen 150 vor, von denen der Musiklehrer und Chorleiter Jovan Travica 45 aufnimmt und in einem „Vorchor“ langsam an den Hauptchor, der aus 100 Schülern besteht, heranführt. Nur 28 bis 30 Schüler von jenem ersetzen dann die mit dem Abitur abgehenden Chormitglieder. Dreimal pro Woche je zwei Stunden probt der Chor äußerst konzentriert, wie Lehrer aus Heubach, die einer Probe beiwohnten, beeindruckt mitteilten. Stimmbildung findet dabei zweistündig in Zweiergruppen statt. Kein Wunder also, dass dieser Chor aus Novi Sad jede Menge nationale und internationale Preise gewonnen hat und regelmäßig nicht nur in Serbien, sondern auch in Österreich, Slowenien und der Tschechien auftritt. Die dreitägige Stippvisite nach Heubach war nach einer Konzerttournee nach Belgien die zweitweiteste Reise, für die die Schüler, wie Schulleiter Johannes Josef Miller in seiner Begrüßung erwähnte, ein Viertel des Monatsgehalts ihrer Eltern investierten. Dass der Schulleiter Radivoje Stojkovic extra zu dem Konzert anreiste und einige Tage länger dablieb, um die Partnerschule in Heubach kennenzulernen, zeigt, welche Bedeutung er dem Konzert und dem Schüleraustausch, der bereits zu vier Treffen geführt hat, beimisst.

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