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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Größte Veränderung der Gmünder Friedhofskultur seit vielen Generationen

Zum Teil heftigst wurden jahre– und jahrzehntelang zumindest einige der Neuerungen diskutiert, die Stadtverwaltung und Kirchen am Donnerstag auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof vorstellten: Die auch als „Friedwald“ bekannte Baumbestattung wird künftig ebenso ermöglicht wie erstmals eine Urnenwand-​Bestattung. Das neue Gemeinschaftsgrabfeld sowie ausgwiesene Trauerräume, die ein sehr persönliches Abschiednehmen ermöglichen, wurden eingeweiht.

Freitag, 12. Juli 2013
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 41 Sekunden Lesedauer


SCHWÄBISCH GMÜND (bt). In Gmünd gibt’s 170 Erdbestattungen im Jahr, 350 Urnenbestattungen und 110 anonyme Gräber. Das sind nicht nur Zahlen. Einiges davon ist zum Weinen. Viele Hinterbliebene, so erzählte etwa August Ströbele, Chef des Garten– und Friedhofswesens am Donnerstag, reagierten geschockt, wenn sich nach dem Tod eines Angehörigen herausstelle, dass aus Angst davor, im Tod Belastung zu sein, eine anonyme Bestattung gewählt wurde. Immer wieder, bestätigen auch Friedhofsmitarbeiter, beobachteten Hinterbliebene ganz genau, an welcher Stelle des Rasens die nächsten neun „Anonymen“ bestattet werden, um dort Blumen, Kerzen, Plüschtiere für die Oma, Windrädchen oder anderes ablegen zu können. Da muss es andere Lösungen geben – war eine Überlegung, deren Früchte gestern von OB Arnold, Münsterpfarrer Robert Kloker und Dekan Immanuel Nau vorgestellt wurden. Das ganz große Problem mit anonymen Bestattungen, da sind sich alle drei einig, ist die meist fehlende seelsorgerliche Begleitung, die so wichtig sei, die Abschiedszeremonien etwa einer gemeinsamen Trauerfeier. So gibt es auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof nun eine Gemeinschaftsgrabanlage vor allem für diejenigen, die nicht wissen, ob sie ihren Hinterbliebenen die Pflege zumuten können – sowohl die Friedhofsgebühren als auch die Kosten für die Pflege der Grabstelle über die gesamte Ruhezeit hinweg sind mit der Bestattung zu bezahlen. Kloker und Nau weihten die Anlage gestern ein, ebenso wie die früheren „Aufbahrungsräume“ – deren undichtes Dach, unter anderem, eine Sanierung notwendig machte –, die in Abschieds– und Trauerräume umgewandelt wurden. Der Schaufenstercharakter ist völlig verschwunden. Dekan Nau erinnerte sich gestern an das Abschiednehmen von seinem Vater und betonte, wie wichtig es sei, zu begreifen, dass ein lieber Mensch nicht mehr lebe, „ihn äußerlich loszulassen und innerlich ins Herz zu holen“. Das machen die neuen, unterschiedlich großen Räume möglich, die insbesondere von den Mitarbeitern der Stadtschreinerei mit großem Können gestaltet wurden – die hölzernen, durchbrochenen Falttüren lassen Gestaltungsspielraum und ermöglichen sehr intimen, persönlichen Abschied. Die einzelnen, immer im Blick auf die Trauernden gewählten Maßnahmen erklärte Andrea Eisenhardt vom Hochbauamt. Von Dekan Nau gab’s großes Lob für den neuen Gmünder Umgang mit Bestattungskultur; er sprach von „unvergleichlichen Verbesserungen“. Menschen müssten im Leben und im Tod beieinandergehalten werden, es gebe keinen anderen Weg, als auf Veränderungen zu reagieren – „oder wir haben irgendwann einen bedeutungslosen Friedhofswinkel“. Der Umgang mit dem Tod dürfe nicht privatisiert werden, sei immer ein öffentliches, gesellschaftliches Thema.
So wird dem enorm gestiegenen Bedarf an Feuerbestattungen künftig mit einer Urnenwand Rechnung getragen – OB Arnold wünscht sich die Möglichkeit, eine Urne dort „ewig“ aufbewahren zu können. Ebenfalls wird es eine Baumbestattung geben, die unter dem Namen Friedwald bekannt ist. Mit Gottes Segen, erklärt Pfarrer und stv. Dekan Kloker, sei es ihm gleich, ob (Grab-)Stein oder Baum gewählt würden: „Auch der Baum ist christliches Symbol.“ Der Dreifaltigkeitsfriedhof als große, landschaftsparkähnliche Anlage – im Gegensatz zu den „Quartier-​Friedhöfen“ – bietet mit seinem Waldsaum die Möglichkeit, die vielfach gewünschte naturnahe Bestattung in geweihter Erde anzubieten. Mit Blick auf eine bestehende Kindergrabreihe regt Friedhofsverwalter Stefan Feuchter zudem ein muslimisches Gräberfeld an; der Bedarf bestehe. Der Arbeitskreis Bestattungskultur will künftig verstärkt darauf reagieren, dass sich, wie OB Arnold meint, die Gesellschaft verändere – und mit ihr auch Bestattungskultur.

Unsere Fotos: Die Friedhofsgärtner und ihre Genossenschaft, die Steinmetze, die Bestattungsunternehmen, die Pfarrer beider Konfessionen und die Stadtverwaltung ermöglichten eine Gemeinschaftsgrabanlage, die gestern eingeweiht und als „enorme Verbesserung“ gewürdigt wurde.

Dekan Nau, Pfarrer Kloker, Hochbauamtschefin Gisela Bader, OB Arnold und Stefan Deininger von der Stadtschreinerei, der die Arbeiten an den „Abschiedsräumen“ erläuterte

Nicht wie bislang hinter Glas werden die Verstorbenen aufgebahrt: Jetzt wird „Abschied genommen“. Andrea Eisenhardt erklärte, wie die veralteten Räume überarbeitet wurden.


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