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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Das Erstlingsblümchen: Warum das Schneeglöckchen auch in einem Jahr ohne Schnee und Eis ein wenig Beachtung verdient

Galantophile gibt’s viele. Die wenigsten wissen darum: Sie freuen sich halt an den Schneeglöckchen in ihrem Garten, gönnen sich gar hin und wieder eine neue Sorte. In diesem Jahr kommen sie und das Blümchen, das sie schätzen, arg kurz. Die RZ findet, es verdient auch 2014 ein bisschen Aufmerksamkeit.

Dienstag, 25. Februar 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

Von Birgit Trinkle
SCHWÄBISCH GMÜND. „Wenn winterliches Stürmen noch die Welt bezwungen hält und Schnee und Eis noch Berg und Thal bedecken, erhebt sich im Walde und Garten als ersten Zeichnen des nahenden Frühlings das Schneglöckchen“, so heißt es in einer alten Pflanzenfibel. Dieses „Schneeglöckchen, einem Elfchen gleich, mit dreifachem Silberflügel“ hat der Überlieferung zufolge nur eine Aufgabe: „Wenn andre blühn. Aus vollem Grün. Dann haben, ach, sie Abschied längst genommen. Sie zeigen nur. Sich auf der Flur. Zu melden, dass die anderen Blumen kommen.“ (J. Trojan). Was aber, wenn das in anderen Jahren so willkommene „Erstlingsblümchen“ – oft bis weit in den März hinein tatsächlich erstes und einziges – unbeachtet bleibt, im Schatten viel zu früh erblühter Frühlingsblütenpracht? Davon erzählen bietet sich an.
Für einzelne kleine Zwiebeln
werden hunderte Euro bezahlt
In Gmünd gibt es einen Züchter, der nicht genannt werden will – aus der wohl berechtigten Angst heraus, seine zum Teil sehr seltenen Sorten fänden allzu schnell Liebhaber, wenn denn bekannt würde, wo und bei wem sie wachsen. Es gibt Zwiebelchen, die für einige hundert Euro gehandelt werden. Der Gmünder zählt zu denen, die es ernst meinen mit ihrer Leidenschaft für Schneeglöckchen: Sie sind vor allem in England und in den USA zu finde,. organisieren seit einigen Jahren aber auch in Deutschland Treffen.
Schneeglöckchen ist nicht gleich Schneeglöckchen. Die Sorte S. Arnott duftet intensiv nach Honig. H. Purcell, G. Händel und J. Haydn wurden in den Niederlanden eigens gezüchtet, weil sie sich im Gegensatz zu den meisten anderen Sorten als Schnittblumen eignen. „Galanthus „Hill Poe“, wie auch Galanthus „Lady Betrix Stanley“ erinnern an exquisite, gefüllte Tulpen. Es gibt Schneeglöckchen mit unterschiedlichsten grünen und gelben Zeichnungen, mit verschiedenen Blatt– und Blütenformen, mit betörenden Düften. Sogar ausgewiesene Schneeglöckchensammler kennzeichnen einzelnen Sorten mit Schildchen, so ähnlich sind sich bestimmte Züchtungen. Alle drei Jahre werden die Zwiebeln der großen Sammlungen ausgegraben und weiter auseinander wieder eingepflanzt; so wird ihr Kreis immer größer. Bekannt sind 20 Arten und über 500 Sorten – die meisten sind leicht zu kultivieren. Das Schneeglöckchen braucht vom Herbst bis zum Frühjahr Licht, dann, wenn Anfang Juni auch die Blätter absterben, vor allem Schatten. Nicht von ungefähr gedeihen wild wachsende Sorten in Laubwäldern gut, wo die Sonne nur im Winter ungehindert auf den Boden trifft. Das Schneeglöckchen ist in Südwestasien und Teilen Europas daheim. „Wild wachsen“ etwa in England ist eher ein Verwildern: Englische Soldaten brachten es aus dem Krimkrieg mit. Vor allem Galanthus novalis breitet sich so stark aus, dass es gerade im Umfeld von Klostergärten und alten Landgütern wirkt, als käme es wild vor.
Das Schneeglöckchen ist Gift– und Heilpflanze zugleich. Alle Pflanzenteile, besonders die Zwiebel, enthalten giftige Alkaloide, die zu Erbrechen, Durchfall und anderem führen. Galantamin wiederum wird als Mittel gegen Demenz genutzt; es soll das Fortschreiten der Alzheimer-​Krankheit bremsen.
Bis Carl von Linné ein bisschen Ordnung in die Pflanzen-​Sache brachte, wurde die Galanthus-​Gattung über Jahrhunderte hinweg auch Leucoion genannt, „weißes Veilchen“. Dass sich das Frühlingspflänzleich seit 1700 Jahren nachweisen lässt und ebenso lange die Phantasie der Menschen beflügelt, ließ und lässt viel Raum für kreatives Schaffen. Das erste Schneeglöckchen – ohnehin Symbol für Reinheit und Keuschheit – wurde vom schottischen Dichter Robert Burns mit einem jungfräulichen Kuss, verglichen; auch Coleridge, Wordsworth und andere haben ihm Gedichte geschreiben, Hans Christian Andersen hat ein Märchen geschrieben, in vielen Kinderbüchern ist es verewigt
Mythos: Der Schnee und
das Schneeglöckchen
Der Blumen-​Legende nach hat Gott, nachdem er seiner Schöpfung Farbe gegeben hat, auch den Schnee geschaffen und ihm gesagt, seine Farbe könne er sich selbst aussuchen, der Schnee sei es schließlich, der alles zudecken, allem seine Farbe geben werde. Der Schnee ging also zum Gras und bat es, mit ihm die Farbe zu teilen. Das Gras aber wollte nichts abgeben von seinem Grün. Auch die Sonnenblume, das Veilchen, und überhaupt alles, was wächst, hütete die eigene Farbe eifersüchtig. Der Schnee wurde immer trauriger und immer zorniger, bis das Schneeglöckchen Mitleid hatte mit ihm und seine Farbe teilte. So kam der Schnee zu seiner Farbe, so heißt es. Er wurde allem zum Feind; nur das Schneeglöckchen muss ihn nicht fürchten.

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