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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Ein Weckruf für die Landespolitik

Menschen mit Behinderungen sollen dezentrale, wohnortnahe und individuelle Unterstützung erhalten. In Politik und Gesellschaft muss ein Umdenken stattfinden, damit diese Forderung durchgesetzt werden kann. Mit der Ratifizierung der UN-​Behindertenrechtskonvention durch die Bundesrepublik Deutschland 2009 ist die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen das Ziel.

Samstag, 29. März 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
1 Minute 54 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (jb). „Die Initiative“, ein Verband von zwölf traditionsreichen Groß– und Komplexeinrichtungen der Behindertenhilfe Baden-​Württemberg, möchte Aufmerksamkeit erregen und aufzeigen, dass die Landespolitik beim Thema Inklusion den Bedürfnissen der Menschen mit schwerer geistiger und mehrfacher Behinderung mehr Beachtung schenken muss.
Jürgen Kunze, Vorstand der Stiftung Haus Lindenhof und Vorstandsmitglied der Initiative, erklärte im Rahmen eines Pressegespräches die komplexe Problemlage: Von der Politik werde aufgrund der UN-​Konvention ein Umbau der klassischen Zentralstandorte und eine weitgehende Integration in die Gemeinden gefordert. Doch die Forderung alleine reiche nicht. Damit die Menschen mit schweren Behinderungen auch zukünftig moderne und vielfältige Wohn-​, Arbeits-​, Bildungs– und Therapieangebote für ihre individuellen Bedarfe bekommen, müssen von der Politik ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt werden.
Der Verband fordere von der Landesregierung, die derzeit für freie Träger der Behindertenhilfe allgemein bereit gestellten Fördersummen zur Investivförderung in Höhe von jährlich rund 23 Millionen Euro auf rund 44 Millionen Euro zu erhöhen. Diese Mittel müssten für eine Übergangszeit von mindestens zehn Jahren gewährleistet werden. Nur so könnten die personalintensiven Wohn– und Betreuungseinheiten in den Kommunen finanziert und Plätze in den Zentralstandorten abgebaut werden. Allerdings wünschen die Betroffenen auch, und darauf weist der Verband hin, dass die Leistungen historisch gewachsener Standorte aufgrund ihrer aufeinander abgestimmten Hilfsarrangements erhalten bleiben.
Die Stiftung Haus Lindenhof blickt zufrieden auf eine gute Zusammenarbeit mit Stadt und Landkreis. Von Caritas und der Diözese Rottenburg-​Stuttgart 1971 gegründet, entstanden hier von Beginn an dezentrale Strukturen, die der Stiftung heute einige Probleme ersparen. Zudem wird das gemeinsame Engagement von Stadt und Stiftung gerade jetzt durch die Werkstatt am Salvator deutlich: Direkt am Eingang zum Gartenschaugelände werden Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam arbeiten und die Werkstatttore für Besucher öffnen. Dennoch fehlt das Geld vom Land und das gesellschaftliche Umdenken muss in Gang gesetzt werden. „Wir sind für die Allgemeinheit tätig, daher soll diese sagen, wie sie es gerne möchte“, so Kunze. Das bedeute, dass es nicht reicht, die Inklusion gut zu finden. Man müsse eigene Wege entwickeln und dann auch mit den Grenzen umgehen. Grenzen, wie sie zum Beispiel beim öffentlichen Nahverkehr mit übergroßen elektrischen Rollstühlen überwunden werden müssten. Die Träger der Initiative sind bereit, 150 Jahre Erfahrung, wie man mit behinderten Menschen umgeht, zur Verfügung zu stellen. Sie wollen sich von der abgelegenen zentralen Einrichtung weiterentwickeln, dezentral in die Gemeinden hineinwachsen, damit Menschen mit Behinderungen selbstbestimmt und mit Weiterentwicklungschancen leben können. Dabei benötigen sie nicht nur sachkundige Unterstützung. Ganz besonders braucht es die Solidarität der ganzen Gesellschaft, denn ein Einzelner kann wenig erreichen.

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