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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

„Reg dich auf“, sagt die Hexe den Frauen „Hexeneinmaleins! Von sündigen Rechnungen und feministischen Berechnungen“ in der VHS

„Nicht schwarz sehen, nicht rot sehen, nein bunt!“ — so endetet das Textprogramm von Annabella Akcal, Elke Heer, Carolin Morlock und Gabriele Scheeff in der Volkshochschule zum Weltfrauentag. Es ging um alte und neue „Hexen“ und um Ängste, die dahinter stecken.

Sonntag, 09. März 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 3 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (brd).
Literarisch, historisch, kunstgeschichtlich und politisch versuchten die vier Frauen, das Thema auszuloten. Gleich am Anfang tauchte in Annabella Akcals Vortrag von Conrad Ferdinand Meyers Ballade „Die Ketzerin“ die Frage der Scharfrichter auf: „Kann die Hölle wie der Himmel schauen?“ Angesichts einer bildschönen Frau, die ihrem Geliebten in den Tod folgen will, kann in einem Männerkopf jener Zeit wohl nur ein Teufelspakt dahinter stecken.
Hans Baldung Grien, vorgestellt von Kunsthistorikerin Gabriele Scheeff, hat dagegen gern und oft sinnliche Frauen gemalt, allerdings entmystifiziert, ohne Teufelspakt, einfach nur schön. Dies bewies das ausgewählte Bild von den „Wetterhexen“. Die in der Bevölkerung weit verbreitete Angst vor dem Unerklärlichen jedoch, gepaart mit den Erschütterungen in Glauben und Kirche im 16. und 17. Jahrhundert verlangten Schuldige. Ausschnitte aus der Gmünder Chronik des Friedrich Vogt, „Einträge zur Strafjustiz 1613 – 1617, zeigten schonungslos die Auswüchse solcher Suche nach Schuldigen. Für zwei „schrökliche“ Unwetter im Sommer 1613 mussten fünf Frauen als Wetterhexen jämmerlich sterben. Bis 1617 waren es knapp 50 Frauen, die in Gmünd als Hexen verbrannt worden waren. Der „Hexenhammer“ des Dominikaners Jakob Sprenger, der eigentlich auf seinen Mitbruder Heinrich Kramer zurückgeht, diente als Legitimation für dieses Vorgehen. Teilweise überlappend trugen alle vier Protagonistinnen Ausschnitte daraus so zwingend vor, dass man schon fast selber die Fesseln an den Händen spürte, zumal eine einfache Denunziation ausgereicht hatte für eine Anklage. Und heute? Alles überstanden? Carolin Morlock konnte mit ihrem aktuellen Beitrag nicht einen Hauch von Erleichterung auslösen. Vergleichspunkt zum Hexenhammer waren die sogenannten Erkennungsmerkmale von mutmaßlichen Terroristen. Die Zahl der Verdächtigen, Kinder eingeschlossen, steige rasant und es bedürfe wieder einmal nur eines Hinweises, um auf solche Listen aufgenommen zu werden. Eine anschließende dezidierte Beschreibung von „waterboarding“ machte schmerzhaft deutlich, dass das sogenannte finstere Mittelalter noch lange nicht den Höhepunkt abstruser Foltermethoden für sich beanspruchen kann.
Elke Heer fasste schließlich noch einmal in einem großen geschichtlichen Bogen das Bild der Frau zusammen. Menschen, „als Gefangene ihrer Angst“ suchten immer wieder nach „Sündenböcken“ als Ursache ihrer Leiden. Die Frau als „biologisches Mängelwesen“ (Aristoteles) musste lange genug dafür herhalten oder sich eben besser in die Unauffälligkeit flüchten. Ansonsten wurden ihr magische Kräfte und ein Pakt mit dem Teufel angedichtet. Die Angst vor der weiblichen Sexualität reiche bis in die Jetztzeit. Ganz Frauenbeauftragte gab sie noch einen interessanten Hinweis auf die Suchmaschine Google: Unter dem Stichwort „women cannot … gebe es immer noch eine Unzahl von Einträgen. (Nachgeschaut: nämlich eine Milliarde 990 Millionen!) Und 103 Jahre nach dem ersten Frauentag hänge die Verwirklichung des Rechts auf Gleichberechtigung immer noch hinterher (Beispiel „Löhne“). Deshalb auch ihr Credo: „Da muss man hinterher sein.“ Das anspruchsvolle Programm und seine Besucherinnen zeigten, dass sie diesem Anspruch mit Wissen und Mut gerecht werden wollen, getreu dem Hexenmotto: „Reg dich auf“!

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