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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Diane Herzogin von Württemberg erinnert sich an ihre Kindheit und an die ersten Gärten, die sie und ihre Kunst prägten

Diane Herzogin von Württemberg erzählt aus ihrer Kindheit. In Gmünds Gartenschaujahr sind nicht zuletzt ihre – bislang unveröffentlichten – Erinnerungen an die Gärten in ihrem Leben interessant.

Mittwoch, 18. Juni 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
6 Minuten Lesedauer

Von Birgit Trinkle
SCHWÄBISCH GMÜND /​ALTSHAUSEN. Die Herzogin hat in den vergangenen Jahren keinen Zweifel daran gelassen, dass Gmünd für sie eine Sonderstellung einnimmt – ganz gleich ob sie sich für den Salvator eingesetzt oder ihre Prachtroben für die Staufersaga zur Verfügung gestellt hat. Auch die Landesgartenschau hier ist für sie keine wie jede andere.
Sie hänge nicht an Orten, nicht an Häusern, sagte sie der RZ einmal, anderes sei ihr wichtig, und dazu gehörte immer schon das Grünende und Blühende. Von Anfang an.
1940 war auch für die Familie derer von Orléans kein leichtes Jahr. Zunächst ging es nach Brasilien ins Exil. Papa, Henri d’Orléans aus dem Hause Bourbon, der immerfort Abwesende, blieb in Europa, immerhin wütete dort gerade der Weltkrieg. Seine Gattin, Gräfin de Paris, geborene Prinzessin Isabelle d’Orléans-Bragance und Urenkelin des letzten brasilianischen Kaisers Dom Pedro I, war in froher Erwartung: Bald würde sie ihr sechstes Kind zur Welt bringen, ein Mädchen, das den Vornamen Diane tragen sollte, Diane Françoise Maria da Glória. Am Ostersonntag war es dann soweit: Während die Kirchenglocken die Auferstehung einläuteten, erblickte die Kleine das Licht der Welt; der Beiname „D“, für Dimanche de Pâques, Ostersonntag, begleitete sie fortan. Das Schicksal hielt einiges bereit für die winzige Prinzessin; einige Male würde sie dem Tod ganz nahe kommen und dennoch leben, selbst wenn dies kaum jemand zu hoffen gewagt hatte. Irgendwie ist sie halt doch Sonntagskind.
Die von Ordensfrauen geleitete Entbindungsklinik lag ganz in der Nähe des Palais Rose de Petropolis, ein Gut im Besitz der Orléans-​Bragance, das der Familie für die Dauer ihres Aufenthaltes zur Verfügung gestellt wurde und als ehemalige Sommerresidenz des Kaisers von legendärer Schönheit war. Dort, in der Bergidylle, war die Natur ganz nahe, alles wuchs und wucherte in üppiger Schönheit, und die kleine Prinzessin erfuhr hier, wie sie heute überzeugt ist, in all dieser Schönheit, ihre allerersten prägenden Eindrücke — vielleicht eine Erklärung für all die Schmetterlinge, Bäume und Blumen, für die geradezu explodierenden Farben ihrer Bilder. Zunächst aber stand die Taufe an. Der Großvater der Kleinen, Prinz Pierre, war gerade verstorben, und dennoch bestand die gesamte Familie darauf, der Prinzessin dieses Sakrament unverzüglich spenden zu lassen, diesen Anlass zudem, wenn auch in Schwarz gehüllt, feierlich zu begehen. Der Graf und die Gräfin de Paris wählten mit Diane einen zu dieser Zeit absolut unüblichen Vornamen und waren sich in keiner Weise der Schwierigkeiten bewusst, die sie sich damit einhandelten. Der Priester nämlich lehnte diesen in seinen Augen heidnischen Namen missbilligend ab. Die Familie, die damit nicht gerechnet hatte, fiel aus allen Wolken. Ohne ein weiteres Wort kehrte der Tross zurück nach Petropolis, und erst drei Monate später konnte sie ihren jüngsten Spross in der Kirche Santa Maria da Gloria in Rio taufen lassen — und zwar erst, nachdem zweifelsfrei nachgewiesen wurde, dass selbst eine Tochter des Heiligen Ludwig (IV.) diesen Namen getragen hatte. Diane entwickelte sich prächtig. Sie war wohl ein glückliches Kind, ausgestattet mit unersättlicher Neugier und sprühendem Geist, verschmitzt und schelmisch und absolut bezaubernd, wie ihre Familie erzählt.
Marokko und das Anwesen der Herzogin de Guise, Larache, wurde ihr nächstes Erkundungsprojekt, denn dorthin zogen die Orléans mitsamt Gefolge und einer unglaublichen Anzahl von Koffern als nächstes. Während der Überfahrt auf dem Atlantik erlitt das Kleinkind allerdings eine doppelseitige Lungenentzündung. Welches Entsetzen, als der Schiffsarzt lakonisch feststellte, die Kleine werde sterben und wohl noch „am Abend über Bord geworfen“. In ihrer Verzweiflung wandte sich Madame de Montbron, Dianes Gouvernante, an die Muttergottes und legte ein Gelübde ab: Fortan wollte sie als Angehörige eines Dritten Ordens Geistliche in Zivil sein. Ob es die Gebete waren, schieres Glück oder unbändiger Lebenwille: Die Kleine kam durch. Dennoch war sie mehr tot als lebendig, als man endlich in Marokko angelangt war. In Brasilien hatte Diane laufen gelernt; jetzt konnte sie nicht einmal mehr das Köpfchen heben.
Monate gingen ins Land. Das Kind wuchs und überstand diese schwere Zeit. Schritt für Schritt wurde jetzt diese neue Welt erkundet. Heute noch erinnert sich die Herzogin an das große Becken im Garten und an ihr Bemühen, mit einem kleinen Stock die Schlangen darin zu reizen. Eines Tages war es dann soweit: Kopfüber stürzte sie in den Teich, mitten in die Seerosen, und nur weil der Gärtner ihren durchdringenden Schrei gehört hatte und das triefende Kind aus dem Wasser zog, ist sie an jenem Tag nicht ertrunken.
Als Diane fünf Jahre alt war, beschloss die Familie, nach Pamplona umzusiedeln. Bei ihrer Ankunft wurde sie von schlechtem Wetter begrüßt; das kalte Licht spiegelte sich in regennassen Dächern. Wie trist und trübe es hier war, welch Gegensatz zur Wärme Nordafrikas. Kein Wunder dass das Kind schnell zum Entschluss kam, dass es hier unmöglich bleiben konnte: Wie hat sie ihre Gouvernante angefleht, unverzüglich mit ihr nach Marokko zurückzukehren — bereits als Kind gab sich Diane nicht ohne weiteres mit einem Nein zufrieden. Die Zeit in Pamplona ist ihr als glanzlos in Erinnerung geblieben, bis heute.
Kindheit und Backfischjahre
einer Globetrotterin
Umso strahlender erlebte sie dann die Jahre in Portugal, von denen sie wiederum in leuchtenden Farben zu erzählen weiß: Als die Prinzessin im Alter von neun Jahren erstmals lusitanische Erde betrat, war der so wichtige erste Eindruck ein ganz anderer; dafür sorgte allein die lang vermisste Sonne. Zunächst wohnte Frankreichs führende Familie bei den Esperito Santo, doch schon bald erstand der Graf de Paris eine Quinta, die mitsamt ihren Gärten für die nächsten Jahre Zuhause wurde. Nach ihrer Ankunft in Portugal hatten sie engen Kontakt zur Familie Esperito Santo, zu den Kindern des Grafen von Barcelona, König Siméon von Bulgarien und manchmal auch zu den Kindern König Umbertos von Italien, die alle im Exil in Sintra lebten. Die alten Titel, längst ohne rechtliche Relevanz, sind für die Herzogin – gern auch IKH, Ihre königliche Hoheit genannt – von großer Bedeutung.
Im illustren Kreis der adeligen Sprösslinge bedurfte es, erinnert sich die Herzogin, keiner besonderen Ermutigung, sie „alle miteinander über die Stränge schlagen“ zu lassen. Der Strand etwa übte magische Anziehungskraft aus. Die Herzogin erinnert sich an Gezeiten im Herbst mit über drei Meter hohen Wellen, die an der Küste den Sand aufpeitschten. Die großen Jungs sprangen in die Fluten – Diane, wie immer unerschrocken und viel zu jung, die Gefahr einschätzen zu können, tat es ihnen gleich. Beinahe sofort riss die Strömung sie unter Wasser; sie war gefangen in einem Strudel, einem wirbelnden Tunnel voller winziger Luftblasen, der ihr jahrelang Albträume bescheren sollte. Dieses Mal war es ein Matrose, der die damals 14-​Jährige rechtzeitig entdeckte und aus dem Wasser zog. Wieder einmal war sie dem Tod nur ganz knapp entkommen. Eigentlich nicht weiter verwunderlich, dass sie seither großen Respekt vor allem Wasser hat.
Ein anderes Mal bat sie ihre Brüder Michel und Jacques auf das Dach ihres Miniatur-​Spielzeugwagens – ein Weihnachtsgeschenk –, um dadurch an Fahrt zu gewinnen. Die haarsträubenden Ausweichmanöver der anderen Fahrzeuge boten Stoff für viele Geschichten; deren Fahrer wollten angesichts dieses unerhörten Gefährts samt seiner seltsamen Besatzung ihren Augen nicht trauen. Sie hat viel zu erzählen aus ihren Backfischjahren, auch später aus ihrer Brautzeit.
Geboren in Brasilien, im Exil, ist sie also in Marokko, Spanien und Portugal aufgewachsen, bis ihre Familie wieder nach Frankreich einreisen durfte. Richtige Wurzeln, sagt sie, hat sie nie gehabt; viel zu oft sei sie verpflanzt worden. Und auch wenn sie Deutschland und insbesondere natürlich Württemberg lieb gewonnen hat: „Wenn heute jemand sagt, dass wir das Land verlassen müssen, würde ich meine Sachen packen“. Sie hänge an Menschen, nicht an Orten, nicht an Häusern. Sie erinnert sich, dass ihre Familie 24 Stunden Zeit hatte, Spanien zu verlassen. „Für uns Kinder war dieses Durcheinander und das hektische Kofferpacken lustig“, und auch wenn ihre Mutter das Ganze natürlich anders sah, hat die kleine Diane aus solchen Erfahrungen fürs Leben gelernt: „Jedes Land hat Gutes und Schönes“. Hier ist ihr Zuhause. Ihr Daheim aber sieht Württembergs First Lady in der Familie, in ihrer Kunst.
Wie sehr sich das alle verbindet, davon erzählt unter anderem das Gut „Fleurs-​de-​Lys“ der Herzogin auf der spanischen Baleareninsel Mallorca: „Lilienblüte“, bezieht sich auf das Wappen, das die Könige von Frankreich seit dem zwölften Jahrhundert führen; das Anwesen war lange Jahre ein Herzensprojekt. Sie hat jeden gelebten Moment an diesem Ort genossen, angefangen beim Blick auf das benachbarte Dorf Esporles inmitten dieser weichen, sanften Hügellandschaft, bis hin zur warmen, freundlichen Stimmung im Atelier, die sich so positiv auf die Kreativität der Herzogin auswirkte, nicht zuletzt auch aufgrund einer als ideal empfundenen Verbindung zur lehmigen Erde. Gerade der Garten spiegele ihren Geist und ihr Wesen wider – so empfindet sie es, und daran arbeitet sie, etwa indem sie dort seit über einem Vierteljahrhunderts Rosenstöcke aus der ganzen Welt, von Damaskus bis Saint Malo pflanzt.

Unsere Fotos: Die Herzogin 2006 auf Schloss Altshausen mit ihrem 2012 verstorbenen und zutiefst betrauerten persönlichen Referenten Stephan Kirchenbauer, auf den ihre Verbindung mit Gmünd zurückzuführen ist. Die beiden zeigen ein Bild der Herzogin, das von ihrer Freude an Farben zeugt.
Von den Barockdamen und Bine (links) und Biggi Stahl (rechts) eingerahmt: Die Herzogin, die großes Interesse zeigt an der Landesgartenschau, und OB Richard Arnold. Foto: mk



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